„RoboCop“: Gelungene Neuinterpretation eines Klassikers

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„RoboCop“: Gelungene Neuinterpretation eines Klassikers

Die Film-Gemeinde im Internet gibt sich seit einiger Zeit ähnlich tolerant und aufgeschlossen wie religiöse Fundamentalisten. Ben Affleck als Batman? Shitstorm! Charlie Hunnam in "Fifty Shades Of Grey"? Online-Petition! "RoboCop"-Neuverfilmung freigegeben ab 12 Jahren? Boykott! Dabei gilt zumindest in letzterem Fall: nicht so vorschnell.

Ein „RoboCop“-Remake? Pah! Schon kurz nachdem die ersten Trailer und Bilder veröffentlicht wurden, hatten Kritiker in den sozialen Netzwerken ihr wenig schmeichelhaftes Urteil gefällt. Viel zu sauber, viel zu nett und überhaupt: Es gibt keinen RoboCop ohne Paul Verhoeven. Der niederländische Regisseur hatte 1987 Schauspieler Peter Weller als Blechpolizist auf die Leinwand geschickt. Der Film avancierte als ebenso sozialkritischer wie satirisch-blutiger Alptraum zum Genre-Klassiker. Die ungekürzte Fassung wurde erst Ende 2013 nach über 20 Jahren vom Index gestrichen, was natürlich ebenfalls zur Legendenbildung beitrug. José Padilhas „RoboCop“ erscheint nun in Deutschland mit FSK 12-Freigabe – was wiederum nur die Vorurteile gegen die Neuauflage befeuerte.

Nun ist eine gesunde Portion Skepsis gegenüber Remakes natürlich nicht völlig unbegründet, die Liste der Enttäuschungen ist schließlich lang. Erst 2012 wurde mit „Total Recall“ ein Verhoeven-Meilenstein aus den frühen 90ern eindrucksvoll in den Sand gesetzt. Das lag aber nicht daran, dass der Streifen ein schlechtes Remake gewesen wäre – es war einfach ein schlechter Film.

Manchmal ist aber nicht die verkorkste Version eines Klassikers schuld daran, wenn der Kinobesucher verbittert die Fingernägel in den Sessel krallt. Denn wer sich nur deshalb ein Remake ansieht, um es permanent am Original zu messen oder eine alte Geschichte in neuem Gewand zu sehen, wird in der Regel immer enttäuscht sein. Im aktuellen Fall von „RoboCop“ bedeutet das: Wer es schafft, sich für zwei Stunden von seinen Vorurteilen zu lösen, den erwartet einer der besten Science-Fiction-Filme der letzten Zeit.

Im Krieg gegen den Terror setzen die USA auf unbemannte Drohnen und Kampfroboter des Megakonzerns OmniCorp. Während das Geschäft im Ausland prächtig läuft, verhindert ein Gesetz, dass die Roboter auch zur lokalen Verbrechensbekämpfung im eigenen Land eingesetzt werden dürfen. Um die Öffentlichkeit auf seine Seite zu ziehen und das Gesetz zu kippen, möchte OmniCorp-Boss Raymond Sellars (Michael Keaton) seinen Maschinen ein menschliches Antlitz verleihen. Denn die Bevölkerung will keine anonymen Roboter, sondern menschliche Helden, die wie Roboter funktionieren.

Zu dieser Zeit versucht der engagierte Polizist Alex Murphy (Joel Kinnaman) die steigende Kriminalität und Korruption in seiner Heimatstadt mit allen verfügbaren Mitteln zu bekämpfen. Als er im Dienst durch eine Explosion schwer verletzt wird, ist dies für OmniCorp die Gelegenheit, seine umstrittene Technologie endlich zum Einsatz zu bringen.

Verhoeven zeichnete die düstere Dystopie einer Zukunft, die damals tatsächlich noch in weiter Ferne lag: Außer Kontrolle geratener Privatisierungswahn, ein allmächtiger Großkonzern der nach Belieben über die Stadt Detroit regiert und die Medien kontrolliert und natürlich: wandelnde Polizeiroboter. Auch Padilha setzt für seinen RoboCop die Handlung in der Zukunft an, doch nichts, was im Jahr 2028 passiert, scheint uns noch all zu fremd oder unvorstellbar zu sein. Roboter, die in Krisengebieten patrouillieren, sind von der derzeitigen, realen Drohnen-Diskussion nicht so weit entfernt.

Samuel L. Jackson gibt den rechtspopulistischen Talkmaster und Kriegstreiber Pat Novak, der OmniCorps Roboter als Segen für Amerika anpreist und deren Gegner als fortschrittsfeindlich und unpatriotisch abkanzelt. Manchmal schießt der Film hier zwar etwas über das Ziel hinaus, andererseits sind die moralischen Fragen, die Novak aufwirft, durchaus aktuell und diskutabel: Wäre es nicht wünschenswert, dass Soldaten und Polizisten im Einsatz nicht mehr um ihr Leben bangen müssen? Würden wir nicht alle von der vollständigen Automatisierung profitieren, wenn Verbrechen dadurch schneller, effizienter und unblutiger aufgeklärt und verhindert werden könnten? Dem gegenüber steht der Politiker Dreyfus, der genau diese Automatisierung verhindern möchte, denn: Wer übernimmt die Verantwortung, wenn eine Maschine einen Fehler macht?

Anders als Verhoeven betrachtet Padilha nicht nur sehr aktuelle gesamtgesellschaftliche Fragen. Er räumt Murphys persönlicher Geschichte wesentlich mehr Raum und Ernsthaftigkeit ein, als das im 87er-Film passierte. Als er schwer verwundet wird, steht seine Frau vor der Wahl, ihren Mann sterben zu lassen oder ihn für ein Experiment freizugeben – und ihn so wenigstens ein bisschen am Leben zu lassen. Zu welchem Preis sie sich schließlich für Letzteres entscheidet, wird in einer gleichermaßen beeindruckenden wie bedrückenden Szene deutlich: Murphy bittet seinen „Schöpfer“, den Wissenschaftler Dr. Dennett Norton (Gary Oldman), sich selbst im Spiegel sehen zu dürfen – ohne seinen Hightech-Anzug. Aber außer Kopf, Herz, Lunge und einer Hand ist da nichts.

Keine Angst, „RoboCop“ macht auch Spaß. Neben einigen trockenen Onelinern beginnt Murphy in der zweiten Filmhälfte, die Verschwörung, die ihn zur Maschine gemacht hat, aufzuklären und zerpflückt dabei eindrucksvoll einige ED 209 Kampfroboter. Von einer Material-Schlacht á la Michael Bay ist man hier glücklicherweise weit entfernt, lediglich zu Beginn und Ende des Films rummst es ein paar Mal gewaltig. Die explizite Gewaltdarstellung hatte bei Verhoeven eine dramatische Funktion – nicht zuletzt weil sein Film wesentlich satirischer und überdrehter war. Bei Padilha wären solche Splatter-Einlagen schlicht fehl am Platz. Wer explodierende Gliedmaßen und in Säure aufgelöste Körper also nicht um ihrer selbst willen sehen möchte, wird sie hier auch nicht vermissen.

Fazit: José Padilha hat mit seinem „RoboCop“ ein eigenständiges und gelungenes Sci-Fi-Drama geschaffen, das sich nicht hinter Paul Verhoevens Film zu verstecken braucht. Beide Werke können wunderbar nebeneinander bestehen. Ganz einfach deshalb, weil es sich hier nicht um ein klassisches Remake, sondern eher um eine Neuinterpretation, handelt. Padilha wählt einen anderen Ansatz für seine Geschichte: weniger anarchisch, weniger satirisch, weniger brutal – aber nicht schlechter.