Solomon Northups Leiden: Die wahre Geschichte hinter „12 Years A Slave“

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Solomon Northups Leiden: Die wahre Geschichte hinter „12 Years A Slave“

Steve McQueens Streifen "12 Years A Slave" gilt als einer der Top-Favoriten für die bevorstehende Oscar-Verleihung. Die grausame Story des Films, die nun die Kinobesucher erschüttert, ist aber eine wahre: Vor 160 Jahren hat sie der in die Sklaverei gekidnappte Solomon Northup zu Protokoll gegeben.

Große, aufwendig produzierte Rührstücke – das ist in Hollywood fast schon die Eintrittskarte für die Oscarverleihung. So wird es wohl auch für Steve McQueens Drama „12 Years A Slave“ funktionieren. Es gilt als ausgemachte Sache, dass der Streifen einige Mal für die begehrten Goldjungen nominiert wird. Hinter just diesem Film steckt aber noch mehr: Das Thema Sklaverei, das in Hollywood über Jahrzehnte hinweg beinahe tabu war. Und eine wahre Geschichte. Der Film beruht auf einem biografischen Buch über den Leidensweg Solomon Northups. Was die deutschen Kinobesucher ab Donnerstag in 134 Minuten durchleben können, war für Northup wohl zwölf Jahre lang grausame Realität.

Schon 1853 erschien das gleichnamige Buch, dessen Inhalt McQueen (44) – spätestens seit seinem Film „Shame“ ausgemachter Experte für erschütternde Stoffe – nun aufgreift. Daran, dass es eine wahre Begebenheit wiederspiegelt, wollte schon damals Herausgeber David Wilson keinen Zweifel lassen: „Viele der Einlassungen auf den folgenden Seiten sind durch reichhaltige Beweise abgesichert. Andere ruhen allein auf Solomons Aussagen. Dass er sich strikt an die Wahrheit gehalten hat, daran hat zumindest der Herausgeber, der Gelegenheit hatte, jegliche Ungereimtheit aufzuspüren, keinen Zweifel.“

Und die Geschichte, die Northup 1853 auf 322 Seiten festhielt, hat es in sich. Der dunkelhäutige Mann – im Film verkörpert von Chiwetel Ejiofor – wurde 1808 als Sohn eines in die Freiheit entlassenen Ex-Sklaven in den amerikanischen Nordstaaten geboren. Rund 23 Jahre später wurde er, mittlerweile selbst Ehemann und Vater, von Kriminellen betäubt, in einem Käfig entführt und als Sklave in die Südstaaten verkauft. Eindrücklich und grausam ist bereits jene Passage, in der Northup schildert, wie ihn seine Peiniger unter Folter dazu bringen wollen, seinen verbürgten Rechten als freier Mann abzuschwören. Schließlich war er nur durch seine Herkunft aus den Nordstaaten der heutigen USA vor der Versklavung geschützt.

„Burch begann, mich mit dem Paddel zu schlagen. Schlag auf Schlag prasselte auf meinen nackten Körper nieder. Als sein unerbittlicher Arm müde wurde, stoppte er und fragte mich, ob ich immer noch darauf bestünde, ein freier Mann zu sein. Ich bestand darauf, und die Schläge wurden erneuert, schneller und härter – wenn überhaupt möglich – als zuvor. Wieder ermattet, wiederholte er die Frage, und die selbe Antwort erhaltend, setzte er seine grausame Arbeit fort“, berichtet Northup in dem Buch. Die Misshandlung sei solange fortgesetzt worden, bis er nicht mehr reden konnte.

Besondere historische Bedeutung erhielten Northups Schilderungen makabererweise durch einen zusätzlichen unangenehmen Umstand: Er wurde als Sklave mehrmals weiterverkauft. Der Bericht zeige folglich die Sklaverei in „all ihren Ausprägungen“, schreibt Herausgeber Wilson in seinem Vorwort: „Die Behandlung, die er in ‚Pine Woods‘ erhielt, zeigt, dass es unter den Sklavenhaltern humane Männer ebenso wie grausame gibt. Von einigen wird mit Dankbarkeit gesprochen – von anderen in einem Geist der Bitterkeit.“ Northup selbst machte in seinem Nachwort als einen Mangel seines Werks freilich aus, dass er überhaupt gewisse Bestandteile seiner Erlebnisse positiv darstellte.

Zwölf Jahre sollte es schließlich dem Buch zufolge dauern, bis Northup einem kanadischen Zimmermann seine Herkunft offenbaren konnte und juristische Hilfe aus den Nordstaaten erhielt. Unter anderem mehrere Tötungsversuche durch einen Sklavenhalter musste Northup zuvor überstehen. Am 22. Januar 1853 kehrte er in seine Heimat zurück und traf Frau und Kinder. „Sie umarmten mich, Tränen strömten über ihre Wangen, und hingen um meinen Hals. Aber ich hänge einen Schleider über diese Szene, die besser imaginiert als beschrieben werden kann“, berichtet Northup.

Wer sich auf den Film vorbereiten will, der kann das – mittlerweile gemeinfreie – Buch gratis aus dem Internet herunterladen. Auch für Kino-Abstinenzler ist das Werk, das mittlerweile wieder als Schlüssel zum Verständnis des Klassikers „Onkel Toms Hütte“ gilt, sicher einen Blick wert. Trotz seines Alters ist das Werk bisweilen erstaunlich spannend zu lesen. Und natürlich hat die Erzählung auch einen aktuellen Gehalt: Menschen, die nur in einem bestimmten Territorium frei leben können, und auf die jenseits der Grenze Folter und Verfolgung warten, gibt es schließlich immer noch.

Für Regisseur Steve McQueen war Northups Buch jedenfalls ein gefundenes Futter für einen lange vernachlässigten Stoff, wie er unlängst der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ verriet: „Ich hatte die Idee, einen Film über eine Entführung in der Sklavenzeit zu drehen. Dann sagte meine Frau: Warum suchst du nicht nach Geschichten aus erster Hand, nach Oral Histories? Sie fand schließlich diese unglaubliche Erzählung ‚Twelve Years a Slave‘. Da war meine Geschichte, bereits perfekt ausgeformt.“