Richard Kruspe: „Schlager macht mich krank“

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Richard Kruspe: „Schlager macht mich krank“

Rammstein-Gitarrist Richard Kruspe mag seine Musik auch privat lieber "dreckig, emotional und fies", wie er spot on news verrät. Dass sich das auch auf dem neuen Album seiner Zweitband Emigrate bemerkbar macht, ist ebenso klar wie die Tatsache, dass aus Kruspe kein Schlagerfan mehr wird.

Wenn bei Rammstein mal Leerlauf herrscht, legt sich Gitarrist Richard Kruspe (47) noch lange nicht auf die faule Haut. Die aktuelle Pause hat er für „Silent So Long“ genutzt, das zweite Album seines Nebenprojekts Emigrate. Der Titel trifft den Nagel auf den Kopf, denn seit dem Debüt sind stolze sieben Jahre vergangen. Ob es bis zum nächsten Emigrate-Album wieder so lange dauert und ob wir bald wieder etwas von Rammstein zu hören bekommen, hat Kruspe der Nachrichtenagentur spot on news verraten.

Warum haben Sie bis zum zweiten Album von Emigrate sieben Jahre gewartet?

Richard Kruspe: Während der sieben Jahre haben wir immer wieder an verschiedenen Ideen weitergearbeitet, aber wir wollten auf den richtigen Zeitpunkt warten und uns selbst keinen Druck machen. Dazu kommt, dass ich einfach viel mit Rammstein beschäftigt war.

Warum ist jetzt der richtige Zeitpunkt?

Kruspe: Manche Dinge brauchen ihre Zeit um zu wachsen und gut zu werden. Als ich Emigrate gegründet habe, hatte das viel mit dem Wunsch zu tun, mir eine Arbeitsweise zu ermöglichen, die mir in der Rammstein-Welt manchmal fehlt. Ich wollte freier und mit anderen Menschen arbeiten können. Ich habe bei Emigrate immer nach einem bestimmten Sound gesucht. Als der erste Track des neuen Albums fertig war, war ich nicht zufrieden. Ich wollte, dass es „tiefer“ und „dreckiger“ klingt. So ging die Zeit vorbei. Rammstein haben ein neues Album veröffentlicht und wir sind viel getourt. Auch in meinem Privatleben hat sich viel getan. Ich bin Vater geworden und auch deshalb von New York zurück nach Berlin gezogen. Für uns als Eltern war klar, dass das für unsere Tochter ein besserer Ort wäre, um aufzuwachsen. Nach alldem habe ich mich bereit gefühlt, eine neue Platte zu machen.

Folgt dem zweiten Album noch ein drittes?

Kruspe: Wir haben schon neun neue fertige Songs, ich muss nur noch drei weitere schreiben und dann wird es ein drittes Album geben. Es wird also nicht noch einmal sieben Jahre dauern.

Wie würden Sie die Musik von Emigrate mit drei Wörtern beschreiben?

Kruspe: Dreckig, emotional, fies.

Welche Musik hören Sie noch, außer Rock?

Kruspe: Ich höre im Moment gar keine Musik. Wenn ich den ganzen Tag Musik mache, kann ich am Ende des Tages keine andere Musik mehr hören. Aber was ich sonst höre, ist unterschiedlich. Ich bin nicht der große Fan von klassischer Musik oder Reggae, aber ich mag die Siebzieger sehr.

Was denken Sie über Pop-Musik?

Kruspe: Es gibt Pop-Musik die ich wirklich mag, aber auch Sachen mit denen ich gar nichts anfangen kann, wie zum Beispiel Schlager. Das kann ich mir einfach nicht anhören, das ist so weit weg von dem was ich tue und gut finde. Schlager macht mich krank. Was diese Stars verkörpern ist für mich nicht real. Ich war bei einer Show von Justin Timberlake in Berlin. Als ich ihn auf der Bühne gesehen habe, dachte ich:“Der Typ könnte alles machen“. Er spielt Gitarre, Klavier und singt, er ist wirklich ein cooler Typ. Aber ich habe die Ecken und Kanten vermisst, wie bei anderen Musikern, wie zum Beispiel bei Jonny Cash.

Was ist der Unterschied zwischen Rammstein und Emigrate?

Kruspe: Rammstein ist richtig deutsch, angefangen mit der Sprache, aber auch der Sound ist sehr deutsch, Emigrate ist viel internationaler. Wir singen auf Englisch und wir haben Bandmitglieder aus verschiedenen Ländern. Ich mag es, so offen wie möglich zu sein und das ist Rammstein manchmal nicht.

Wo sehen sie Emigrate in zehn Jahren?

Kruspe: Ich kann Emigrate nur im Jetzt sehen, ich hätte nie gedacht, dass die Band einmal da stehen würde, wo sie jetzt steht. Man weiß nie, was in der Zukunft passiert. Ich bin ein Mensch der immer Plan A, B, C, D hat, und dann kommt das Leben und stellt alles auf den Kopf.

Wann ist mit einem neuen Rammstein-Album zu rechnen?

Kruspe: Wir haben keinen bestimmten Plan. Wir treffen uns ein paar Mal im Jahr. Gerade haben wir eine Woche zusammen verbracht, und darüber gesprochen, wie es mit der Band weitergeht – im Moment bleiben wir erstmal in einer Auszeit. Nächstes Jahr treffen wir uns wieder und dann werden wir sehen, wie die einzelnen Bandmitglieder die Dinge sehen. Das ist das Gute an Rammstein. Wir unterwerfen uns keinem Druck, jedes Jahr ein neues Album zu veröffentlichen. Uns ist wichtiger, dass sich der Einzelne wohlfühlt. In dieser Hinsicht darf ein Künstler egoistisch sein, denn nur dann ist er authentisch.

Woher nehmen Sie die Inspiration, in jeder freien Minute Songs zu schreiben?

Kruspe: Ich lebe so intensiv wie möglich. Ich glaube jeder ist für etwas geboren. Ich liebe es, Dinge zu kreieren und habe die Musik zu meinem Handwerk gemacht. Mir ist es wichtig, mich selbst immer wieder herauszufordern. Etwas Neues zu versuchen, und auch Fehler zu machen.

Wann haben Sie angefangen, Musik zu machen?

Kruspe: Ich bin im Osten Deutschlands aufgewachsen und habe Musik schon immer geliebt, leider hatte ich dafür keine Unterstützung von meinen Eltern. Mein Musiklehrer sagte, dass ich Talent habe und auf eine Musikschule gehen sollte, aber in Ostdeutschland war alles nur auf Sport ausgelegt und meine Eltern meinten, ich solle lieber meinem Bruder nacheifern – der war Wrestler. Das habe ich dann auch etliche Jahre getan.

Stimmt es, dass Sie Gitarre spielen lernten, um Mädchen zu beeindrucken?

Kruspe: Mit 16 oder 17 hatte ich Freunde die gerne viel tranken, das habe ich nie gemacht. Mir was also einerseits ziemlich langweilig, wenn meine Kumpels betrunken waren und andererseits hatte ich immer Geld, weil ich es nicht für Alkohol ausgegeben hatte. Einmal waren wir campen in Prag, meine Kumpels waren betrunken und ich bin einfach die Straßen entlang gelaufen und kam an einem Musikladen vorbei. Ich kam auf die Idee, dort eine Gitarre zu kaufen, um sie dann in Ostdeutschland weiter zu verkaufen. Als ich wieder am Campingplatz war, sah mich ein Mädchen mit der Gitarre und hat mich gefragt, ob ich ihr etwas vorspielen könnte, aber ich konnte es nicht. Sie hat mich so genervt, dass es irgendwie „klick“ gemacht hat. Auf dem Rückweg hat mir im Zug jemand drei Akkorde gezeigt und ich habe angefangen zu spielen.