Tori Amos: „Manchmal sind Männer romantischer als Frauen“

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Tori Amos: „Manchmal sind Männer romantischer als Frauen“

Die Songwriterin Tori Amos zählt für viele Fans zu den wahren Ikonen ihres Fachs. Und das nicht von ungefähr: Die mittlerweile 50 Jahre alte Amerikanerin erschließt sich auf ihren Alben immer neue Welten und sperrige Themen. Wie nun romantische Männer den Weg in ihre Songs gefunden haben und warum Weisheit stets attraktiv ist, erzählt sie spot on news.

Tori Amos (50) ist nicht irgendeine Songwriterin – sie ist schon seit den 90ern die eine, kultisch verehrte Pop-Sängerin mit den zwei Markenzeichen: Dem Klavier und den bewegenden, lyrischen Texten. Zumindest war sie das lange. Zuletzt hatte sich Amos auf Abwege begeben. Mit einer Platte klassischer Musik und einem Musical-Projekt am Royal National Theatre in London verbrachte sie ihre Zeit. Am heutigen Freitag erscheint Amos‘ 14. Studioalbum „Unrepentant Geraldines“ und bringt die liebgewonnene Popmusikerin zurück: Mit zarten und klar strukturierten Pianosongs und ausgefeilten Lyrics.

Zu hören sind auf dem Album nur wenige Instrumente – dafür aber Amos‘ 13 Jahre alte Tochter Tash. Warum das neue Album klingt wie es klingt, hat Tori Amos der Nachrichtenagentur spot on news erzählt. Auch, was ihr derzeit auf den Nägeln brennt, verrät sie: Entspannt aber bestimmt spricht Amos über Zeitmangel, Frauenbilder und Musik als Familienunternehmung. Und eines stellt sie ganz klar – „Großmuttersongs“ will sie noch lange nicht singen. Schließlich habe auch weibliche Weisheit Sex-Appeal.

Frau Amos, in den vergangenen Jahren hatten Sie sich vor allem mit klassischer Musik beschäftigt. Auf „Unrepentant Geraldines“ gibt es von Ihnen wieder eingängigere Klänge. Warum dieser Wechsel zurück in gewohntere Gefilde?

Tori Amos: Als ich mit den ganzen anderen Projekten beschäftigt war, haben sich diese neuen Songs einfach so langsam auf den Weg gemacht. Vielleicht gerade, weil ich nicht unter Vertrag stand, um zeitgenössische Musik zu schreiben, sondern um andere Dinge zu tun.

Also weil es keinen Druck gab, diese Songs zu schreiben?

Amos: Naja, es hat zumindest niemand auf die Songs gewartet, wenn Sie verstehen, was ich meine. Druck kommt von vielen Seiten, wenn es um Kreativität geht. Aber es war keine vertragliche Aufgabe, diese Songs zu verfassen. Ich habe sie mehr für mich selbst geschrieben.

Sie haben vorab auch durchblicken lassen, Sie hätten trotzdem bei Ihrem neuen Album kräftig experimentiert. Wie kann man sich so ein Experiment vorstellen?

Amos: Weil ich diese ganzen anderen Projekte hatte, konnte ich einfach keine Zeit freischaufeln, um wie sonst andere Musiker einzufliegen und im Studio mit ihnen zu arbeiten. Nur mein Mann Mark und ich haben dieses Album gemacht. Und Tash hat auf einem Song gesungen. Aber das war es dann auch! Alles zentriert sich auf Keyboard, Gitarre und Gesang, die „Mitten“ im Song. Das war ein anderes Arbeiten: Wenn man mit Musikern arbeitet, die man extra eingeflogen hat, dann probt man meistens etwas und behält dann das Material. Man kann sie ja nicht einfach nochmal einfliegen. Wir haben nun einfach zu zweit daran so lange herumgebastelt, bis sich Tash beschwert hat: „Kann ich jetzt bitte endlich meine Eltern wiederhaben?!“

Eine Art Familienalbum also… Gibt das eher Freiheit oder zusätzliche Probleme?

Amos: Na, ganz klar: Beides! Aber Probleme auf eine gute Art. Das ist ja ein kreativer Prozess und kein Arbeitslager in einer Kohlemine. Wenn man ein Arrangement nicht gleich hinbekommt, dann darf man das nicht so schwer nehmen.

Wie erleben Sie es, mit ihrer Tochter zusammenzuarbeiten? Sind sie in diesen Momente für sie eher Mutter oder Musikerin?

Amos: Tash ist in einem Musikerhaushalt aufgewachsen. Sie hat ihr ganzes Leben lang gesungen, auf ihre eigene Weise. Und wenn sie das mit mir teilt, dann bin ich hoffentlich zuerst eine Mutter. Wenn sie Klavier spielt und ich höre zu, dann sage ich vielleicht „das ist ein ziemlich interessanter Klang“! Und dann fragt sie mich auch manchmal wieder um Rat… manchmal nimmt sie es an und manchmal nicht. Und das ist die Freiheit, die man braucht um zu wachsen! Alle Musiker wachsen, wenn sie sich mit anderen Musikern umgeben. Natürlich haben ihr Vater und ich ihr Dinge beigebracht. Und dann bringt sie uns wieder etwas bei, weil sie etwas versucht und uns damit überrascht.

Sie sind ja nicht nur Mutter, sondern mittlerweile auch dem Durchschnittsalter der weiblichen Chartbreaker entwachsen. Sie haben sich jüngst über die Position etwas älterer Frauen im Popbusiness beschwert. Warum?

Amos: Nunja, ich denke, es gibt nicht allzu viele tolle Plattenverträge für Frauen um die 50. Ich meine jetzt nicht irgendwelche Almosen, sondern ernsthafte Verträge in der ersten Reihe.

Warum ist das so?

Amos: Wenn man mit einem Plattenlabel spricht, werden die sich auf Angebot und Nachfrage rausreden. Ich frage mich aber: Wie kann man wissen, dass es keine Nachfrage gibt, wenn man nicht einmal ein Angebot macht? Das ist die Fragen nach der Henne und dem Ei. Im Filmbusiness haben Frauen langsam ein anderes Standing. Für Schauspielerinnen wie Judi Dench wird ein passendes Genre kreiert. Im Pop-Rock-Feld ist das anders. Deswegen müssen wir als weibliche Songschreiber nun auch spannend und lebendig sein, für Hörer in allen Altersklassen.

Wie wird man spannend und lebending?

Amos: Nicht bloß Großmuttersongs singen! Wenn man das tut, ist man ziemlich genau 60, richtig? Nein, man muss sich mit Themen beschäftigen, zu denen alle Menschen einen Zugang finden können. Und dann muss man natürlich auch klar sehen, dass das auch ein kulturelles Ding ist. Männliche Weisheit gilt als eine Art Aphrodisiakum. Aber Weisheit ist generell etwas attraktives, auch weibliche Weisheit ist spannend! Weisheit ist attraktiv. Macht ist attraktiv. Vielleicht entwickelt sich ja jetzt diese Kultur, dass man weise Frauen sehen will – und ich meine bei einem Rockkonzert auf der Bühne, nicht im Kino!

Sie haben gerade über Themen gesprochen, die alle Menschen betreffen. Was sind aus Ihrer Sicht die bestimmenden Themen auf ihrem neuen Album?

Amos: Oh… Ehe. Beziehungen, und die Herausforderungen die sich ergeben wenn sie wachsen. Das ist etwas, was alle Altersgruppen betrifft… Ich schreibe auch darüber, sich bewusst zu sein, was in der Welt und in Amerika passiert, und nicht wegzudämmern. Romantik ist ein Thema. Ich habe dieses Thema einmal umgedreht: Denn Männer sind oft romantischer als man denkt. Manchmal romantischer als die Frauen, mit denen ich geredet habe! Das ist eben nur nichts, worüber man als Mann bei einem FC Arsenal-Match spricht, wenn Sie verstehen, was ich meine.

Da haben Sie auch gerade das Thema Politik gestreift. Was sind für Sie momentan die wichtigen Fragen, die man im Auge behalten sollte?

Amos: Ach wissen Sie, ich bin eine Songwriterin, keine Politikerin. Es gibt Aktivisten, die wirklich wissen was gerade alles in der Welt vor sich geht. Als Songwriterin versuche ich eher, die Geschichte zu erzählen. Den Geist zu reflektieren, der herrscht.

Und was ist die Geschichte, die sie hinter den politischen Fragen spüren?

Amos: Ich habe mit vielen Leuten gesprochen, und die meisten haben soo viel zu tun. Kinder, Ehe, ein Job, den Eltern geht es nicht gut… alle sind beschäftigt damit, zu überleben und sich um ihre Familien zu kümmern. Dabei wär es wichtig, dass sich Menschen mit Themen beschäftigen können, Themen, die die Weichen für die Zukunft des Planeten stellen werden. Ich wollte über die Idee sprechen, dass nicht jeder auf dem Nachrichtenstand der Dinge bleiben kann, weil sich alles so schnell ändert. Und ich glaube, nicht alle Menschen verstehen die Konsequenzen der Dinge, die da vor sich gehen.