Von Chakuza bis Robert Plant: Das sind die CDs der Woche
Magazin
Publikum feiert zusammen mit der Band
Der September bringt so manchen Ohrenschmaus: Chakuza glänzt mit einem nachdenklichen Hip-Hop-Album, Ex-Zeppelin Robert Plant interpretiert den Rock neu. Die Kooks geben Indie einen frischen Anstrich. Die großen Schlagzeilen könnte aber Rapper Fler ernten: Er stößt in "Neue Deutsche Welle 2" eine eigentümliche Debatte an.
Chakuza – „Exit“
Oha! Rap-Größe Chakuza wagt Großes: Auf seinem neuen Album „Exit“ kämpft er gegen ein verdammt altes Klischee. Jenes, das sein Genre als eine Plattform für platte Sprüche und Ego-Schau brandmarkt. Und der Versuch gelingt. Chakuza versetzt den fiesen Gewohnheiten einen kräftigen Hieb. Vom Opener „Tür auf“ bis zum letzten Track „Tür zu“, schichten sich durchaus liebevoll entworfene Melodien. Vor allem aber stellt sich der gebürtige Linzer dem Liebeskummer, Ängsten und seiner Sicht auf gesellschaftliche Probleme. Das passiert auch mal mit einem satten „Fick dich!“ – aber das Kraftwort trägt die Story. Dieses Album zu hören, ist gut investierte Zeit.
Robert Plant – „Lullaby and… The Ceaseless Roar“
Hier kommt eine Legende: Robert Plant sang von 1968 bis 1980 für niemand geringeren als Led Zeppelin. Der große, alte Mann ist gerade 66 Jahre alt geworden. Und legt, oh Wunder, mit „Lullaby…“ ein quicklebendiges Album vor. Leicht an-elektronisierte Beats gibt es da zu hören, behände springen die Banjos durchs Klangbild, E-Gitarren bringen ein erdiges, aber nie schwerfälliges Fundament – und Plants Stimme klingt vielleicht nicht direkt jugendlich, aber doch taufrisch. Das neue Werk ist weniger etwas für Nostalgiker, denn für Freunde guter, gitarrenorientierter Musik auf der Höhe der Zeit. Sogar orientalische Einsprengsel sind da kein Fremdkörper; ein Album zu Darinversinken. Da werden einige Led-Zeppelin-Fans jammern. Und viele Musikfreunde späterer Generationen ein Aha-Erlebnis haben.
Fler – „Neue Deutsche Welle 2“
Es brodelt mal wieder im Rap-Pulverfass Berlin: Denn der alte Hase Fler gibt sich auf seinem neuen Album „Neue Deutsche Welle 2“ mehr oder minder „politisch“. Da will er sich unter anderem als „stabiler Deutscher“ profilieren – offenbar fühlt sich der 32-Jährige im Kreuzberger Multikulti-Rap-Geschäft etwas marginalisiert. Das taugt für ambivalente Messages: Von einem klarsichtigen „zwischen dem Beton sind wir alle gleich“ bis zu „der Deutsche kommt vorbei, yeah, und deine Welt wird dunkel“ in einem Track. Ob diese Art Debatte nötig ist? Feststehen dürfte, dass die Texte für mehr Diskussionen sorgen werden, als das musikalische Fundament des Albums: Satte, träge Lines à la Fler treffen auf eher handelsübliche Samples. So greift „Neue Deutsche Welle 2“ eher auf rückwärtsgewandte Ansätze zurück. Ganz wie es der Titel verspricht.
Johnny Winter – Step Back
Auch solch traurige Geschichten schreibt das Musikgeschäft: „Step Back“ hätte Johnny Winters Verbeugung vor dem Rock’n’Roll seiner Jugendjahre werden sollen. Den Release des Albums erlebt der große Bluesgitarrist nicht mehr. Winter ist im Juli verstorben. Umso mehr ist die Platte nun sein Vermächtnis. „‚Step Back‘ ist für die Leute, die die alte Musik nie gehört haben“, sagte er. „Es ist besser als alles, was sie heute zu hören bekommen.“ Tatsächlich bereitet Johnny Winter mit seinem beeindruckenden Gitarrenspiel große musikalische Freude. Und nicht zuletzt Gäste wie Eric Clapton, Ben Harper und Brian Setzer machen „Step Back“ zu einem mehr als würdigen Erinnerungsporträt an einen Großen der Musik.
The Kooks – „Listen“
Vor bald zehn Jahren luden die Kooks erstmals auf die heimelige Indie-Club-Couch: „So come on over, at the side of my sofa“. Das neue Album der Briten fordert im Titel schlicht „Listen“ – und tatsächlich dürften hier einige Hörer die Ohren spitzen. Denn die Gitarrenhelden um Sänger Luke Pritchard haben sich klanglich eine eiskalte Frischzellenkur gegönnt. Es sampelt, synthiet und shuffelt aufs Beste: Schuld ist wohl Producer Inflo; ein größerer Name im Hip-Hop-Biz. Der alte Weggefährte Indie klang schon lange nicht mehr so knusprig, klar und spielfreudig. Vielleicht legen die Kooks hier ein neues Geheimrezept fürs Genre vor. Spaß macht das Hören jedenfalls.
Ryan Adams – Ryan Adams
Auch Ryan Adams ist nicht den geraden Weg zu seinem neuesten Album gegangen. Krankheit, verworfene Entwürfe – es brauchte erst Selbstfindung, meinte die Songwriter-Größe unlängst. Nun trägt das frische Werk Adams‘ eigenen Namen. Und scheint in Richtung „back to the roots“ zu weisen. Zum einen, weil Adams auf Songs wie „Gimme Something Good“ wieder die Sehnsucht früherer Tage auf Platte bannt. Zum anderen, weil es nicht vermessen scheint, so einige Einflüsse aus Adams Musikerwerdung herauszuhören: Den großen US-amerikanischen Songwriter-Pop der frühen 1990er zum Beispiel. Wege in neue Klangwelten beschreitet Ryan Adams mit „Ryan Adams“ so nicht. Aber einen Schritt in Richtung „alte Stärke“ tut er – und das eben im doppelten Sinne.
Und was kommt sonst noch? Weitere wichtige Veröffentlichungen am 5. September: Andreas Gabalier – „Home Sweet Home“ (International Special Edition) +++ Blonde Redhead – „Barragán“ +++ Esben & The Witch – „A New Nature +++ Hagen Stoll – „Talisman“ +++ In Flames – „Siren Charms““ +++ Kissin‘ Dynamite – „Megalomania“ +++ Tricky – „Adrian Thaws“ +++ Where Did Nora Go – „Shimmer“