Stereo Total: Als Geheimtipp ist man frei

Magazin

Stereo Total: Als Geheimtipp ist man frei

Wenn am Montagabend der wichtigste Nachwuchspreis verliehen wird, dürften nicht nur die Gewinner der First Steps Awards Spaß haben. Dafür sorgt die Berliner Band Stereo Total mit eigens komponierten Stücken. Im Interview gibt Sängerin Françoise Cactus ein paar Tipps für echte Newcomer.

„Liebe zu dritt“, „Schön von hinten“, „Ich bin nackt / Das erste Mal“… Das Berliner Duo Stereo Total hat jede Menge Hits geschrieben. Doch auch nach mehr als 20 Jahren im Showgeschäft gelten Françoise Cactus (*1964) und Brezel Göring (*1967) immer noch als Geheimtipp. Warum sie das aber alles andere als schlecht finden, erklärt die gebürtige Französin im Interview mit spot on news. Dabei verrät sie auch, was die Gäste und Zuschauer bei den First Steps Awards am heutigen Montagabend im Stage Theater am Berliner Potsdamer Platz erwartet.

Der Berliner Filmemacher Axel Ranisch (32, „Ich fühl mich Disco“) moderiert die Verleihung der First Steps Awards 2015, Stereo Total begleitet musikalisch. Was werden Sie performen?

Françoise Cactus: Zwischen den einzelnen Preisverleihungen und Präsentation werden wir Stücke von uns, die zum Thema passen, kurz anspielen. Zum Beispiel „Cinémania“. Komplette Lieder gibt es aber nicht zu hören. Außerdem haben wir ein paar Stücke extra für die Veranstaltung komponiert.

Axel Ranisch sagt über Sie beide: „Mit unglaublichem Glück erfüllt mich, dass ich mit zwei Idolen meiner Kindheit (neben Beethoven und Rachmaninoff) durch den Abend führen darf.“ Was halten Sie davon?

Cactus: Axel Ranisch ist ziemlich lustig. Wir haben uns sofort sehr gut verstanden. Ich glaube, es wird gut laufen – zumindest werden der Moderator und die Musiker Spaß haben. Das ist doch schon mal was.

Die First Steps Awards sind der wichtigste deutsche Nachwuchspreis. Welchen Rat geben Sie Einsteigern in die Branche?

Cactus: Originell sein und sich nicht von anfänglichen Rückschlägen oder Pannen entmutigen lassen. Man sollte hartnäckig bei den Dingen bleiben, die man selbst gut findet und womit man sich künstlerisch ausdrücken kann, ohne in erster Linie anderen oder der Mehrheit gefallen zu wollen oder an die Kohle zu denken. Auch wenn der Erfolg länger auf sich warten lässt, einfach weitermachen, denn was soll’s? Ich mache auch schon seit Anfang der 1980er Jahre Musik.

Stereo Total ist ein deutsch-französisches Underground-Pop-Duo und ein Liebespaar. Wo und wie haben Sie beide sich kennengelernt?

Cactus: Wir haben uns auf der Adalbertstraße in Berlin kennengelernt. Es gab zwar keine Mauer mehr, aber Brezel Göring wohnte auf der ehemaligen Ost-Seite und ich auf der West-Seite in derselben Straße. Beim Einkaufen oder Spazierengehen haben wir uns oft gesehen und irgendwann haben wir angefangen, uns zu grüßen. Nachdem wir uns dann mal unterhalten hatten, war ich total überrascht, dass er der Typ von der Band Sigmund Freud Experience war. Das fand ich wahnsinnig interessant, weil ich die Band kannte. Dann haben wir uns angefreundet … und sogar verliebt. Zu der Zeit hatte ich noch die Band Lolitas und anfangs ist Brezel unter dem Namen Der Böhmische Elvis als Vorband aufgetreten. Später hat sich meine Band aufgelöst, also haben wir beide eine eigene gegründet.

Sie haben eine große Fan-Gemeinde, gelten aber trotzdem als Geheimtipp. Wie finden Sie das?

Cactus: Das ist vollkommen in Ordnung für uns. Wir müssen keine Superstars sein, weil man dann nicht mehr machen kann, was man will. Genau deshalb bezeichnen wir uns ja auch als Underground-Pop-Duo. Unsere Musik ist schon ein bisschen poppig, aber nicht so poppig wie US-amerikanischer Mainstream.

Sie machen seit mehr 20 Jahren und auf allen fünf Kontinenten Musik. Welche Bilanz ziehen Sie?

Cactus: Wir sind sehr zufrieden. Unser Ziel, überall auf der Welt aufzutreten, haben wir erreicht. Damit das klappt, habe ich mich immer bemüht, in verschiedenen Sprachen zu singen: Deutsch, Französisch, Englisch, Spanisch, Japanisch, … Die vielen Reisen waren sehr interessant, aber natürlich auch sehr anstrengend, das gebe ich zu. Wir haben tolle Leute kennengelernt und uns manchmal gewundert, dass sie den gleichen Geschmack haben wie wir.

Wenn Sie so viel reisen, spielt das Zuhause sicher auch eine große Rolle. Wie darf man es sich bei Ihnen beiden vorstellen?

Cactus: Wir leben hier in Berlin zwischen jeder Menge Koffer, die noch nicht ausgepackt sind. Überall liegt ungeöffnete Post herum. Alles ist total chaotisch. Grundsätzlich haben wir aber ein sehr schönes Zuhause mit sehr viel Kunst an den Wänden.

Apropos Zuhause, was halten Sie von der aktuellen Flüchtlingsdebatte?

Cactus: Die Ereignisse machen mich krank. Ich finde, manche Leute benehmen sich echt unmöglich. Egozentriker, die kein Verständnis für andere Menschen haben. Ich bin ohnehin dafür, dass es gar keine Grenzen gibt. Jeder soll doch dahingehen können, wo er will. Wir Deutschen und Franzosen können immer überall hingehen, alle lassen uns rein. Warum gilt das nicht auch umgekehrt? Das ist total ungerecht.