Susanne Blech: „Diese Band war ein missratener Witz!“

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Susanne Blech: „Diese Band war ein missratener Witz!“

Muss Pop die Welt retten? Ganz klar nein, finden Susanne Blech. Der Name ihres neuen Albums ist Programm: "Welt verhindern". Eine große Aufgabe für eine Band, die eigentlich als reiner Gag begonnen hat, wie Sänger Timon Karl Kaleyta im Interview verrät.

Susanne Blech tanzen zwischen allen Stühlen: Ihr pfiffiger Elektropop und ihre absurden Texte kommen bei feierwütigen Teenagern ebenso gut an wie bei den Musikkritikern. Die Mission der Band: Die „Welt verhindern“, so der Titel ihres dritten Albums, das sie am heutigen Freitag (16.05.) erstmals live in Bochum vorstellen. Unterstützt wurden Susanne Blech bei den Aufnahmen von so unterschiedlichen Charakteren wie Schriftsteller Benjamin von Stuckrad-Barre und dem ehemaligen Snap!-MC Turbo B – jeder auf seine Art ein wichtiger Einfluss der Band, wie Frontmann Timon Karl Kaleyta (30) der Nachrichtenagentur spot on news erklärt.

Warum muss die Welt verhindert werden?

Timon Karl Kaleyta: Das ist natürlich eine große Frage. Der Titel ist mir eingefallen, als ich in der Küche in irgendeiner Sendung, die gerade lief, irgendwas von Tim Bendzko hörte. Und dieses ganze „Welt retten, Welt verändern“, das finde ich alles ganz schlimm, und dann hatte ich auf einmal diese Sentenz „Welt verhindern“ im Kopf. Da dachte ich mir, „Moment, das habe ich so noch nie gehört, ‚Welt verhindern‘, so muss man ein Lied nennen.“ Ich finde es immer sehr schwierig, wenn vor allem Pop-Bands, wie wir ja auch eine sind, mir erzählen wollen, wie man die Welt verändern will, wie man die Welt retten will. Dann lieber alles verhindern! Alles, auch das Gute, alles, was es gibt, einfach komplett zu verhindern. Es ist ja auch unendlich egal letztlich, das ist ja das Schöne.

Sie haben Susanne Blech vor einigen Jahren als „abstrakten Kunstversuch“ bezeichnet. Hätten Sie damals gedacht, dass daraus eine funktionierende Band wird, die regelmäßig tourt und nun bereits das dritte Album veröffentlicht?

Kaleyta: Nein, das ist für mich tatsächlich der größte Witz des Jahrhunderts, dass aus dieser Nicht-Band, die es wirklich am Anfang war, so etwas geworden ist. Ich bin ja auch der totale Anti-Musiker, und bin es immer gewesen. Ich kann nicht singen und spiele auch nicht nennenswert gut ein Instrument. Das ganze Projekt war ein reiner Gag, und dann hat irgendwie doch irgendjemand immer Interesse daran gehabt. Plötzlich hat man also drei Alben gemacht, und ich weiß gar nicht, wo die eigentlich hergekommen sind (lacht). Kunst ist ja auch viel zu viel gesagt… ein missratener Witz war diese Band! Wenn ich wählen könnte, hätte ich mir auch einen cooleren Namen ausgesucht. Ich finde das im Grunde auch irrsinnig bescheuert, aber jetzt muss man es so eben durchziehen, jetzt kann man es nicht mehr ändern.

Ein gewisser Kunstgehalt wird Ihnen aber gelegentlich schon bescheinigt. Manche Kritiker rücken Ihre Texte in die Nähe des Dadaismus.

Kaleyta: Ja doch, es war immer schon irgendwie auch Dada-mäßig. Ich wollte von Anfang an nie irgendwas Konkretes beschreiben. Im Grunde waren meine ersten Texte, lange bevor Leute Twitter benutzten, zusammengesetzte 140-Zeilen-Bemerkungen zu irgendwas. Ich habe das einfach immer sehr schnell runtergeschrieben und wollte, dass jede Zeile nach etwas Großem klingt, aber ich hatte nie eine Gesamtagenda. Das aber ist auf dem neuen Album ein kleines bisschen anders, da gibt es tatsächlich mal ein, zwei Songs, die irgendwie geschlossener wirken. Ich hatte aber nie Probleme damit, wenn Leute gesagt haben, das bedeutet alles nichts, das ist reiner Dada. Es gibt auch immer noch relevante Musikjournalisten, die sagen, das ist alles kompletter Schwachsinn. Ich kann jede einzelne Zeile in so einem Song hundertprozentig unterstreichen, ich wusste halt nur nie im Ganzen, was es bedeuten soll. Und so ist es eigentlich auch geblieben, anders kann ich nicht schreiben.

Der Schriftsteller Benjamin von Stuckrad-Barre hat Sie bei einigen Texten unterstützt. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?

Kaleyta: Also diese Zusammenarbeit hat mich bei der Produktion der Platte am meisten gefreut. Als ich mit 18, 19 angefangen habe, die zeitgenössische Literatur zu lesen, da waren für mich Stuckrad-Barre und Christian Kracht so etwas wie Orientierungsgrößen, ästhetisch wie grundsätzlich in Lebensbewertungsfragen. Ich habe immer verfolgt, was er gemacht hat, und fand das immer spannend, weil es etwas Vergleichbares kaum gibt. 2012 waren wir mit der Band bei Joko und Klaas, und er war dort auch als Talkgast da. Ich bin dann nach der Show zu ihm hingerannt und habe gesagt „Hallo, Benjamin, ich mag deine Texte so gern – kannst du nicht mal in die Kamera sagen: ‚Ich find‘ Susanne Blech richtig Scheiße‘?“ Und dann meinte er „Nein, nein, ich hab das gerade gehört, ich finde das super“, und dann haben wir uns länger unterhalten und sind in Kontakt geblieben. Während der Produktion spielte er mir dann immer Ideen zu, und so ging es hin und her.

Auf „Killer is a man who don’t fuck with the music“ ist Turbo B von Snap! zu hören. Wo haben Sie den denn ausgegraben?

Kaleyta: Das war im Grunde auch bloß eine Schnapsidee. Die Zeile „Killer is a man who don’t fuck with the music“. Und jetzt bei der Produktion ist dann plötzlich ein Song daraus entstanden. Den Refrain hat Jerome geschrieben, und wir hatten den zunächst selbst aufgenommen. Bei den Aufnahmen haben wir dann gedacht, „Crazy, das muss Turbo B rappen!“, weil wir auch alle in der Band noch so 90ies-Kids sind. Ich habe damals mit 14 „Rhythm is a Dancer“ wirklich gut gefunden, das ist nunmal unsere ganz, ganz frühe musikalische Prägung. Und da haben wir gedacht, wir müssen den irgendwie aufspüren. Er war dann in irgend so einem Studio in Philadelphia und fand den Song direkt super. Er hat das sofort eingerappt und sogar noch unser schlechtes Englisch korrigiert – dann war’s fertig. Und seitdem lachen wir jeden Tag darüber, dass wir jetzt Turbo B auf dem Album haben. (lacht)

Die Zusammenarbeit mit Strizi Streuner von Frittenbude lag da wohl näher.

Kaleyta: Ich bin großer Bewunderer von Frittenbude, vor allem mag ich Strizis Stimme und diese Old School Art und Weise, in der er rappt. Das hat einen sehr eigenen Style, den ich immer super fand. Frittenbude ist natürlich als Band 100 mal größer als wir, und wir kennen die Jungs jetzt schon seit vielen Konzerten und haben uns angefreundet. Ich wollte unbedingt einen Song zusammen mit ihm machen, und es passte musikalisch gerade auch auf diesem „Welt verhindern“-Song. Ich finde seine Strophe übrigens deutlich besser als meine, das ist richtig gut geworden.

Und wer ist dieser ominöse Uwe auf „Die Katzen von Beate Zschäpe“?

Kaleyta: (lacht) Also, dieser runtergepitchte Rap, der ist von mir. Wir haben das auch nur aus einem letzten Impuls heraus „feat. Uwe“ genannt, weil das sind ja diese beiden anderen Nazi-Schwachköpfe vom NSU, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Ich glaube, an dem Tag, bevor wir die Songs mit Titeln einlisten mussten bei iTunes, Finetunes, oder wo das alles reingehackt werden muss, meinte unser Produzent: „Also den Beate-Zschäpe-Song müssen wir ‚featuring Uwe‘ nennen.“ Das fand ich natürlich sofort super.

Wie kommt man überhaupt dazu, einen Song über die Katzen von Beate Zschäpe zu schreiben?

Kaleyta: Ja das ist ja der ganze Gag. Weil sie, die große Katzenfreundin halt, echt bevor sie ihre Wohnung in die Luft gesprengt hat, tatsächlich ihre lieben Katzen der Nachbarin gegeben hat. Und dann gab’s wochenlang ein Politikum, was mit diesen Katzen geschieht, und sowas gefällt mir natürlich humoristisch. Die Idee zu dem Song kam tatsächlich von Benjamin von Stuckrad-Barre, der mich eines Tages anrief oder mir eine E-Mail schickte und sagte, „Ey, wir müssen einen Song schreiben, der heißt ‚Die Katzen von Beate Zschäpe‘!“ Dann habe ich sofort gesagt: „Ja, genial!“, mich sofort drangesetzt und diesen einfühlsamen Song geschrieben. (lacht)

Haben Sie diesen Song schon mal live gespielt?

Kaleyta: Ne, noch gar nicht. Wir spielen die meisten Songs dieses neuen Albums jetzt am 16.5. bei der großen Releasekonzertshowparty in Bochum zum ersten Mal live. Ich bin auch sehr gespannt, ob und wie das alles funktioniert.

Wird das nicht seltsam, wenn die Leute dann auf eine Zeile wie „Achtung, achtung, Machtergreifung“ tanzen?

Kaleyta: (lacht) Also diese Zeile macht mir auch tierische Angst. In dem Fall ist sie ja quasi nicht von mir gerappt, sondern von diesem „Uwe“ wahrscheinlich, obwohl es eigentlich gar nicht so geplant war. Aber wir hatten ja schon andere fragwürdige Songs, allein, wenn ich an so Sachen wie „Vietnam, dance!“ denke, das ist natürlich auch ein absurder Song. Den habe ich live früher immer angekündigt mit „Und jetzt kommt ein Song über das friedlichste und schönste Land der Welt, in dem noch nie irgendwas schlimmes passiert ist.“ (lacht) Ja also, mal kucken. Die Leute, die uns kennen, wissen, wie das funktioniert. Und für den Rest, wenn uns irgendwas nachgesagt wird, dann schiebe ich immer die beiden Inder nach vorn und sage, „Ja, aber wir haben ja hier zwei Migranten in der Band, die wir wunderbar integriert haben!“ (lacht)