Thomas Azier: „Ich nehme an, ich wurde zu oft enttäuscht“

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Thomas Azier: „Ich nehme an, ich wurde zu oft enttäuscht“

Der junge Wahl-Berliner Thomas Azier gilt als einer der kommenden Stars des "Urban Pop" und ist schon jetzt eine schillernde Figur: Mit 19 schlug er sich aus einem niederländischen Dorf nach Berlin durch um Musiker zu werden; nun stellt sich der Erfolg ein. Warum er beim Musikmachen nur auf sich selbst vertraut, verrät Azier spot on news.

Thomas Azier wird eine große Zukunft vorausgesagt. Der Niederländer schlug sich schon mit 19 nach Berlin durch. Nun, sieben arbeitsame und bisweilen harte Jahre später, gilt er als einer der kommenden Stars des „Urban Pop“ – und als ein explizit „moderner“ Künstler: Seine melancholischen wie wuchtigen Elektro-Pop fabriziert er stets alleine und auf rein elektronischem Wege. Warum das so ist, hat der Einzelkämpfer der Nachrichtenagentur spot on news verraten. Gerade ist Aziers Debütalbum „Hylas“ erschienen.

Sie haben sich mit 19 aus einem niederländischen Dorf auf den Weg nach Berlin gemacht, um Musiker zu werden. Was waren damals ihre ersten Eindrücke von der Stadt?

Thomas Azier: Das war ein ziemlich rauer Eindruck. Ich bin in Clubs gelandet und habe dort mit einem Freund, der dort schon lange lebte, sowie mit Drumcomputer und Synthies Livemusik gemacht. Er hat mir alle Ecken Berlins gezeigt und das war eine ziemliche Erfahrung.

Gab es denn einen Punkt, an dem Sie an diesem Schritt gezweifelt haben?

Azier: Es gab so einen Moment, nachdem drei Jahre lang niemand etwas von meiner Musik wissen wollte. Ich war pleite, hatte wieder keinen Platz zum Leben, also habe ich bei einem Freund auf dem Sofa geschlafen. Ich erinnere mich, dass ich ziemlich müde war. Das Einzige was ich besaß, war mein Computer mit den Demoaufnahmen. Ich bin aber wieder auf die Füße gekommen und habe den Ort gefunden, an dem ich dann auch die meisten Demos aufgenommen habe, die jetzt auf dem Album gelandet sind.

Auf diesem ganzen Weg bis hierhin scheinen Sie ein überzeugter Einzelkämpfer und Solokünstler gewesen zu sein. Warum eigentlich?

Azier: Es gibt so viele Leute, die behaupten, einem „helfen“ zu wollen. Manager, Produzenten, Mixer. Ich nehme an, ich wurde beim Warten auf die Hilfe anderer Leute zu oft enttäuscht. Bis ich dachte „scheiß drauf, dann mach ich’s eben selbst“. Ich fühle mich am schlechtesten, wenn ich auf andere angewiesen bin, also habe ich gelernt, wie man Musik produziert und bessere Songs schreibt. Ich war die ersten Jahren wirklich angefressen, weil das so mies geklungen hat. Aber die Dinge brauchen eben ihre Zeit.

Mittlerweile kommt auch die künstlerische Anerkennung. Trotzdem scheint eine düstere, melancholische Seite in Ihren Songs sehr präsent zu sein.

Azier: Der rote Faden auf dem Album ist das Konzept des Wandels. Ich war sehr inspiriert von Ovids Buch „Metamorphosen“. Es ist schwer, ständig mit Veränderung umzugehen. Ich lebe in einer Stadt, die sich ständig verändert, mein Körper war noch in einer Übergangsphase, als ich nach Berlin kam, ich war noch am Erwachsenwerden. Beziehungen verändern sich, die Jahreszeiten wechseln – naja, der Wandel ist das Einzige, was im Leben sicher ist. Damit umzugehen, macht das Leben zur Herausforderung. Und manchmal hart.

Eine andere Konstante in Ihrer Musik ist das Elektronische. Warum?

Azier: Ich mag starke Kontraste. Kalte Elektronik neben warmem Gesang, analog und digital, agressiv und süß – und so weiter. Ich war auch sehr gespannt darauf, die großen Räume in der Fabrik aus DDR-Zeiten zu nutzen, in der ich jetzt mein Studio habe. Die Synthies und Drumcomputer zu verstärken und sie am anderen Ende der Halle aufzunehmen. Es war die Fabrik in der Verbindung mit den elektronischen Instrumenten, die mich dazu gebracht hat zu sagen: Das sind Eckpfeiler meines Albums.

Hat denn elektronische Musik dieser Tage eigentlich etwas besonders drängendes oder wichtiges? Warum ist das Interesse daran so groß?

Azier: Ich nehme an, es wurde nach und nach immer populärer. Für mich ist es mein ganzes Leben. Seit ich ein Kind war, habe ich mit Synthesizern herumgespielt.

Solo und elektronisch… Würden Sie sagen, Sie ein explizit „moderner“ Künstler?

Azier: Ja. Man muss heute so viele verschiedene „Hüte aufhaben“: Mixer, Musiker, Produzent, Art Director, Sänger, Songwriter… Es ist schwer, fokussiert zu bleiben, wenn all diese Stimmen während des Prozesses zu einem sprechen. Ich habe die Dinge durcheinandergebracht und den Überblick vermisst. Ich denke, die Herausforderung dabei, ein „moderner Künstler“ zu sein, ist momentan vor allem, einen Rahmen zu setzen. Es gibt zu viele Möglichkeiten, also muss man sich beschränken. Wie ein Maler, der seinen Bildausschnitt auswählt.

Im Netz kursiert die Geschichte, sie hätten den Indie-Star Woodkid über einen Tweet kennengelernt… Noch so ein Element aus einer modernen Künstlerbiografie?

Azier: Naja, die wahre Geschichte ist, dass mich sein Bookingagent ihm vorgestellt hat und dass er mich dann angerufen und nach Paris eingeladen hat. Wir hatten aber einigen Spaß beim Sprechen über unsere Inspirationsquellen.

Sie haben auch schon mit Rap-Star Casper zusammengearbeitet. Wie war das?

Azier: Ziemlich entspannt. Ich habe einige Vocals auf seinem Album gemacht, die eigentlich von einem deutschen Sänger neu eingesungen werden sollten. Wie Sie vielleicht wissen, habe ich schon für verschiedene Künstler geschrieben. Aber dann haben sie sich entscheiden, meine Vocals auf dem Album zu lassen…

Ihr Album „Hylas“ ist gerade frisch herausgekommen. Gibt es bestimmte Ziele, die sie damit erreichen wollen? Chartpositionen, große Festivals…

Azier: Die Veröffentlichung meines Albums nach fünf Jahren Arbeit fühlt sich wie eine Errungenschaft an sich an. Besonders wenn es harte Zeiten gab, in denen sich niemand zu interessieren schien, habe ich weitergemacht. Und als ich das Resultat gesehen habe, war ich froh, dass ich keine Kompromisse gemacht habe. Jetzt konzentriere ich mich auf neues Material und jede Menge Touren. Ich hoffe, man wird mich in Deutschland sehr bald häufiger sehen.