Uli Jon Roth: „Mit den Scorpions ist es wie mit einer alten Ehe“

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Uli Jon Roth: „Mit den Scorpions ist es wie mit einer alten Ehe“

Ohne Uli Jon Roth wären die Scorpions womöglich längst Geschichte. Mit dem Gitarrenvirtuosen legten sie den Grundstein für ihren Welterfolg. Roth brach bald zu neuen musikalischen Ufern auf, auf die Zeit bei den Scorpions blickt er allerdings immer noch gerne zurück, wie er spot on news erzählt.

Das Jahr 2015 steht ganz im Zeichen der Scorpions, denn die deutschen Hardrock-Größen feiern ihr 50-jähriges Jubiläum. Auch Ex-Gitarrist Uli Jon Roth (60), der die Band in den Jahren 1973 bis 1978 entscheidend mitgeprägt hat, beschäftigte sich in letzter Zeit vermehrt mit der Vergangenheit. Nun veröffentlicht er die Doppel-CD „Scorpions Revisited“ mit Neuinterpretationen von Bandklassikern aus seiner Ära. Mit der Nachrichtenagentur spot on news plaudert er über dieses Projekt und seine Zeit bei den Scorpions.

Sie gehen schon eine Weile mit dem Scorpions-Programm auf Tournee. War auch das Album „Scorpions Revisited“ von Anfang an mit eingeplant?

Uli Jon Roth: Die Idee mit der Tour wurde zuerst an mich herangetragen, und ich brauchte einige Zeit um zu erkennen, dass ich das machen wollte. Da war das Album dann von Anfang an mit eingeplant. Ich habe mich voll und ganz da reingestürzt und es hat mir sehr viel Spaß gemacht.

Das klingt, als hätten Sie mit dem Thema Scorpions eigentlich abgeschlossen gehabt.

Roth: Ja, ich hatte damit abgeschlossen und für viele Jahre hatte ich gar kein Interesse, etwas in der Art zu machen. Allerdings gab es immer wieder Fans, die angeklopft haben und gerne sowas gehört hätten. Und irgendwie war dann der Zeitpunkt einfach da und es hat mich dann auch gereizt, mal in meine eigene Vergangenheit 40 Jahre zurückzuschauen und zu sehen, was passiert, wenn ich mich damit intensiv auseinandersetze.

Sind Sie zufrieden mit dem Ergebnis?

Roth: Ich bin sehr zufrieden, das hat bei weitem meine Erwartungen übertroffen und das war eine sehr angenehme Feststellung. Denn es war mir schon klar, dass die Messlatte relativ hoch ist. Es ist gar nicht so einfach, Dinge aus der Jugend wieder nachzuempfinden, und auch anders zu machen, so dass das überzeugend ist. Es gibt auch durchaus einige Beispiele, wo sowas nicht geklappt hat. Aber irgendwie war das ein sehr organischer Prozess und es funktionierte einfach. Es war voller Feuer und Inspiration, und das ist auch der einzige Zustand, in dem sowas vernünftig rüberkommt. Sonst wäre das nur alter Kaffee gewesen. Es war wichtig, das Ganze absolut neu zum Leben zu erwecken und zwar so, dass man das Gefühl hat, dass das jetzt gerade entstanden ist und entsteht.

In welcher Besetzung haben Sie „Scorpions Revisited“ eingespielt?

Roth: Wir hatten dafür eine große Band am Start mit insgesamt drei Gitarristen. Die anderen beiden waren übrigens vorher in meiner Sky Academy. Es gab mehrere Sänger, von denen Nathan James den Löwenanteil gemacht hat. Und dazu Keyboards, Bass und Schlagzeug. Es war also eine viel größere Besetzung als wir bei den Scorpions jemals hatten, und das war auch notwendig. Mit den Scorpions konnten wir die Sachen teilweise live nicht so darstellen wie auf den Platten. Ich habe damals relativ viele Overdubs gemacht, also dreistimmige Gitarrensoli, Harmonien und so weiter. Live blieb da mit unserer Besetzung manches auf der Strecke. Das wollte ich vermeiden, deswegen habe ich die Keyboards an den Start gebracht, damit wir immer die Harmonien im Hintergrund haben. Und wir haben eben drei virtuose Gitarristen, die alle im Stande sind, die Dinge voll auf den Punkt zu bringen.

Wie sind Sie damals denn eigentlich bei den Scorpions gelandet?

Roth: Das kam so: Michael Schenker hatte eine Platte mit ihnen gemacht, „Lonesome Crow“, und kriegte dann ein Angebot, zu der englischen Band UFO zu gehen. Die Band Scorpions brach daraufhin im Prinzip auseinander und bestand 1973 nur noch aus Rudolf Schenker. Ich spielte damals bei Dawn Road und Rudolf kam öfter mal zu unseren Proben. Wir haben uns dann irgendwie liiert und Rudolf fing an, mit uns mitzuspielen. Und da die Scorpions schon einen Plattenvertrag hatten und auch viel bekannter waren, haben wir die Band dann wieder Scorpions genannt. Dann kam auch wieder Klaus Meine dazu, der sich, als die Band auseinanderging, eigentlich auch von dem Geschäft schon ein bisschen verabschiedet hatte. Das war also ein Neuanfang für die Band. 1974 machten wir „Fly to the Rainbow“ und dann bin ich fünf Jahre dabeigeblieben.

Was waren in der Zeit die Highlights für Sie?

Roth: Jedes Jahr war ein Highlight, das war ein beständiges Erklimmen einer Leiter. Wir sind mit jeder Platte vorangekommen, wir haben jedes Jahr eine Platte gemacht und viele Tourneen, in ganz Westeuropa und am Ende dann auch in Japan. Jede Platte und viele Konzerte waren für mich Highlights und es gab fast keine negativen Erlebnisse. In der Rückschau hat mir diese Zeit wunderbar gefallen. Wir haben uns auch nie gestritten, in der Band herrschte wirklich großer Einklang, das war was ganz besonderes. „Tokyo Tapes“ war ein würdiger Abschluss, danach habe ich mich auf meinen eigenen Weg begeben. Die Uhr war für mich abgelaufen bei den Scorpions, ich wollte was anderes machen. Ich hatte zu dem Zeitpunkt eine ganze Reihe Songs geschrieben, die absolut nicht in diesen Rahmen reinpassten, und die wollte ich auch zum Klingen bringen.

Die Scorpions feiern ihr 50-jähriges Jubiläum. Wie schafft es eine Band, eine so lange und erfolgreiche Karriere zu machen?

Roth: Zum einen gab es da ein ungewöhnliches Songwriting-Talent, die meisten Bands hatten nicht solche starken Melodien. Dann war die Band natürlich extrem gut auf der Bühne. Und dazu irgendwo vernünftig, nie selbstzerstörerisch, und das hat sich nicht verändert. Klaus Meine etwa ist ein Künstler, ein Musiker, der nur bedingt in dieses ganze Rockstar-Ding reinpasst. Klaus ist keiner, der einen Fernseher aus dem Fenster schmeißt und das gut findet. Genauso wie auch ich sowas noch nie gemacht habe, ich kann diesen Späßen nichts abgewinnen. Gerade in der Zeit, in der ich in der Band war, ging alles extrem zivil zu. Wir haben auch keine Drogen genommen. Wir waren eben vernünftig, und darum haben die Scorpions es anders als die meisten anderen deutschen Bands geschafft, internationalen Erfolg zu haben.

Wie ist Ihr Verhältnis zu den Scorpions heute?

Roth: Das ist ausgezeichnet. Wenn wir uns sehen ist es immer wie ein Familientreffen. Es ist eigentlich so wie eine alte Ehe. Man kennt sich, man versteht sich, man braucht gar nicht viel reden.

Wie kommt es, dass Sie auf einem Underground-Festival wie dem Keep It True spielen?

Roth: Ganz einfach, weil die gefragt haben. Wenn uns jemand einlädt, irgendwo zu spielen, warum nicht? Ich spiele sehr gerne auf Festivals und das müsste dann schon irgendwas ganz Furchtbares sein, wenn ich da „nein“ sage.

Was kommt von Ihnen nach „Scorpions Revisited“?

Roth: Im Februar kommt die „Sunflower Jam“ auf DVD raus, das war eine große Charity-Show 2012 in der Royal Albert Hall. Da habe ich mit Brian May, John Paul Jones, Bruce Dickinson, Alice Cooper, Ian Paice und einer ganzen Menge anderer gespielt. Dann kommt demnächst eine Jimi-Hendrix-Tribute-Show mit Steve Vai und Steve Morse, die wir letztes Jahr auf einem französischen Festival aufgenommen haben. Und im Februar spielen wir in Japan, unter anderem in Tokio in der gleichen Halle, in der wir mit den Scorpions „Tokyo Tapes“ aufgenommen haben. Diese Halle soll abgerissen werden für die Olympischen Spiele. Als ich das gehört habe, wollte ich da nochmal spielen. Das werden wir aufnehmen für eine „Tokyo Tapes Revisited“-DVD. Danach möchte ich mich an eine neue Platte setzen, die ich schon komponiert habe, aber noch aufnehmen muss. Die wird dann eher nicht wie die Scorpions klingen, das wird melodiöser Rock mit einem leichten Klassik-Touch.