Wanda: Trink-Lieder für den Heimweg
Magazin
Band Session im Proberaum
Faul sein können wir, wenn wir nüchtern sind: Wanda, die Austropop-Sensation der Stunde, haben nur ein Jahr nach ihrem Debüt das zweite Werk vollbracht. Darauf alles wie gehabt: Lässiger Wiener Akzent, nonchalanter Alkoholismus und melancholische Euphorie.
Die Flaschen von gestern sind noch gar nicht weggebracht, die Aschenbecher noch gar nicht geleert, da kommen Wanda schon mit neuem Sprit an. Nur ein Jahr ist es her, dass die Österreicher „Amore“ ausgerufen haben und sich dazu der ganze deutschsprachige Indieraum glückstrunken in den Armen lag. Der erst vor drei Jahren gegründete Fünfer wurde vom „Musikexpress“ schon schnappatmend zur „vielleicht letzten wichtigen Rock’n’Roll-Band unserer Generation“ erklärt. Das klang schon wieder so nach Hype, dass man sich als übersättigter Musikkritiker am liebsten abgewendet hätte, aber bis man Sätze wie diesen fertig geschrieben hatte, waren die ersten Akkorde von „Bologna“ schon längst im Ohr und man selbst schon längst verfallen.
Denn tatsächlich möchte man nach der Wanda-Erfolgsgeschichte eine neue These aufstellen, nämlich ob sich nicht jede Band, die nach drei Jahren noch nicht „entdeckt“ wurde, nicht einfach konsequent auflösen sollte. Am sichersten, dass das alles genauso kommen würde mit der Erfolgsgeschichte, waren sich Wanda übrigens selbst. „Wir haben den Zeitgeist getroffen, indem wir ihn umschifft haben“, analysiert Frontmann Marco zielgenau. Der Austropop-Hype hat sicher auch nicht geschadet auf dem Weg nach oben, der Wiener Akzent als sympathisch-kauziges Alleinstellungsmerkmal sowieso nicht. Vor allem sind es aber diese Texte zwischen den zwei Extremen der Kunst, Liebe und Alkoholismus, und diese Popmelodien zwischen saloppem Singalong und schnoddrigem Indierock. Und die Lässigkeit, mit der Wanda das alles aus den Ärmeln schütteln.
Und wie lässig: Fast zeitgleich mit dem sowieso schon überraschend schnellen zweiten Album verkündet die Band auch noch, dass das dritte auch schon so gut wie fertig sei. Wer nun befürchtet, dass hier ein hektischer Ausverkauf des Hypes stattfindet, kennt nur nicht den Masterplan von Herrn Wanda, der sich sehr genau auf diese Zeit seines Lebens vorbereitet hat. Und wer „Bussi“, das zweite Album, hört, dürfte sich sowieso keine Sorgen mehr um Qualitätsschwund machen.
Das Spiel mit der melancholischen Euphorie haben Wanda schon auf ihrem Debüt perfektioniert. Und tun es auf „Bussi“ einfach noch einmal. Der Hit heißt diesmal „Meine beiden Schwestern“, der Rest sorgt mit ein paar Bläser-, Orgel- oder Streichereinsätzen dezent für Abwechslung, der imaginäre Thomas wurde durch Andi ersetzt und Lebensweisheiten wie „Es schaut dich niemand an / Wenn du dich selbst nicht spielen kannst“ gibt’s obendrauf. Tatsächlich klingt „Bussi“ bis auf den etwas zu simpel geratenen Opener „1,2,3,4“ einfach wie der zweite Teil von „Amore“, was auch daran liegt, dass die meisten Songs noch aus eben dieser Zeit stammen. Und glücklicher hätte man das Publikum wohl auch nicht machen können, das sich den Erstling mittlerweile totgehört haben muss.
Das sind also wieder Lieder für den nächtlichen Heimweg, wenn man, befeuert von viel zu lauter Kopfhörermusik und alkoholgeschwängertem Übermut auf der Mitte der Straße nach Hause läuft und die Songtexte mitgrölt und sich über die Vorstellung freut, dass irgendein Fremder hinter diesen Fenster jetzt bestimmt davon aufwacht – weil er es doch auch spüren muss. Was er natürlich nicht tut, der Fremde, er hört ja nur das schräge Gegröle, aber vielleicht lacht er zumindest ein bisschen und überlegt sich, mit wem er sich selbst mal wieder so richtig betrinken könnte. Was er natürlich auch nicht tut, der Fremde, aber das muss der Wanda-Gröler ja nicht wissen. Möge der Heimweg niemals enden.