„Wish I Was Here“ biegt auf dem Weg zum Kitsch rechtzeitig ab
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Musik ist ein Teil unseres Lebens
Ein erfolgloser Schauspieler auf der Suche nach sich selbst, ein Schicksalsschlag in der Familie und jede Menge skurriler Figuren: Die Inhaltsangabe von "Wish I Was Here" klingt haargenau wie der Plot von Zach Braffs Erstlingswerk. Ist der Kickstarter-Film also nicht mehr als "Garden State 2.0"?
Neue Wege gehen, ohne Studiobosse, die einen in der Kreativität einschränken, aber auch ohne finanzielle Sicherheit – Zach Braff (39) bewies viel Mut mit der Entscheidung, seinen Nachfolger zu „Garden State“ (2004) via Kickstarter zu finanzieren. Zehn Jahre nach seinem Debüt auf dem Regiestuhl schuf er gemeinsam mit seinem Bruder Adam auf diese Weise einen Film, der atmosphärisch fast deckungsgleich zu dem Vorgänger ist. Wieder ist Braff ein erfolgloser Schauspieler, der es einfach nicht schafft, erwachsen zu werden, und wieder zwingt ihn ein persönlicher Schicksalsschlag dazu, genau das zu tun. Dass man sich während seines Wandels aber nicht langweilt, quasi „Garden State 2.0“ zu sehen, ist vor allem den bezaubernden Nebenfiguren zu verdanken.
Nur ein weiterer Schauspieler
Aidan (Braff), seine Frau Sarah (Kate Hudson, 35) und deren gemeinsame zwei Kinder haben es nicht leicht. Als verzweifelter Schauspieler ohne Job macht Aidan schlichtweg alles, um seinen Traum von der großen Karriere zu erfüllen – auch wenn das bedeutet, dass seine bessere Hälfte ganz alleine die Brötchen verdienen muss und er sogar bei Castings für afroamerikanische Rollen antanzt. Den einzigen Beitrag für die Haushaltskasse scheint er nur durch sein exzessives Fluchen zu erbringen, welches das „Swear Jar“ prallgefüllt auf dem Kühlschrank thronen lässt. Seine großzügige Freizeit nutzt er dagegen, um den kindischen Tagträumen von sich als „Space-Knight“ nachzukommen.
Doch vor einer Wahrheit kann auch er nicht entfliehen: Die Krebserkrankung seines Vaters Gabe (Mandy Patinkin, 61) ist wieder ausgebrochen, Metastasen in dessen gesamtem Körper machen eine erfolgversprechende Behandlung unmöglich. Gabe wird sterben, und für seine letzte Zeit auf Erden braucht er sein Erspartes. Daher kann er auch nicht weiter für die Schulkosten seiner Enkel aufkommen, sehr zur Sorge von Aidan. Um die Zeit bis zum Schulanfang auf einer staatlichen Einrichtung zu überbrücken, beschließt er, dem Nachwuchs von zuhause aus seine Lebensweisheiten nahezulegen – und bekommt stattdessen von ihnen den Sinn seines Lebens beigebracht.
Am Kitsch vorbeigeschrammt
„Wish I Was Here“ ist ein rührender Film, der manchmal in die Rührseligkeit abrutscht. Braff weiß als Regisseur genau, welche Knöpfe er zu drücken hat, damit sich im Hals des Zuschauers ein Kloß bildet. Sentimentale Musik, bedeutungsschwangere Dialoge und der drohende Abschied eines vielleicht nicht immer einfachen, aber dennoch geliebten Menschen. Manchmal übertreibt es das Braff’sche Brüderpaar aber ein wenig mit der forcierten Emotions-Erzeugung im Zuschauer, versucht zu sehr, mit der Brechstange für glasige Augen zu sorgen.
Dass der Film dennoch funktioniert und nicht in Kitsch abgleitet, ist mit Abstrichen Braff selbst, vor allem aber den hervorragenden Nebendarstellern zu verdanken, allen voran Patinkin als krebskrankem Vater. Der Schauspieler, bekannt aus der Serie „Homeland“, ist in jeder Szene präsent, selbst als er mit dem Tode kämpft. Bezeichnend: Die vielleicht kraftvollste Szene spielt am Krankenbett von Gabe, in der Braff überhaupt nicht vorkommt. Patinkin unterhält sich darin mit Aidans Frau Sarah über seine Rolle als Vater und dass er seine Liebe zu seinen Söhnen nie wirklich zeigen konnte. Schwer zu sagen, wer hier wem die Show stiehlt.
Auch Josh Gad (33) als Aidans Bruder Noah kann überzeugen, selbst wenn es ihm seine Rolle erst ganz zum Schluss gewährt. Zuvor ist er leider zu sehr das Klischee des Supernerds, der als sozialer Einsiedler in seinem Wohnwagen haust und sich nur mit der Aussicht auf einen originalverpackten Lego-Todesstern dazu bereit erklärt, den Babysitter für seine beiden Neffen Grace und Tucker zu spielen. Apropos: Die 15-jährige Joey King, die Grace spielt, ist in ihrer Verwandlung von der biederen Musterschülerin hin zum lebensfrohen Teenie ausgezeichnet und geht einem (für Kinderrollen meist untypisch) nicht auf die Nerven.
Etwas Schatten und viel Licht
Offenbar war dank des Kickstarter-Budgets genug Geld für die Visualisierung von Aidans Tagträumen als furchtloser „Space Knight“ übrig. Doch ganz ehrlich: Eigentlich hätte es dieser Sequenzen nicht bedurft. Einerseits wirken sie an einigen Stellen eher störend für den Fluss der Erzählung, andererseits erinnern sie doch zu sehr an JDs Spinnereien aus „Scrubs“. Allerdings nehmen sie auch einen vergleichsweise geringen Teil der knapp 100 Minuten Laufzeit ein, wodurch sie nicht zu negativ ins Gewicht fallen. Auch der Handlungsstrang von Sarahs schmierigem Kollegen in der Arbeit, der am Ende selbstredend seine gerechte Strafe bekommt, hätte gut und gerne weggelassen werden können.
Ungleich besser macht es Braff bei dem Wechsel zwischen Humor und Tragik. Schnell könnte ein Film mit der Thematik von „Wish I Was Here“ zu melancholisch und schwermütig werden, oder den Humor unangebracht erscheinen lassen. Kleinere Gags, um die Stimmung aufzuheitern sowie charmante Gastauftritte von Donald Faison (40, „Scrubs“) und Jim Parsons (41, „Big Bang Theory“) verfehlen ihre Wirkung aber eigentlich nie und setzen immer wieder humoristische Nadelstiche.
Fazit
„Wish I Was Here“ ist in allen Belangen der geistige Nachfolger von „Garden State“ – mit all seinen Vor- und Nachteilen. Manchen etwas zu rührseligen Momenten werden durchweg charmante Charaktere entgegengesetzt, die Balance zwischen Tragik und Komik hält Braff außerdem zumeist in genau der richtigen Balance. Atmosphärisch und thematisch sind sich die beiden Filme des 39-Jährigen so verblüffend ähnlich, dass man die so simple wie treffende Schlussfolgerung ziehen kann: Wem „Garden State“ gefallen hat, der wird auch mit „Wish I Was Here“ etwas anfangen können.