„Transcendence“ scheitert an den eigenen Ansprüchen

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„Transcendence“ scheitert an den eigenen Ansprüchen

Die Idee zu "Transcendence" klingt nicht nur vielversprechend, der Film löst dieses Versprechen sogar ein. Allerdings nur eine Stunde lang. Bei seinem Regie-Debüt lässt Oscar-Preisträger Wally Pfister eine aussichtsreiche Chance liegen.

Warum ist eigentlich vorher noch niemand auf die Idee gekommen? „Transcendence“ beginnt jedenfalls mit einer erstaunlich schlüssigen Ausgangslage für einen Science-Fiction-Film. Dr. Will Caster (Johnny Depp), anerkannter Experte auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz, und seine Frau Evelyn (Rebecca Hall) stehen kurz davor, ein neuartiges Computersystem zu erschaffen, das über menschliche Emotionen verfügt und selbstständig reflektieren kann.

Ähnliches wird vermutlich tatsächlich gerade in den Laboratorien von Google und Co. durchgespielt. Die Absichten von Caster und seinen Forschungen sind ehrenwert. Mit den gewonnenen Erkenntnissen, so argumentiert er, ließen sich Alzheimer und Krebs endlich heilen.

Nun gibt es im Film wie in der Realität unterscheidliche Antworten auf die Frage, wo die Grenze zwischen Machbarkeit und sinnvoller Selbstbeschränkung zu ziehen ist. Ob er Gott spielen wolle, wird Caster von einem Zuhörer bei einem Vortrag gefragt. „Wollen wir das nicht alle?“, antwortet der. Nein, zumindest nicht die technikfeindlichen Extremisten, die Caster kurze Zeit später über den Haufen schießen und vergiften.

Als es mit ihm zu Ende geht, kommt Evelyn auf eine abgefahrene Idee. Sie will Casters Bewusstsein mit Hilfe ihres gemeinsamen Freundes Max (Paul Bettany) auf einen Superrechner laden. Die Hülle mag im Eimer sein, der Geist ihres Mannes würde fortan aber weiter existieren – etwas verpixelt zwar, aber immer noch besser als der Tod. Und so verschmilzt der Hauptprotagonist mit dem Computer. Es dauert nicht lange, bis Will nicht nur hör- und sichtbar ist, schnell entwickelt er auch einen ungeheuren Appetit auf „mehr Energie“ – und will einen Zugang zu den Daten der Wall Street.

Aha, denkt man da als Zuschauer, jetzt beginnt die altbekannte Mär vom „Mad Scientist“. Dem Professor, der nach bestem Wissen und Gewissen am Fortschritt arbeitet, dem die eigene Schöpfung aber irgendwann außer Kontrolle gerät. Regisseur Wally Pfister aber hat andere Pläne und führt die Zuschauer ein bisschen an der Nase herum. Das Problem dabei: So ein Verwirrspiel muss am Ende halbwegs schlüssig aufgelöst werden. Die Handlungen der Protagonisten müssen in der Rückschau nachvollziehbar sein. Pfister dagegen verbiegt seine Charaktere über die 119 Kinominuten so, wie es ihm gerade in den Kram passt. Mit der Rematerialisierung von Caster beginnen nicht nur die Probleme für die Beteiligten im Film, sondern auch für die Zuschauer.

Mit Hilfe seiner Frau Evelyn baut der Pixel-Caster unter einer abgelegen Wüstenstadt ein Superlabor auf, in dem er ein bisschen Gott spielt. Er heilt kranke Menschen, gibt ihnen Superkräfte, vernetzt sie miteinander und spricht schließlich durch sie. Sogar den Regen kann er mittlerweile kontrollieren. Das alles gilt es für den Zuschauer ohne nähere Erklärung oder Beweggründe zu akzeptieren. Auch die Frage, warum er nach immer mehr Macht strebt, bleibt unbeantwortet.

Die Rolle der Gegenspieler kommt den technikfeindlichen Extremisten von R.I.F.T. zu, die schon den Anschlag auf Caster verübt haben und sich nun bereit machen, gegen dessen Computer-Ich in den Krieg zu ziehen. Dazu haben sie seinen ehemaligen Kumpel Max in ihre Fänge gebracht, der den Quellcode besitzt, mit dem sich Caster abschalten ließe. Und dann wäre da auch ja auch noch Morgan Freeman, der als Casters Lehrmeister Joseph das FBI bei der Terroristenjad unterstützt. Das Hollywood-Urgestein läuft seltsam teilnahmslos der ganzen Chose hinterher.

„Transcendence“ ist Pfisters Regiedebüt, bisher hat er sich als Kameramann und Schüler von Christopher Nolan vor allem in „The Dark Knight“, „Memento“ und „Inception“ einen Namen gemacht. Kein Wunder also, dass vieles wie in einem Nolan-Film aussieht. Die kühle, metallene Ästhetik der Bilder etwa. Schön anzusehen, ja. Doch wo sein Mentor Handlungsstränge zerpflückt, um sie an anderer Stelle wieder kunstvoll zusammenzusetzen, bleiben in Pfisters Puzzle viele Teile in den ewigen Weiten des Internets verschollen.

Fazit: Die Charakterzeichnung ist genauso wenig nachvollziehbar wie der Twist, das Finale kommt spät, das Ende plötzlich. Positiv zu erwähnen bleiben lediglich die spannende Ausgangslage und die optische Inszenierung. Für ein bisschen gepflegte Unterhaltung reicht das Gebotene überraschenderweise immer noch – ein intelligenter Subtext ist dabei aber nicht zu finden. Schade um den guten Stoff.