Vance Joy: „Ich bin kein wilder Rockstar“
Magazin
Band Session im Proberaum
Mit seiner Single "Riptide" verbreitete Vance Joy Sommer-Feeling, bevor der Sommer in Deutschland überhaupt angekommen war. Nun legt der australische Singer/Songwriter mit seinem Debütalbum "Dream Your Life Away" nach. Doch trotz steigenden Ruhms ist er noch nicht dem Rockstar-Leben verfallen, wie er im Interview verrät.
Wer in diesem Frühjahr das Radio einschaltete, dem sollte Vance Joy ein Begriff sein. Seine Single ging sofort ins Ohr und avancierte nicht nur hierzulande zum großen Hit. Am 12. September erschien nun das erste Album des 26-Jährigen, der mit bürgerlichem Namen James Keogh heißt. Dessen Leben hat sich seit der Single und seiner ersten EP gründlich verändert, auch wenn er selbst sich nicht von seinem neuen Leben ändern lassen will. Nach Eskapaden und Trinkgelagen sucht man bei dem sympathischen Australier vergeblich – warum er sich nicht wie ein Rockstar aufführt, erzählt er spot on news im Interview.
Ihr echter Name ist James Keogh. Warum haben Sie sich einen Künstlernamen zulegt, statt Ihren eigenen zu nehmen?
Vance Joy: Mir gefiel dieser Name einfach. Ich habe ihn aus einem Buch, das ich gerade las, als ich die Songs für die EP schrieb. Außerdem wollte ich unter einem Pseudonym auftreten. Ich bin froh, dass ich mich dazu entschieden habe, weil es eine schöne Grenze zwischen meiner Musik und meinem Privatleben zieht. Ich werde immer James sein, egal was kommt, aber es ist schön, nicht komplett als James sichtbar zu sein.
Auf dem Cover der EP ist außerdem Ihr Gesicht bedeckt. Fällt es Ihnen generell leichter, in der Öffentlichkeit zu stehen, wenn Sie sich ein bisschen verstecken können?
Joy: Das war eine rein kreative Entscheidung, mir gefiel dieses Foto sehr. Es war nicht geplant, sondern entstand durch einen Zufall. Wir machten Fotos, und ich stand hinter diesem Brunnen. Die Art, wie die Wasserformation auf diesem Bild aussieht, ist einfach großartig, und das war mir wichtiger als mein Gesicht auf der EP zu haben.
Der Name der EP ist „God loves you when you’re dancing“ – wie wichtig ist Tanzen für Sie?
Joy: Ich finde, Musik und Tanzen gehen Hand in Hand. Wenn die Musik dir ein gutes Gefühlt gibt, bewegst du dich automatisch mit. Der Gedanke, dass Musik einem ein gutes Gefühl und inneren Frieden gibt, gefällt mir. Als mir dieser Satz in den Kopf kam, dachte ich, er würde sehr gut auf die EP passen.
Sie haben Ihr Jura-Studium zu Ende gebracht. Wenn es mit der Musikkarriere nicht geklappt hätte, würden Sie als Anwalt arbeiten?
Joy: Ich glaube nicht, dass es je für mich in Frage gekommen wäre, als Anwalt zu arbeiten. Als ich meinen Abschluss in der Tasche hatte, war ich schon auf die Musik fixiert. Wenn ich damit keinen Erfolg gehabt hätte, würde ich wahrscheinlich trotzdem bei Open-Mic-Nächten spielen, Lieder schreiben und Musik machen. Ansonsten würde ich, glaube ich, als Gärtner arbeiten. Das habe ich früher schon gemacht; Bäume stutzen, Rasen mähen, all das.
Sie haben also eine unstete Musikkarriere einer beständigen juristischen vorgezogen. Sind Sie auch sonst jemand, der frei nach dem Bauchgefühl entscheidet, oder können Sie auch vernünftig sein?
Joy: Ich verlasse mich immer auf meine Instinkte. Aber ich hatte großes Vertrauen in meine Lieder. Ich hätte zwar nie gedacht, dass ich je finanziell davon leben könnte, aber ich hatte schon das Selbstbewusstsein, dass ich etwas Gutes anzubieten habe. Ich bin allerdings schon vernünftig, was das Touren und das Leben als Musiker betrifft. Ich bin kein wilder Rockstar.
Sie sind dafür bekannt, sich nach dem Auftritt gerne unter die Leute zu mischen.
Joy: Ich lerne auf jeden Fall gerne mal die Leute kennen, die zu meinen Konzerten kommen. Auch bin ich lieber jemand, der seine Fühler nach außen ausstreckt, als immer nur in mich gekehrt zu sein. Dafür muss ich mich aber nicht unbedingt betrinken oder wild feiern. Ich hänge einfach gerne mit den Leuten rum, rede mit ihnen, mache Fotos und gebe Autogramme.
Was können Sie über Ihr erstes Album erzählen?
Joy: Ich habe es in Seattle aufgenommen und bin mit allen Songs sehr zufrieden. Sie sind denen auf der EP ziemlich ähnlich und stammen auch alle wieder aus meiner Feder, nur wurden sie vielleicht etwas intensiver produziert.
Lassen Sie sich von eigenen Erlebnissen inspirieren, wenn Sie Texte schreiben oder ist es eher so, als würden Sie Fiktion schreiben?
Joy: Ich glaube, es ist eher fiktiv. Manche Dinge kommen auch von mir selbst, aber die besten Lieder sind die, die nach und nach entstehen. Man schreibt eine Zeile, schreibt sie dann wieder um oder überarbeitet das Ganze nochmal. Letztendlich entsteht dabei weniger etwas Lineares wie ein Tagebucheintrag, den man in einem Rutsch ausspuckt. Es erinnert mehr an eine Skulptur, die über einen längeren Zeitraum gefertigt wurde.
Wenn man zum Beispiel die erste Zeile von „Riptide“ nimmt: Da heißt es: „Ich hatte Angst vor dem Zahnarzt und der Dunkelheit.“ Das hört sich sehr nach einer Kindheitserinnerung an. Kommt so etwas doch von Ihnen?
Joy: Manche dieser Zeilen kommen schon perfekt aufs Papier. Diese Zeile habe ich 2008 geschrieben und habe sie bis 2012 nicht mehr angeschaut, als ich eine Melodie für den Chorus hatte. Der Song entstand also über einen sehr langen Zeitraum. Diese erste Zeile könnte tatsächlich eine persönliche Erinnerung gewesen sein. Es ist mir eines Tages einfach in den Kopf gekommen, und ich fand, dass es sich gut und irgendwie ehrlich anhört. Manchmal kann ich mich eben nicht komplett davor schützen, dass auch Teile von mir selbst in die Lieder einfließen.
Sie kommen aus Melbourne. Dort ist sehr viel visuelle Kunst über die ganze Stadt verteilt. Hat Sie das auch beeinflusst?
Joy: Ich glaube, aus Melbourne zu kommen, ist auf jeden Fall gut für mich gewesen. Es ist wahrscheinlich die künstlerischste und kritischste Stadt Australiens. Wenn wir in Melbourne auftreten, ist das Publikum ruhiger und aufmerksamer, und sie beobachten einen kritischer. Es gibt auch größere Konkurrenz für Musiker als in anderen Städten. Deswegen war es sicher hilfreich für mich, dort aufzuwachsen und diese künstlerische Kultur und Vielfalt zu verinnerlichen.
Ihre Musik hat auch einen starken Folk-Einfluss, der sich in letzter Zeit ohnehin stärker bemerkbar macht. Kommt Ihre Musik vielleicht auch zum richtigen Zeitpunkt?
Joy: Ich spiele einfach auf meine Art und Weise. Aber natürlich ist man immer von der Musik beeinflusst, die einen umgibt, wenn man selbst Musik kreiert. Mir gefallen zum Beispiel Künstler wie Bon Iver oder Fleet Foxes. Ich kann nicht sagen, warum Folk-Musik gerade jetzt wieder beliebter wird. Letztendlich glaube ich, wird ein gut geschriebenes Lied immer gut bei den Leuten ankommen – egal, aus welchem Genre.