Tocotronic: Let there be love

Magazin

Tocotronic: Let there be love

Schatz, wir müssen hören: Nach 22 Jahren Bandgeschichte und zehn Alben trauen sich Tocotronic mit ihrem neuen Werk an die Liebe heran. Auf dem roten Album knutschen sie den Pop in luftige Höhen und kuscheln die Gitarren in den Hintergrund.

Die Trainingsjacken sind schon längst gegen lässige Parkas oder Sakkos eingetauscht und überführen mittlerweile nur noch den Kritiker, der immer noch mit diesem Hamburger-Schule-Klischee in eine Tocotronic-Rezension einsteigt, der totalen Ideenlosigkeit. Und trotzdem erhöht sich der Puls von Feuilletonlesern und anderen Menschen, die sich weigern, ihre Indiemusik von Spotify-Playlisten empfohlen zu bekommen, sofort auf 120 Bpm, wenn ein neues Album von der Lowtzow-Crew angekündigt wird. Kurz: Tocotronic sind nach 22 Jahren Bandgeschichte noch immer cool, wichtig und spannend. Das soll ihnen erst mal jemand nachmachen.

Nun also ein Album ohne Titel, aus offenkundigen Gründen das rote Album genannt. Darauf vertrauen Tocotronic den Erwachsenen immer noch nicht, dafür aber sich selbst so sehr, dass sie sich der Liebe widmen. Perfekter Zeitpunkt, um endlich den ganzen Plüsch rauszulassen, der seit „Pure Vernunft Darf Niemals Siegen“ gedeiht und den Tococosmos mit jedem neuen Album ein bisschen flauschiger macht. Nun also rosaroter Höhepunkt, quasi Plüschgewitter. Auch musikalisch. Die Gitarren im Hintergrund, davor Pop, Pop, Pop. Ein Zuckerguss aus Streichern, Chören, Synthies, Handclaps. Melodie statt Diskurs und trotzdem ein luftig-leichter Gesamteindruck statt klebrig-süß.

Das ist die Musik, auf die von Lowtzows Gesangsstil 22 Jahre gewartet hat. Man kann sich gut vorstellen wie sich der Sänger ins geballte Fäustchen lacht, während er das Wort „Du bist aus Zucker du bist zart / Du schmilzt dahin du wirst nicht ha-a-a-a-a-a-rt“ mit einer gespielten Naivität einsingt, von der die Teletubbies beeindruckt wären. Die Textzeilen sind diesmal Slogans für die Liebe: „Wir sind Babys / Wir spucken ihnen ins Gesicht“, „Unter deiner Decke fasst mich das Chaos an“ oder „Ich will keine Treueherzen / Kannst du mir Liebe geben“. Geschrieben mutet das alles zu kitschig an, gehört passt dieser rosarote Schleier eigentlich ganz gut zu Tocotronic.

Den Fan dürfte das alles sowieso nicht überraschen, hat sich der Pop doch schon seit einem Jahrzehnt auf Samtpfoten in den Sound geschlichen. Weshalb das rote Album schon beim ersten Hören merkwürdig vertraut klingt. Das haben sich die Tocotronicer quasi selbst aufgebaut.