Von AC/DC bis Haftbefehl: Das sind die CDs der Woche
Magazin
Publikum feiert zusammen mit der Band
Sei es nun Hardrock von AC/DC, Rap von Wu-Tang Clan und Haftbefehl oder Weltuntergangsfolk von Brett Newski: Männermusik ist angesagt in der letzten Novemberwoche. Dem hat auch Selena Gomez nicht viel entgegenzusetzen - nur zwei neue Songs, wenn man es genau nimmt.
AC/DC – „Rock Or Bust“
Gemäß dem alten Angus-Young-Leitsatz – „Wenn man nicht nach fünf Sekunden unerschütterlich erkannt hat, dass es ein Song von AC/DC ist, ist es kein Song von AC/DC“ – stellt man beim neuen, 16. Studioalbum „Rock Or Bust“ nach fünf Sekunden unerschütterlich fest, dass es sich um AC/DC handelt. Der Titeltrack ist eine vor sich hin walzende „Back in Black“-Reminiszenz, „Play Ball“ das Paradebeispiel eines AC/DC-Hits und „Rock The Blues Away“ eine Hymne auf Bier geschwängerte Männerabende. „Miss Adventure“ taugt zur Na-na-na-Mitgrölnummer und das fast schon ernste „Dogs of War“ rundet die gelungene erste Hälfte des Albums ab. Dann aber wird’s schwieriger: „Got Some Rock & Roll Thunder“ ist trotz des vollmundigen Titels der mit Abstand schwächste Song, auch von „Hard Times“, „Rock The House“ und „Sweet Candy“ bleibt nicht viel hängen. Dem gegenüber stehen das amtlich rockende „Baptism by Fire“ und der verspielte Rausschmeisser „Emission Control“ mit einem sehr lässigen Refrain. Dass „Rock Or Bust“ nicht die Klasse früherer Heldentaten erreicht, war ohnehin zu erwarten. Allerdings zieht das mit einer Spielzeit von gerade mal 35 Minuten kürzeste Album der Bandgeschichte auch im Vergleich mit dem 2008er-Release „Black Ice“ den Kürzeren. Ob es am Fehlen des demenzkranken Malcolm Young liegt?
Wu-Tang Clan – „A Better Tomorrow“
Was den Rockern AC/DC, ist den Hip-Hop-Fans der Wu-Tang Clan: Früher bahnbrechend, heute eher nostalgisch – und trotzdem ist jedes neue Album ein Event für sich. Und auch der Wu-Tang Clan musste auf dem Weg zum Comeback mit „A Better Tomorrow“ einige Hürden überwinden. „Es ist, als müsste man die Vereinten Nationen dazu bringen, sich in einer Sache endlich zu einigen“, sagte Raekwon in einem Interview – ausgerechnet, machte doch gerade er Mastermind RZA das Leben im Vorfeld besonders schwer. Das angepeilte Veröffentlichungsdatum zum 20-jährigen Clan-Jubiläum wurde zwar um ein Jahr verfehlt, dafür schaffte es letztlich doch jedes der neun Originalmitglieder auf die Platte (Aufnahmen des verstorbenen Ol‘ Dirty Bastard dürfen natürlich nicht fehlen). Anders als das letzte Werk „8 Diagrams“ (2007) ignoriert „A Better Tomorrow“ die meisten Rap-Innovationen der vergangenen Jahre und tönt wunderbar oldschoolig aus den Boxen. Vor allem im stark mit Soul-Sounds angereicherten hinteren Viertel von „A Better Tomorrow“ sind einige Highlights zu finden, darunter der Titeltrack und das politische „Never Let Go“ (Martin-Luther-King-Samples inklusive). Es lohnt sich halt doch immer wieder darauf zu warten, dass der Clan sich mal wieder zusammenrauft.
Haftbefehl – „Russisch Roulette“
Für sein Majordebüt kehrt Haftbefehl zu den Wurzeln zurück: Auf „Russisch Roulette“ dreht sich alles um Glanz und Elend des Gangster-Lebens. Schon 1.000 Mal gehört? Zwar ist die Grundstimmung wesentlich ernster, als man es nach dem Kult-Hit „Chabos wissen wer der Babo ist“ erwartet hätte, doch natürlich hat Haftbefehl seinen speziellen Humor und seine sprachliche Kreativität nicht verloren. Die Highlights sind die Tracks, die völlig aus dem Rahmen fallen, allen voran „Anna Kournikova“: ein hinreißender Lovesong für eine Kalaschnikow, kitschige Vocoder-Effekte und Frauengesang (beigesteuert von Miss Platnum) inklusive. Ansonsten wurden die Featuregäste übrigens alle auf die Bonus-Disc der Deluxe Edition abgeschoben. Der Babo hat auf „Russisch Roulette“ alleine das Sagen – und das ist gut so.
Brett Newski – „American Folk Armageddon“
2011 war kein gutes Jahr für den amerikanischen Musiker Brett Newski: Job weg, Band weg, Freundin weg. Doch anstatt lange Trübsal zu blasen, setzte er sich nach Südostasien ab. Da gibt es bekanntermaßen einige Möglichkeiten, ordentlich Dampf abzulassen, doch Newski stürzte sich dann doch in die Musik. Seitdem schreibt er herrlich schnodderigen Aussteiger-Folk und tourt in der ganzen Welt umher, wenn es sein muss auch couchsurfenderweise. „American Folk Armageddon“ ist sein drittes Album und der Titel passt wie die Faust aufs Auge. Denn wer nach verträumter Prärie-Romantik sucht, ist hier fehl am Platze, Newskis Songs sind zwar öfter auch leicht melancholisch, aber immer roh und auf latent punkige Weise direkt. Fans von Billy Bragg, Jake Bugg und Co. sollten Brett Newski definitiv ihr Ohr leihen – am besten beim nächsten Wohnzimmer-Konzert in der Nähe.
Selena Gomez – „For You (Greatest Hits)“
Muss eine 22-Jährige wirklich schon ein „Greatest Hits“-Album veröffentlichen? Die einzige Existenzberechtigung für „For You“ dürfte sein, dass Selena Gomez 2014 nach fünf Jahren zum ersten Mal kein volles Album rausbringt. Undenkbar für die Plattenfirma, zumal ja das Weihnachtsgeschäft vor der Tür steht. Selling Points für „For You“ sind die beiden neuen Songs, die das Album einrahmen und sogar von Gomez selbst mitgeschrieben wurden. Gelungen ist dabei vor allem der sehnsüchtige Opener „The Heart Wants What It Wants“, der natürlich zum munteren Rätselraten einlädt, ob es im Text nun um Dauer-On-Off-Freund Justin Bieber geht oder nicht. Zwischen den beiden Nummern gibt es größtenteils bekannte Pop-Stangenware aus Gomez‘ Alben mit der Band The Scene und ihrem letztjährigen Solo-Debüt. Natürlich einiges als Remix, „More“ kommt in der spanischen Version als „Más“ daher und mit „Bidi Bidi Bom Bom“ gibt es noch ein nettes Cover der legendären Tejano-Sängerin Selena Quintanilla-Pérez. Wirklich essentiell ist das alles nicht – Fans sollten sich lieber nur „The Heart Wants What It Wants“ zulegen und auf das nächste richtige Album warten.