„The Imitation Game“: Sherlock Holmes gegen das dritte Reich?

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„The Imitation Game“: Sherlock Holmes gegen das dritte Reich?

Für "The Imitation Game" hat sich Benedict Cumberbatch die erste Oscar-Nominierung seiner Karriere gesichert. Doch nicht nur wegen des charmanten Briten lohnt es sich, den Film über den Mathematiker Alan Turing anzusehen.

Stolze acht Oscar-Nominierungen sprechen eine deutliche Sprache. Und das Drama „The Imitation Game“ mit Benedict Cumberbatch (38, „Dame König As Spion“) in der Hauptrolle als genialer wie sozial schwieriger Alan Turing hätte jede dieser Auszeichnungen auch verdient. Im allerersten Moment des Films herrscht dennoch kurz Verwirrung: Cumberbatchs Interpretation des Mathematikers, der den als unlösbar geltenden Code der deutschen Enigma-Maschine knackte, wirkt zunächst deckungsgleich mit seiner Parade-Rolle als Detektiv-Genie Sherlock Holmes. Doch die Entwarnung folgt auf dem Fuße: Der Brite drückt Turing seinen ganz eigenen Stempel auf und darf in der Laufzeit des Films mit seiner gesamten emotionalen Bandbreite spielen. Oscarreif nennt sich das dann.

Der Krieg ist gewonnen

Im Jahr 1951 wird im Haus des Professors Alan Turing eingebrochen. Doch anstatt die zum Tatort gerufene Polizei über gestohlene Gegenstände zu informieren, will der verschrobene Eigenbrötler die Beamten so schnell wie möglich aus seinem Heim haben. Für Detektiv Robert Nock ist klar: Turing versucht, etwas vor ihm zu verbergen. Ohne Anhaltspunkt beginnt Nock daher, die Biographie des Professors zu beleuchten und muss feststellen, dass von Turing während des Zweiten Weltkriegs quasi keine Aufzeichnungen vorliegen.

Erst langsam kommt Licht ins Dunkel: Es ist das Jahr 1939 und der Krieg mit Deutschland hat gerade begonnen. Turing ist zu diesem Zeitpunkt 27 Jahre alt und hat sich auf eine ungewöhnliche Anzeige gemeldet, welche die britische Regierung geschaltet hat. Dass Turing ebenso genial wie sozial unverträglich ist, wird bei dem Vorstellungsgespräch deutlich. Als man ihn schon fast mit Gewalt aus dem Büro entfernen will, sagt er nur ein Wort: Enigma.

Die Job-Ausschreibung entpuppt sich als streng geheimes Programm des MI6, um eine Gruppe Mathematiker zu versammeln, die eine schier unmögliche Aufgabe zu lösen haben: Den Enigma-Code der Deutschen Armee zu knacken, die Wehrmachts-Nachrichten zu entschlüsseln und so den Krieg zu gewinnen. Das einzige Problem: Die Enigma-Maschine hat 159 Trillionen verschiedene Möglichkeiten, eine Nachricht zu verschlüsseln. Theoretisch brächte man 20 Millionen Jahre, um jede Kombination auszuprobieren – Turing und sein Team müssen es in nur 24 Stunden schaffen.

Fernab der Front

Mit „The Imitation Game“ ist Regisseur Morten Tyldum etwas Außergewöhnliches gelungen: Er hat ein Kriegs-Drama gedreht, das fernab der Front spielt und dennoch die Schrecken des Zweiten Weltkriegs einfängt. Turings steter Wettlauf gegen die Zeit, die nicht nur seine eigene, sondern auch die geistige Gesundheit seines ganzen Teams zusehends bedroht, ist in jeder Sekunde der 114 Minuten Laufzeit packend. Mit jedem Tag, an dem seine speziell entworfene Rechenmaschine nicht in der Lage ist, die Nachrichten der Nazis zu entschlüsseln, sind abertausende Soldaten dem Tod geweiht. Doch nicht nur aus Deutschland droht Gefahr – auch im eigenen Land schafft sich Turing zunehmend Feinde. Wer bei alledem unaufgeregt im Kinosessel sitzen kann, scheint Nerven aus Drahtseilen zu haben.

And the Oscar goes to…

Zugegeben, im ersten Moment von „The Imitation Game“ macht einem Cumberbatch kurz Angst. Seine Auslegung des genialen wie zuweilen weltfremden Turing scheint eine haargenaue Kopie seiner Rolle als Sherlock Holmes zu sein – unfähige Polizisten beleidigen inklusive. Doch im Laufe des Films verdient sich der Brite durch die zunehmend menschlichere Seite, die er von Turing zeigt, seine Nominierung als bester Hauptdarsteller allemal. Und auch wenn das Thema alles andere als zum Lachen ist, schafft es Cumberbatch mit seiner verschrobenen Figur ein ums andere Mal, das Publikum ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern – nur um sie kurz darauf zu Tränen zu rühren.

Nach einer wahren Begebenheit

Wo dieser Satz steht, gilt in der Regel die Warnung zur Vorsicht. Was letztendlich im Kinosaal erscheint, hat oft wenig mit der wahren Geschichte zu tun, auf der sie basiert. Auch bei „The Imitation Game“ wurde selbstredend einiges hinzugedichtet. Den Ermittler Robert Knock gab es beispielsweise überhaupt nicht, auch die Beziehung zu der von Keira Knightley (29) dargestellten Joan Clarke wurde für die Filmhandlung deutlich aufgebauscht. Viele der Änderungen sind aber für den Filmgenuss durchaus sinnvoll, zu viele künstlerische Freiheiten wie etwa „Grace of Monaco“ nimmt sich „The Imitation Game“ nicht heraus. Auch wenn man es kaum glauben mag: Ein Großteil der schockierenden und tragischen Momente in Tyldums Film entsprechen der Wahrheit – so auch Turings Schicksal.

Fazit

Auch in dieser Zahl hat sich „The Imitation Game“ die Oscar-Nominierungen redlich verdient. Im Laufe der Erzählung zeigt Cumberbatch immer mehr Facetten des tragischen Helden Alan Turing auf und darf dabei seine ganze Bandbreite an schauspielerischem Talent unter Beweis stellen. Und warum er Film überhaupt „The Imitation Game“ heißt, dass sollten sich die Kinogänger innerhalb des Films am besten von Cumberbatch selbst erklären lassen.