Rea Garvey: „Die Musik hat mir den Mittelfinger gezeigt“

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Rea Garvey: „Die Musik hat mir den Mittelfinger gezeigt“

Rea Garvey ist mit einem neuen Album zurück. Im Gespräch mit spot on news verrät der irische Sänger, warum "Pride" eine schwere Geburt war und wer Nenas Platz bei "The Voice of Germany" einnehmen könnte.

Nach zwei Staffeln als Juror bei der Casting-Show „The Voice Of Germany“ widmet sich Rea Garvey nun wieder seiner eigenen Musik. Auf „Pride“ bekennt sich der ehemalige Reamonn-Sänger mehr denn je zu seinen irischen Wurzeln. Wieso der Weg zum neuen Album so steinig war und warum er „The Voice“ als Zuschauer treu bleibt, erklärt der 41-Jährige im Interview mit spot on news.

Seit dem 2. Mai ist Ihre neue Platte „Pride“ auf dem Markt. Sind Sie immer noch aufgeregt, wenn ein Album erscheint?

Rea Garvey: Ich bin komischerweise aufgeregter als beim letzten Album. Das liegt daran, dass diese Platte mehr von mir abverlangt hat. Es war diesmal ein enorm langer Prozess und eine schwierige Zeit. Und dann entscheidet sich nach eineinhalb Jahren Songwriting auf einmal ziemlich viel in sehr kurzer Zeit.

Aber ohne diese Nervosität wäre das Musikerdasein auch nur halb so schön, oder?

Garvey: Gerade bei Konzerten mag ich dieses Gefühl vom Kribbeln im Bauch, denn ich setze das alles in positive Energie um. Ich kann das Publikum zwar nicht vor der Show anschauen, aber in der Sekunde, in der ich auf die Bühne gehe, explodiert alles in mir.

An was denken Sie genau, wenn Sie auf die Bühne gehen?

Garvey: Ich bete und erinnere mich an die Menschen, die ich liebe. Wenn ich an diese Personen und vor allem auch an meine Familie zu Hause in Irland denke, werde ich immer ganz ruhig. Vor allem liebe ich aber das, was ich hier mache. Es bringt nichts Lieder zu singen, hinter denen man nicht selbst voll und ganz steht. Zweifelsohne, Vorbestellungen und Airplay-Charts sind spannend, aber wenn es um die pure Musik geht, bin ich völlig gelassen.

Wie bei Ihrer ersten Single „Can’t say no“ unschwer zu hören ist, binden Sie auf diesem Album auch Ihre irischen Wurzeln mit in die Musik ein. Warum passiert das jetzt erst?

Garvey: Wenn ich das wüsste. Ich hatte mich lange Zeit dagegen gewehrt, weil man einfach so schnell in eine Schublade gesteckt wird. Ich bin Ire, das kann ich nicht verbergen, aber ich wollte nicht gleich am Anfang mit der Kelly Family verglichen werden. Es war wichtig für mich, mich als eine Art universeller Rockmusiker zu etablieren und nicht bloß der Ire zu sein, der nur Folklore kann, nur weil er von der grünen Insel kommt.

„Pride“ beinhaltet viele autobiografische Anekdoten. Sie sind glücklich verheiratet, haben zwei Kinder, inspirieren Sie Ihre Frau und die Liebe zu ihrer Familie auch beim Schreiben?

Garvey: Als ich meine Frau Josephine kennengelernt habe, schrieb ich innerhalb von fünf Tagen den Text von „Supergirl“. Ich denke, wenn man einmal die große Liebe gefunden hat, wirkt diese immer inspirierend und findet sich in den Texten wieder.

Auch „Candlelight“ erzählt eine ganz persönliche Geschichte, worum geht es genau?

Garvey: Dieses Lied habe ich meinem Vater gewidmet. Ich war als Teenager schwer krank und war nicht sicher, ob ich lebend wieder aus dem Krankenhaus herauskomme. Mein Vater hat mir damals die Stärke gegeben weiterzukämpfen. Seitdem kommt Aufgeben nicht in Frage. Aber wir machen uns so soft unbegründet so viele Sorgen. Mein Vater hat mich gelehrt, mich nicht mit dem Tod zu beschäftigen, sondern mit dem Leben. Dafür danke ich ihm. Bisher habe ich dafür einfach nicht die Sprache gefunden, wofür mir dieses Album nun die Plattform bietet.

Warum hat es so lange gedauert, bis das Album fertig war?

Garvey: Ich brauche generell in Allem sehr lang, aber dann ist es für die Ewigkeit. Mit „Pride“ bin ich wie gegen eine Wand gelaufen. Ich dachte mir, das ist jetzt das siebte Studioalbum und ich mache das mit links. Aber mit dieser Einstellung bin ich schön auf die Fresse gefallen. In dem Moment, als ich davon überzeugt war, alles würde funktionieren, hat mir die Musik den Mittelfinger gezeigt. So musste ich in dieser Zeit erst lernen, Geduld zu haben und sich Musik erst einmal wieder zu verdienen.

Apropos: Sie sind 1998 nach Deutschland gekommen und haben als Merchandiser und später als Roadie für andere Bands ihr Geld verdient. Eine harte Zeit?

Garvey: Wir haben auf dem Boden geschlafen und aus dem Rucksack gelebt. Ich möchte diese Zeit nicht missen, aber es war eigentlich scheiße. Doch ich wollte es so und habe damals wieder mir selber die Stärke geben müssen, es durchzuziehen. Trotzdem habe ich in dieser Phase immer wieder gebetet, selber musikalisch erfolgreich zu werden und auf Tour gehen zu dürfen.

Sie haben daraufhin Ihr Glück selbst in die Hand genommen und ihre späteren Bandkollegen von Reamonn via Zeitungsannonce gefunden. Würden Sie das heute noch genauso machen oder doch eher Ihre Karriere in einer Casting-Show starten?

Garvey: Was früher der traditionelle Weg war, ist heute Youtube oder die Casting-Show. Durch diese Formate bekommt man natürlich erstmal die Aufmerksamkeit und die Unterstützung, aber danach ist es genauso harte Arbeit, im Geschäft zu bleiben. Ich für meinen Teil hätte alles gemacht, solange ich mir treu geblieben wäre. Ich bin jetzt in der glücklichen Situation, mein Geld damit zu verdienen, aber in Zeiten von illegalen Downloads ist es umso schwieriger für die Künstler geworden.

Sie waren zwei Jahre Jury-Mitglied bei „The Voice of Germany“. Schauen Sie sich die Show auch jetzt noch an?

Garvey: Ich finde die Show super. Was soll man sonst im Fernsehen schauen? Es gibt so wenig, was man als Familie zusammen genießen kann. Es ist einer der wenigen Shows, in denen man sich nicht permanent fremdschämen muss, ohne Drogenprobleme und irgendwelche dramatischen Schicksalsgeschichten. Jeder von uns hat doch seine eigenen Geschichten.

Nena hat die „Voice“-Jury verlassen. Wer könnte sie denn ersetzen?

Garvey: Ich bin ein großer Fan von Joy Denalane. Sie ist eine wahnsinnige Sängerin und hat zudem auch eine Meinung, die sie kundtut. Sie wäre für mich eine große Bereicherung für die Show.

Was schmeckt besser: Guinness oder deutsches Bier?

Garvey: Das Schöne ist, dass man beides haben kann. Aber ich trinke Guinness nur zu Hause in Irland. Vielleicht bilde ich es mir ein, aber es schmeckt hier irgendwie anders. Doch am Ende des Tages gibt es nichts Besseres als richtiges Landbier. Eine kleine Brauerei mitten im Nirgendwo, da bin ich als erster angemeldet und ziehe gleich morgen ein.