Samy Deluxe: „Ich habe wenig Regeln in meinem Kopf“
Magazin
Publikum feiert zusammen mit der Band
Samsemilia, Herr Sorge oder Wickeda MC, Samy Deluxe hat viele Gesichter. Mit "Männlich" meldet sich der Hamburger Rapper zurück und löst wie einst schon Herbert Grönemeyer eine Debatte darüber aus, wann der Mann ein Mann ist. Im Interview mit spot on news hat Samy Deluxe erzählt, was ihn an manchen Medien nervt und welche Probleme er so hat.
Für sein insgesamt siebtes Studioalbum lässt sein bisheriges Leben Revue passieren und veröffentlicht Texte, so intim wie eine Operation am offenen Herz. Mit „Männlich“ macht er anderen Hip-Hop-Größen Konkurrenz und zeigt, dass auch ein alter Hase im Rap-Business noch eine Entwicklung durchmachen kann. Samy Deluxe hat vorab mit der Nachrichtenagentur spot on news gesprochen und erklärt, was es braucht um ein Album wie „Männlich“ zu produzieren.
Wieviel Größenwahn braucht es, um solche Texte zu schreiben?
Samy Deluxe: Das kommt immer drauf an. Bei Texten, wo vom Inhalt her der Größenwahn präsent ist, braucht man als Rapper auf jeden Fall gar nicht so viel, weil das eh irgendwie normal ist in unserer Kunstform. Nach so vielen Jahren es dann noch für sich ernst zu meinen, zu denken, man ist einer der besten Rapper des Universums, dann muss man in erster Linie nicht nur Größenwahn haben, sondern auch wirklich so gut sein, wie ich das von mir selbst denke, dass ich es bin. Rein technisch und sportlich gesehen, was man als Rapper so alles mit Sprache, mit Worten, mit Schnelligkeit und mit seiner Stimme darstellen kann, bin ich immer auf der Suche danach, mich selbst wieder herauszufordern und was noch Schnelleres oder Krasseres zu machen.
Ist es schwer für Sie, sich nach so langer Zeit, in der Sie schon Rapper sind, immer wieder etwas Neues einfallen zu lassen?
Deluxe: Ich bin ein Fan von so vielen Sachen. Es ist immer meine Natur gewesen, was Neues auszuprobieren oder das Ganze auch mal wieder zu reduzieren, auf das, was man schon tausend Mal gemacht hat und das nur in einer upgedateten Form nochmal zu machen. Das hat auch seinen Charme. Alten Hip-Hop-Flavour wieder aufleben zu lassen ist auch geil. Ich probiere einfach total gerne aus. Ich habe wenig Regeln in meinem Kopf. Oft habe ich an einem Tag Lust fünf verschiedene Sachen zu machen und dann mache ich das eben.
Haben Sie den Stress vermisst, den ein neues Album mit sich bringt, in der Zeit, in der Sie gerade nichts eigenes draußen hatten?
Deluxe: Es sind immer schöne Phasen. Man hat eine Zeit, in der man lange im Studio ist und wenig tourt. Letztes Jahr hatte ich echt wenig Auftritte aber das war auch mal super gut. Dafür habe ich jetzt wieder neue Inspirationen, einen neuen Flash mit meiner Band wieder auf Tour zu gehen und da ein richtig geiles Bühnenprogramm zu gestalten. Ab April sind jetzt schon circa 60 Auftritte gebucht und ich hoffe da kommen noch mehr. Sicher hat man nach all dem dann auch wieder Bock ins Studio zu gehen und zur Ruhe zu kommen. Das sind immer ganz gute Kreisläufe. Wenn man die Schnauze voll hat vom Studio, geht man auf Tour und umgekehrt.
In Ihrem Song „Blablabla“ rappen Sie „Journalismus ist tot“, warum?
Deluxe: Das Problem ist, dass ich ein zwiegespaltenes Verhältnis dazu habe. Ich mache keine Interviews mit der „Bild“-Zeitung und der „Bravo“ mehr, weil es mich einfach nervt. Man wird da auf so dumme und minimale Aussagen reduziert und es geht nicht wirklich darum, wie du als Mensch bist oder was dich als Künstler bewegt, sondern die wollen nur irgendeine blöde Schlagzeile aus dem Kram raus ziehen. Diese Art von Journalismus ist leider größer und massenpräsenter als niveauvoller und anspruchsvoller Journalismus. Das ist mein Statement.
Welche Auswirkungen hat das dann auf den Rap?
Ich sage auch oft, dass deutscher Rap am Arsch ist, weil die Künstler, die ich geil finde nicht die sind, die am Meisten verkaufen. Zu einer Kunstform, und Journalismus ist genau so eine Kunstform wie Musik, gehört dazu, dass es eine kommerzielle Elite gibt, die es abdeckt aber wahrscheinlich nicht die stilechteste ist oder nicht die prägendste für stylische Menschen. Ich wurde schon zu oft damit konfrontiert, wie dumm einfach die Leute, die in den Medien arbeiten denken, dass die Zuschauer sind. Ich schraube mein Niveau nicht runter, nur weil die denken, dass Zuschauer zu blöd sind, mich zu verstehen.
Sie nervt also eher die falsche Vermarktung?
Deluxe: George Clooney ist zum Beispiel einer der krassesten Menschenrechtler und da kommt ab und an mal ein Bericht drüber, aber viel öfter gibt es etwas über ihn zu lesen, weil er der hübscheste Mann der Welt ist. Das ist ja auch cool, ich freue mich für ihn, der sieht auch wirklich toll aus, aber der hat viel mehr zu bieten, als sein Aussehen.
Fühlen Sie sich auch falsch dargestellt?
Deluxe: Ich wünsche mir einfach mehr Plattformen auf denen über Wichtiges berichtet wird. Oft stehen die falschen Dinge im Fokus. Hätte ich mein Album später, vielleicht im Sommer, veröffentlicht, würden mich jetzt sicher alle im Interview auch noch zur Weltmeisterschaft befragen, dabei habe ich mit Fußball überhaupt nichts am Hut. Nur weil es dann den Nerv der Zeit trifft, muss plötzlich jeder über die WM reden. Die Medien richten sich eher nach einem Grundkonzept als danach, was für Menschen gut ist. Würden die Musiker das auch so machen, würde es bald nur noch Dieter-Bohlen-Musik geben, nur weil die sich gut verkauft.
Ein Titel Ihres Albums heißt „Probleme“. Was ist Ihr größtes Problem?
Deluxe: Das Witzige an diesem Song ist, dass er eigentlich keine Kernaussage hat. Die ganzen Probleme, die ich darin schildere sind einfach nur Szenarien, wie die, dass ich zum Beispiel einen Kolibri esse. Und obwohl es überhaupt nichts Reelles meines Lebens beschreibt, ist es irgendwie trotzdem richtig, weil eigentlich sind meine Probleme auch immer so Luxusprobleme. Fast jedes Mal, wenn ich denke: „Ich habe ein Problem“, dann ist es, nachdem ich es nochmal überdacht habe, verglichen mit dem, was andere Menschen auf der Welt für Probleme haben, ein krasses Luxusproblem. Mir fiel es super schwer aus hundert Songs die passenden für mein Album auszusuchen, dieses Problem ist kompletter Luxus.
Was ist das unmännlichste, was Sie je getan haben?
Deluxe: Ich habe mich noch nie dabei erwischt, dass ich gedacht habe: „Das ist jetzt extrem unmännlich.“ Es gibt Situationen in denen man sich wohler fühlt, als in anderen. Als ich das „Herr Sorge“-Projekt hatte, habe ich meine Nägel schwarz lackiert. Nach den Gigs habe ich das immer sofort wieder abgemacht aber irgendwann habe ich dann darauf geschissen und habe ihn drauf gelassen. Im Endeffekt habe ich mich nicht weniger männlich gefühlt, weil ich schwarzen Nagellack trug.