Roland Kaiser: DDR-Auftritt war „eine hochbrisante Angelegenheit“

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Roland Kaiser: DDR-Auftritt war „eine hochbrisante Angelegenheit“

Als gebürtiger Berliner hat Schlager-Star Roland Kaiser die Teilung Deutschlands hautnah miterlebt, und auch beim Mauerfall war er live dabei. Wenige Jahre davor wurde er eingeladen, in Ostberlin aufzutreten - gerade für einen Westberliner Musiker eine Seltenheit. Wie ihn das DDR-Publikum empfangen hat, erzählt Kaiser im Interview.

Im Jahr 2014 gab und gibt es einige wichtige Jubiläen zu begehen. Deutschland erinnert sich etwa an den Mauerfall vor 25 Jahren und die Schlagerwelt feiert unter anderem das 40-jährige Bühnenjubiläum von Sänger Roland Kaiser (62, ). Als gebürtiger Westberliner hatte Kaiser im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news zu beiden Themen einiges zu erzählen.

Sie durften 1987 in Ostberlin auftreten. Wie kam es dazu?

Roland Kaiser: Gerade als Westberliner waren wir damals unerwünschte Personen in der DDR. Die Westdeutschen durften hin, aber die Westberliner nicht. Zur 750-Jahrfeier der Hauptstadt der DDR bin ich dennoch vom Künstlerdienst der DDR eingeladen worden und durfte im Friedrichstadt-Palast drei Konzerte spielen, und eines davon wurde sogar im Fernsehen gezeigt.

War die Stimmung anders als bei einem Konzert im Westen?

Kaiser: Na klar, wenn man als sogenannter Westkünstler zum ersten Mal in der DDR aufgetreten ist, waren die Begeisterung der Menschen und ihr Zuspruch sehr groß. In meinem Fall habe ich das jedenfalls so erlebt. Für die 6.600 Plätze dort gab es laut Künstlerdienst der DDR über 200.000 Anfragen. Das war eine besondere Stimmung. Vor allem auch, weil ich, wenn Sie so wollen, gleich nebenan gewohnt habe, nur drei, vier Kilometer entfernt. Aber natürlich im anderen Land, das war eine hochbrisante, hochsensible Angelegenheit.

Wurde von offizieller Seite versucht, Ihre Show zu beeinflussen?

Kaiser: Nein, ich bin wahrscheinlich ein Künstler gewesen, der ihnen politisch keine Angst gemacht hat. Ich war Unterhaltungskünstler und habe die Bühne nicht nutzen wollen, um politische Statements abzugeben.

War da nicht die Versuchung da, während des Konzertes dann doch was zu sagen?

Kaiser: Ich habe kein politisches Pamphlet ausgerollt und das da vorgelesen. Aber wir hatten einige Lieder dabei, die man natürlich auch so fühlen konnte als Bürger der DDR. „Die Gefühle sind frei“, mit der Zeile „über Grenzen hinweg“, das war natürlich ein Lied, das bei den Menschen Emotionen geweckt hat. Und wenn man solche Moderationen gemacht hat wie ich, und gesagt hat: „Schön, mal hier zu sein, denn so weit hab ich’s ja nicht“, war das schon eine Äußerung, die den Leuten sehr nahe gegangen ist.

Wie haben Sie dann den Mauerfall erlebt?

Kaiser: Ich war damals für die Sendung „Der große Preis“ in Berlin. Als wir hinterher beim Essen zusammen saßen, kam ein Taxifahrer in das Restaurant und sagte, sie sei offen. Wir fragten: „Wer ist offen?“, und er sagte: „Die Mauer ist auf!“ Meine Freunde und ich sind dann gemeinsam zur Invalidenstraße gefahren und haben die Menschen dort in den Armen liegend gesehen, wie sie sich gefeiert haben. Für mich als Westberliner waren die Emotionen sehr groß, denn ich hatte den Mauerbau als Kind mitbekommen und nicht geglaubt, dass ich erleben werde, dass dieses Bauwerk wieder fällt.

Ist Deutschland nun nach 25 Jahren wirklich eine Einheit?

Kaiser: Wir sind immer noch auf dem Weg, aber es ist bereits viel passiert. Wichtig ist, dass wir vor allem auch sprachlich selbstverständlich umgehen mit der Situation und nicht mehr von „neuen“ und „alten“ Bundesländern reden. Wenn ich unterwegs bin, bin ich immer bemüht zu sagen: Ich bin in Sachsen, ich bin in Sachsen-Anhalt, ich bin in Bayern oder ich bin in Baden-Württemberg, aber nicht, ich bin in den alten oder neuen Bundesländern. Die Normalität der Sprache bringt auch die Normalität des Denkens. Wir leben in einem Land und sollten das Ewiggestrige ablegen. Es gibt 16 Bundesländer. Normalität, im Denken, im Sprechen, im Handeln.

Sie haben dieses Jahr Ihr 40-jähriges Bühnenjubiläum gefeiert, ein neues Album veröffentlicht und natürlich einige Konzerte gegeben. Was ist Ihr bisheriges Fazit zum Jahr 2014?

Kaiser: Ich habe mich für das Jubiläum nicht gefeiert, es allerdings erfreut zur Kenntnis genommen. Man feiert sich ja nicht selbst, das überlasse ich anderen. Man kann sich schließlich nicht aussuchen: So, ich fange jetzt in dem Beruf an und mache das 40 Jahre. Die Menschen entscheiden darüber, ob man das machen kann oder nicht. Und das Publikum hat nun entschieden, dass es mich auch im 40. Jahr noch hören möchte und dafür feiere ich bei meinen Konzerten das Publikum!

Sie haben ursprünglich eine kaufmännische Ausbildung gemacht und nur nebenbei gesungen. Haben Sie sich jemals gewünscht, Sie wären bei einem regulären Job geblieben?

Kaiser: Mein Job ist ja nicht irregulär, mein Beruf als Sänger ist ja auch gepaart mit vielen anderen Facetten, die nichts mit Gesang und Unterhaltung zu tun haben. Ich habe viele soziale Engagements übernommen, die ich auch gewissenhaft wahrnehme und die mit Singen nichts zu tun haben. Ich habe als Texter auch für Kollegen geschrieben, war selbst TV-Produzent, also ich habe schon einen interessanten Job gehabt in meinem Leben, keine Frage! Ich hab es nicht bereut, nein.

Gibt es eine Phase Ihrer Karriere, auf die Sie besonders gern zurückblicken?

Kaiser: Nein, ich freue mich auf das, was kommt. Ich schaue nicht gerne zurück, lieber nach vorne.

Welches war die schwierigste Zeit in Ihrer Laufbahn?

Kaiser: Sicherlich die Zeit, in der ich meine Erkrankung hatte, keine Frage. (Anm.: Kaiser litt von 2000 bis 2010 an einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung)

Sie haben dann eine neue Lunge bekommen und sind seitdem auch als Botschafter in Sachen Organspende unterwegs. Wie kann man nach dem Verteilungsskandal das Vertrauen der Menschen zurückgewinnen?

Kaiser: Information, Information, Information. Ich versuche immer, die Menschen zu einer Entscheidung zu bewegen. Das muss ja nicht pro Organspende sein, aber eine Entscheidung sollten sie bitte treffen. Mir wäre natürlich am liebsten, sie würden sagen, ja, ich werde Organspender, aber es geht vor allen Dingen darum, dass sie sich überhaupt eine Meinung bilden und eine Entscheidung treffen. Man muss sich im Leben so oft entscheiden. Da müsste man doch auch Verantwortungsgefühl zeigen können. Wenn man diese Frage offen lässt, müssen die Hinterbliebenen, die dann bei Hirntod mit dem Schmerz über den Verlust belastet genug sind, innerhalb von kurzer Zeit entscheiden, ob mit den Organen Leben gerettet werden dürfen, ohne zu wissen, ob man das wollte.

Schlager ist derzeit so populär wie schon lange nicht. Wie erklären Sie sich diesen Boom?

Kaiser: Ich weiß nicht ob das ein Schlager-Boom oder ein Helene-Fischer-Boom ist. Ich glaube nicht, dass es ein Schlager-Boom ist, das wird mal wieder hochstilisiert. Wie kommen Sie darauf?

Nun ja, zurzeit schneiden ja auch andere Schlagerkünstler in den Charts gut ab…

Kaiser: Gucken Sie hinter die Zahlen und versuchen Sie zu analysieren, welche gesellschaftlich-kulturelle Bedeutung das Ganze hat. Wir haben vielleicht eine Hinwendung der Menschen zurück zur eigenen Sprache, auch zur Unterhaltung in der eigenen Sprache. Und durch Top-Stars wie Helene Fischer rückt in diesem Zuge die Schlager-Branche auch wieder mehr in den Fokus. Aber ich würde das nicht als Boom bezeichnen. Das ist, glaube ich, nur ein Helene-Fischer-Boom.

Welche Schlagersänger der heutigen Generation werden wir in 40 Jahren noch auf der Bühne sehen?

Kaiser: Ich bin kein Hellseher. Ich weiß nicht, ob Helene mit 70 noch singen will, das müssen Sie sie selbst fragen. Soweit voraussehen kann kein Mensch. Karrieren lassen sich heute wahrscheinlich schwerer langfristig aufbauen, weil die Medien in ihrer Geschwindigkeit und auch Kurzlebigkeit der Nachrichten extrem angezogen haben. Ich glaube, es wird schwieriger sein, in Zukunft Stetigkeit zu produzieren wie im Falle von Udo Jürgens, der seit über 60 Jahren erfolgreich auf der Bühne steht.