Von ABBA bis Stoppok: Das sind die CDs der Woche
Magazin
Schwarzer Audioverstärker
ABBA erteilen mit einem Live-Album eine Lehrstunde in Sachen Popgeschichte, Stoppok tobt sich endlich wieder mit Band aus und Sick Of It All bekriegen sich erneut lautstark mit dem System. Jazzkantine ziehen zum Geburtstag den Stecker aus ihren Instrumenten und Gerard Way hat Emo endgültig gegen Britpop eingetauscht.
ABBA – „Live at Wembley Arena“
ABBA gelten nach wie vor als eine der größten Pop-Bands überhaupt. Völlig zu Recht, wie dieser Schatz beweist, den die Schweden aus ihrem Archiv gehoben haben. „Live at Wembley Arena“ dokumentiert auf zwei CDs eine der legendären Shows in dem traditionsreichen Londoner Stadion im Jahr 1979. Zuvor war das Konzert nur teilweise auf dem bisher einzigen Live-Album „ABBA Live“ veröffentlicht worden. Damals wurden die Aufnahmen massiv nachbearbeitet, auf „Live at Wembley Arena“ erstrahlen sie dagegen im warmen Original-Sound der späten 70er. Mit „I’m Still Alive“ gibt es sogar einen bisher unveröffentlichten Song zu hören. Neben dieser Rarität jagt natürlich von „Voulez-Vous“ bis „Waterloo“ ein Hit den anderen, teilweise in den Live-Versionen noch mitreißender als die bekannten Studiofassungen. „Live at Wembley Arena“ zeigt ABBA auf ihrem Höhepunkt und gehört eigentlich in jede stilsichere Pop-Sammlung.
Stoppok – „Popschutz“
Stefan Stoppok war in letzter Zeit alles andere als untätig, dennoch ist „Popschutz“ das erste Album seit sechs Jahren, das der Liedermacher mit einer vollen Band-Besetzung eingespielt hat. Das macht sich auch sofort bemerkbar, ein Hauch von Jam-Atmosphäre durchzieht das ganze Werk. Gewohnt lässig variiert Stoppok seinen Sound zwischen Folk, Blues, Rock und auch ein bisschen Pop, immer mit dem nötigen Eigensinn, immer ein bisschen abseits der ausgetretenen Pfade. Eines der Highlights von „Popschutz“ ist dann auch eine besonders eigensinnige Coverversion: Aus dem unterkühlten Kraftwerk-Hit „Das Model“ zaubert Stoppok mal eben eine treibende Bluesnummer. Auch die Texte überzeugen wie immer: Mit schnoddrigem Feinsinn spart Stoppok auf „Popschutz“ brisante Angelegenheiten wie Spionageskandale, Finanzkrisen und den Klimawandel nicht aus, ohne je in die Betroffenheitsfalle zu tappen – bei der geballten Ladung von Aufreger-Themen seinen Humor nicht zu verlieren, ist an sich schon eine Kunst.
Sick Of It All – „Last Act Of Defiance“
Sick Of It All gehen stramm auf ihr 30-jähriges Bandjubiläum zu. Für die New Yorker Hardcore-Veteranen natürlich noch lange kein Grund, leiser zu treten. Mit „Last Act of Defiance“ erfinden sie das Rad nicht neu, sondern spendieren den Fans 14 dynamische Hardcoregeschosse mit der typischen Punkschlagseite und einprägsamen Singalong-Parts. In „Road Less Traveled“ werfen Frontmann Lou Koller und seine Mannen einen nostalgischen Blick auf die Anfänge der Band, ansonsten wird hauptsächlich wieder gegen die Welt und das System gewütet. Das sollte angesichts des gesetzteren Alters der Herrschaften eigentlich langsam albern wirken, doch Sick Of It All klingen nach wie vor authentisch angepisst. Der letzte Akt des Trotzes? Na hoffentlich nicht.
Jazzkantine – „Ohne Stecker“
Seit 20 Jahren köchelt die Jazzkantine nun an ihrem ureigenen Sound zwischen Jazz und Hip-Hop. Zum Jubiläum serviert die Band auf „Ohne Stecker“ einen Querschnitt ihres Schaffens – unplugged natürlich. Vielleicht nicht die originellste Idee, aber „Ohne Stecker“ klingt weder altbacken noch aufgewärmt. Im Zusammenspiel mit der NDR Bigband zeigen sich Jazzkantine ganz in ihrem Element und grooven sich durch die aufgefrischten Versionen ihrer Klassiker, dass es eine wahre Freude ist. Natürlich hat die Band auch einige prominente Gäste aus ihrer Geschichte nochmal mit an Bord geholt, so ist Smudo bei „Respekt“ zu hören, Xavier Naidoo beim Metallica-Cover „Nothing Else Matters“. Witzig ist auch die in einer Küche (wo sonst) aufgenommene, augenzwinkernde Selbstbeweihräucherung „Geht ab“. Die Jazzkantine verdient weiterhin das Prädikat „besonders fresh“.
Gerard Way – „Hesitant Alien“
Mit dem Ende von My Chemical Romance hat sich Frontmann Gerard Way offenbar auch endgültig vom Emo verabschiedet. Auf seinem Solo-Debüt kehrt er dafür seine britischen Einflüsse raus: „Hesitant Alien“ ist irgendwo zwischen David Bowie und frühem Britpop anzusiedeln, gelegentlich, driftet das Ganze auch dezent in psychedelische Gefilde ab. Auch in seinem neuen Stil überzeugt Way mit originellen Songideen und einer gehörigen Portion musikalischen Selbstbewusstseins. Way geht zielstrebig seinen neuen Weg – zum Ende von „Hesitant Alien“ hin hat man fast schon vergessen, dass er je etwas anderes gemacht hat.
Und was kommt sonst noch? Weitere wichtige Veröffentlichungen am 26. September: 257ers – „Boomshakkalakka“ +++ Achim Petry – „Mittendrin“ +++ Electric Wizard – „Time to Die“ +++ Element of Crime – „Lieblingsfarben und Tiere“ +++ LaBrassBanda – „Kiah Royal“ +++ Lucinda Williams – „Down Where The Spirit Meets The Bone“ +++ Nightbringer – „Ego Dominus Tuus“ +++ Robin Gibb – „50 St. Catherine’s Drive“ +++ Scooter – „The Fifth Chapter“ +++ Wise Guys – „Achterbahn“