„Teenage Mutant Ninja Turtles“: Michael-Bay-Bombast ohne Charme
Magazin
Publikum feiert zusammen mit der Band
Die "Turtles" sind die vielleicht ungewöhnlichsten Helden der Comic-Geschichte. Die vier Schildkröten mit dem Heißhunger auf Pizza durften schon in drei Kinoverfilmungen in den 90ern austeilen. Im von Michael Bay produzierten Reboot machen sie dies mit neuester Computertechnik - der Charme der Vergangenheit bleibt dabei aber auf der Strecke.
Jonathan Liebesman (38) scheint es sich zur Aufgabe gemacht zu haben, alte Filmreihen zurück auf die
Kinoleinwand zu bringen. 2006 belebte er das „Texas Chainsaw Massacre“ neu, 2012 kam mit
„Zorn der Titanen“ der Nachfolger eines Films heraus, der mit „Kampf der Titanen“ (1981) ebenfalls einen Klassiker zur Vorlage hatte. Nun versuchte sich Liebesman unter tatkräftiger Hilfe von Produzent
und Explosionsfetischist Michael Bay (49) an der Neuinterpretation der beliebten Pizza-Fans Leonardo, Donatello, Raphael und Michelangelo. Die Betonung liegt dabei leider auf „versuchen“, denn „Teenage Mutant Ninja Turtles“ hat keinen Charme, ist voller Action aber aufgrund des 0815-Plots trotzdem langweilig.
Unter den Straßen von New York
Der engagierten April O’Neil (Megan Fox, 28) will einfach nicht ihr Durchbruch als ernstzunehmende Reporterin gelingen. Trotz vier Jahren auf der Journalistenschule muss sie gemeinsam mit ihrem Kameramann Vernon Fenwick (Will Arnett, 44) banale Einspieler für ihren Sender Kanal-Sechs drehen. Weil sie in der Arbeit nur belächelt wird, macht sich die junge O’Neil daher auf eigene Faust daran, einen Umweltskandal aufzudecken. Dafür begibt sie sich eines Nachts an den Hafen der Stadt und wird Zeuge, wie eine skrupellose Verbrecherbande namens „Die Fußsoldaten“ im Begriff ist, chemische Stoffe zu verladen. Doch plötzlich beginnen maskierte Unbekannte, die Ganoven aufzumischen. Was zurückbleibt ist ein seltsames chinesisches Symbol an einem der Container.
Dumm nur, dass ihr niemand die fantastische Story glauben mag, schon gar nicht ihre Chefin Bernadette Thompson (Whoopi Goldberg, 58). Doch die hartnäckige Reporterin lässt nicht locker und es gelingt ihr nach einem weiteren vereitelten Anschlag der Fußsoldaten schließlich, die Retter ausfindig zu machen. Sehr zu ihrer Überraschung handelt es sich bei den Kämpfern für das Recht aber um die mutierten Schildkröten Leonardo, Donatello, Raphael und Michelangelo, die in der Kanalisation unterhalb des Big Apple von ihrem Ratten-Sensei Splinter in Martial Arts ausgebildet
wurden. Die Heldentruppe ist allerdings alles andere als begeistert darüber, dass O’Neil ihnen auf
die Schliche gekommen ist und verzieht sich schleunigst wieder in ihr Hauptquartier in der
Kanalisation. Erst als der böse Kampfkunstmeister Shredder ihr Leben und das der Einwohner von
New York bedroht, machen sie sich auf, die Stadt zu retten.
Plotverlauf nach Checkliste
„TMNT“ handelt von vier genmutierten Riesenschildkröten, die von ihrem Rattenmeister in die
Künste der Ninjas eingeführt werden und nach italienischen Renaissancekünstlern benannt sind. Kaum zu glauben, aber trotz dieser Handlung schafft es Megan Fox irgendwie, als investigative Journalistin die unglaubwürdigste Protagonistin im ganzen Film zu sein. Sie brabbelt gegenüber ihrer Chefin wirr von menschengroßen, sprechenden Schildkröten und wundert sich, dass ihr nicht geglaubt wird. Und auf große Enthüllungstour begibt sie sich ausschließlich mit einer Handykamera ausgestattet – vielleicht hätte sie noch ein paar Jahre auf der Journalisten-Schule bleiben sollen.
Natürlich kann und will der Film nicht ernst genommen werden. Er sollte aber zumindest innerhalb des erschaffenen Universums Sinn ergeben. Warum muss ausgerechnet O’Neil eine gemeinsame Vergangenheit mit den genmutierten Versuchstieren haben? Schade, dass die kultigen Ninja-Kröten in einen derart lieblos zusammengeschusterten Plot geworfen werden. Schon beim ersten Kontakt ist jedem regelmäßigen Kinogänger klar, wer der geheime Bösewicht in dem Film ist, der zudem eine hanebüchene Motivation für seine Verbrechen hat. Und auch der Superschurke Shredder wird durch die Entscheidung, ihn in eine Mischung aus Cyborg und Schweizer-Armee-Messer zu verwandeln, komplett gesichtslos und blass. Die Fußsoldaten, im Original allesamt ausgebildete Kampfkünstler, sind hier Soldaten mit Maschinenpistolen. Das hat nur leider den Nachteil, dass jede Kampfszene komplett uninteressant wird – vor allem, als die Ninja Turtles erst einmal festgestellt haben, dass sie kugelsicher sind.
Weder für Klein, noch für Groß
Was übrig bleibt sind vier erschreckend uncharismatische Helden, die von Actionsequenz zu
Actionsequenz hangeln. Die sind zwar aufwendig produziert, aber viel zu überladen – das alte Problem von Bay-Produktionen. In den wahnwitzig schnell geschnittenen Szenen passiert so viel und mit so wenig Distanz zum Gezeigten, dass der Zuschauer irgendwann einfach abschaltet – Langeweile durch zu viel Action. Übertrieben sind auch die Merkmale der vier Helden. Donatello verkommt zum klischeehaften Nerd, Michelangelo zum notgeilen Unsympath. Der Charme
vergangener Tage ist dabei komplett auf der Strecke geblieben.
Selbstredend muss bei all der Kritik die anvisierte Zielgruppe des Streifens berücksichtigt werden. Kinder werden ohne jeden Zweifel viel Spaß an „TMNT“ haben und die zahlreichen Handlungslöcher vergnügt übersehen. Wie man aber einen gelungenen Film für Groß und Klein macht, ohne eine der beiden Zuschauergruppen vor den Kopf zu stoßen, zeigten zuletzt beide Teile
von „Drachenzähmen leicht gemacht“. Außerdem gestaltet sich der Plan der Schurken in „TMNT“, eine ganze Stadt mit Giftgas dahinzuraffen, wiederum als viel zu düster für den Klamauk, der mit den Teenager-Schildkröten einhergeht.
Fazit
Das Vorhaben, die „Teenage Mutant Ninja Turtles“ in die Neuzeit zu verfrachten, ist nicht gelungen. Die Handlung des Films ist einerseits zu plump für Erwachsene, andererseits zu düster für die ganz jungen Zuschauer. Nostalgiker finden ihre einstigen Kindheitshelden in derartige Klischees verwandelt, dass auch sie nicht abgeholt werden können.