„Spectre“: So ist der neue Bond-Film

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„Spectre“: So ist der neue Bond-Film

Was bleibt nach dem Hype übrig? Die Messlatte für James Bond liegt nach "Skyfall" hoch. Ob "Spectre" an den Erfolg des Vorgängers anknüpfen kann, erfahren Sie hier.

Eine der eindringlichsten Szenen von „Spectre“ ist augenscheinlich denkbar unspektakulär: James Bond, zum vierten Mal gespielt von Daniel Craig, sitzt in seiner Londoner Wohnung: Ein Sofa, ein Tisch, eine Stehlampe. Es sieht aus, als wäre er gerade erst eingezogen. Ein Mann, der permanent unterwegs ist. Keine Frau, keine Kinder, keine Familie. Das Los eines Killers. Seine Kollegin Eve Moneypenny (Naomie Harris) steht in der Tür und blickt etwas mitleidig auf das ganze Chaos.

Die Psychologisierung und Entmystifizierung des Agenten mit der Lizenz zum Töten erreicht im nunmehr 24. Film ihren vorläufigen Höhepunkt. Mehr noch als bei allen bisherigen Craig-Filmen dreht sich in „Spectre“ wirklich die ganze Welt um Bond. Bezeichnenderweise ist der hier gar nicht als Doppelnull-Agent im Einsatz, sondern auf seiner ganz privaten Mission. Sogar seinen Aston Martin muss er sich klauen.

Wie lässt sich „Skyfall“ toppen?

Die spannende Frage im Vorfeld war ja, wie Regisseur Sam Mendes, Produzentin Barbara Broccoli und ihr gesamtes Team den Erfolg von „Skyfall“, dem erfolgreichsten Bond-Film der Geschichte, toppen wollen. Die Antwort darauf ist ziemlich einfach ausgefallen: Große Experimente bleiben aus, stattdessen führt man die bekannten Story-Elemente fort und reichert sie mit ausladender Action an. Das Ergebnis ist folgerichtig ein solider James-Bond-Film ohne grobe Schnitzer, der zu Beginn und am Ende mit enormen Schauwerten glänzt, insgesamt allerdings kaum Neues zu bieten hat.

Zum einen wird die erfolgreiche Grundprämisse der Vorgänger fortgesetzt. Bonds Existenzberechtigung und die seiner Doppelnull-Kollegen steht auf der Kippe. Ein weltumspannendes, volltechnisiertes Spionage-System soll die Agenten im Einsatz ablösen. Vorangetrieben wird der Richtungswechsel von einem Bürokraten an der Spitze des Centre for National Security: Max Denbigh (Andrew Scott), genannt „C“. Doch während der sich zunächst einen Machtkampf mit Bonds neuem Chef (Ralph Fiennes) liefert, geht die Hauptperson auf Solo-Mission.

Eine Videobotschaft seiner verstorbenen Ersatzmutter M (Judy Dench) bringt Bond auf die Schliche der Terrororganisation „Spectre“ und führt ihn zunächst nach Mexiko. Der Auftakt beim „Tag der Toten“ ist die vielleicht spektakulärste Eröffnungssequenz der Bond-Geschichte. Das ist tatsächlich ganz großes Kino. Die ganze Chose bringt 007 allerdings nichts als Ärger ein, weshalb er nach seiner Rückkehr ins Vereinigte Königreich prompt suspendiert wird. Das hindert ihn aber nicht daran, mit der Unterstützung von Moneypenny und Q (Ben Whishaw) auf eigene Faust auf die Suche nach „Spectre“-Boss Franz Oberhauser (Christoph Waltz) zu gehen.

Keine Waltz-Festspiele

Nach dem vielversprechenden Auftakt erlahmt der Film zusehends und beginnt sich episodenhaft zu wiederholen: Neues Land, ein bisschen Story, tolle Action. Das ist – damit wir uns recht verstehen – jederzeit beeindruckend anzusehen, aber es fehlt das besondere Etwas, das Bond in seinen besten Filmen auszeichnet. Das ist auch dem sehr wagen Bedrohungsszenario geschuldet. Zum einen kann die Aussicht auf permanente Rundumüberwachung, die ja heute bereits teilweise Realität ist, nicht sonderlich schockieren. Zum anderen bleibt Bonds Gegenspieler Oberhauser lange Zeit im Schatten.

Der Beitrag von Christopher Waltz zum Gesamtkunstwerk „Spectre“ ist erstaunlich gering. Sein Auftritt erfolgt spät. Sein Spiel ist einerseits diabolisch-launig wie eh und je, andererseits ist seine Figur so eindimensional und ihre Motivation derart hanebüchen, dass der finale Plot-Twist fast untergraben wird. Das ist deshalb besonders enttäuschend, weil Oberhauser eigentlich der finale Bösewicht, der Endgegner, sein soll, bei dem alle Fäden der bisherigen Craig-Bonds zusammenlaufen.

Nicht nur Waltz wirkt in diesem Film ein bisschen verschenkt. Der Auftritt von Monica Bellucci ist nicht mal der Rede wert und auch bei der Rolle von Andrew Scott, der in der Serie „Sherlock“ einen exzellenten Schurken gibt, wurde Potential liegengelassen. Dafür rücken Quartiermeister Q und Moneypenny stärker in den Mittelpunkt, was der Geschichte gut tut. Insgesamt präsentiert sich „Spectre“ überraschend keusch. Für eine Prise Erotik sorgt die Französin Léa Seydoux, die ihre Sache als Bond-Girl ordentlich macht.

Fazit:

„Spectre“ kann die hohen Erwartungen nicht erfüllen und bleibt insgesamt hinter „Skyfall“ zurück. Die Handlung ist ziemlich vorhersehbar und große Überraschungen bleiben aus. Auf der anderen Seite war Innovation noch nie die große Stärke des Franchises. Unterhaltsam ist Bond Nummer 24 über weite Strecken trotzdem und das kolportierte Budget von 300 Millionen Dollar sieht man dem Film in jeder Minute an. Ein besonderes Schmankerl für Fans der Reihe dürften die vielen Verweise auf die Bond-Historie sein.