Zugezogen Maskulin: Klug und böse

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Zugezogen Maskulin: Klug und böse

Zugezogen Maskulin werten Deutschrap mit schlauen Texten und Verweisen auf Marx und Engels auf. In ihren Texten geht es um Cannabis-Sucht statt Koks-Glorifizierung, um Flüchtlinge statt Frauen und um Gentrifizierung statt Ghetto-Geprahle. Böse klingt das trotzdem.

Schon der Name schreibt Geschichte: Kool Savas hatte Westberlin Maskulin, Fler hatte Südberlin Maskulin, jetzt kommen Zugezogen Maskulin: Grim104 und Testo sind die Jungs, die gerade Feuilletonchefs jeden Alters dazu kriegen, sich mit dreckigem Deutsch-Rap und dem Soundtrack der Jugend zum „Alles-In-die-Tonne-treten“ zu beschäftigen. Und das Beste: Sie lieben es.

Was Grim104 schon mit seiner 2013 erschienenen EP angekündigt hat, zieht sich auch durch „Alles Brennt“: Kluge, sarkastische, verzweifelte Beobachtungen und Momentaufnahmen der Generation Y. Flüchtlingspolitik, Kapitalismus, Globalisierung und Hipsterbashing werden mit Verweisen auf Marx, Freud und Engels genauso thematisiert wie das Leben im Plattenbau, mit Drogensucht, Gentrifizierung und Ayahuasca. Dass ZM die Politik nur noch mit schwarzem Humor ertragen, passt zu ihrer nihilistischen Generation. Dagegen sein als politische Position, nicht gerade konstruktiv, aber das einzige, was in dieser komplizierten Welt, aufgebaut von Machtmenschen, noch irgendwie Sinn ergibt.

Was zumindest noch Spaß macht: Kunst. Und die haben Zugezogen Maskulin mit ihrem Zusammenspiel von Text und Ton hier eindeutig geschaffen. Jeder Track trumpft mit Zeilen auf, die mindestens einen eigenen Meme-Tumblr verdient hätten. An die Verfechter des Gangsta-Rap heißt es gleich zu Anfang: „Ihr wollt Rap so wie er früher war? Früher gab’s auch Hitler“. In „Oranienplatz“ herrscht der Zynismus die Flüchtlinge an: „Kauf ich Schuhe von Nike oder Adidas? Solche Fragen quälen mich, während du ne schöne Bootsfahrt hast“ oder „Du hast viele Träume? Wir haben viele Zäune!“. Bei „Agenturensohn“ ist schon der Titel Aussage genug und in der Anti-Kiffer-Hymne „Grauweißer Rauch“ wird die Sucht nach dem lähmenden Gefühl eindringlich beschrieben: „Halb Mensch halb Couch vom TV kalt angestrahlt“ oder „Ich mach kaputt, was mich kaputt macht / Mich selber.“

Das Soundgerüst dazu besteht zu 80 Prozent aus Düsternis mit Dubstep- und Trap-Elementen. Die anderen zwanzig Prozent sind angenehm unkonventionelle Spielereien: Saxophon-Samples, Latino-Gitarren und Glocken bringen Abwechslung ins Spiel, ohne den Flow zu unterbrechen. Nur die Synthies in der neuen Single „Plattenbau O.S.T.“ wirken ein bisschen zu dick aufgetragen. Die musikalische Messlatte hat ausgerechnet Grim104 mit seiner von Kenji451 produzierten EP zu hoch gelegt – an deren Über-„Hits“ wie „Ich Töte Anders Breivik“ oder „Frosch“ kommt rein musikalisch kein Track auf „Alles Brennt“ ran. Eins steht trotzdem fest: In Post-Aggro-Berlin-Zeiten sind Zugezogen Maskulin sicher das Interessanteste aus der Ecke seit KIZ – oder eben Grim104.