Prof. Dr. Ingo Froböse: „Wer abnehmen will, muss essen“

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Prof. Dr. Ingo Froböse: „Wer abnehmen will, muss essen“

Allen, die nicht mehr abnehmen können, weil zahlreiche Diäten den Stoffwechsel aus dem Takt gebracht haben, will Prof. Dr. Ingo Froböse mit "Das Turbo-Stoffwechsel-Prinzip" einen Ausweg aufzeigen. Warum Diäten den Körper in eine Art "Selbstkannibalismus" treiben, verrät er im Interview mit spot on news.

Für viele steht der Strandurlaub vor der Tür. Doch wer noch schnell abnehmen will, gerät häufig in die Diät-Falle. Der Stoffwechsel kommt aus dem Takt. Mit seinem Buch „Das Turbo-Stoffwechsel-Prinzip“ (GU, 176 Seiten, 19,99 Euro) hat Prof. Dr. Ingo Froböse einen Ratgeber verfasst, der dem Abhilfe schaffen will. Wie „Wunder-Diäten“ dem Körper schaden, wie viel man im Monat tatsächlich an Kilos verlieren kann und wie sich das Gewicht auf gesunde Weise reduzieren lässt, verrät er im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news.

Immer wieder werden neue „Wunder-Diäten“ angepriesen. Wie viel Schaden richtet es an, wenn man immer nur für kurze Zeit seine Ernährung umstellt?

Prof. Dr. Ingo Froböse: Wer regelmäßig diätet, fügt seinem Körper erheblichen Schaden zu. Durch die mit den Diäten einhergehende massive Kalorieneinsparung oder völlig einseitige Mangelernährung fährt der Körper seinen Stoffwechsel herunter und stellt den Körper auf „Energiesparmodus“. Bei häufigem Diäthalten kann dieser Sparmodus sogar bis zu zwölf Monate anhalten. Der Stoffwechsel ist dann im wahrsten Sinne des Wortes abgewirtschaftet. Und das betrifft nicht nur den Stoffwechsel der Leber, des Gehirns oder der Muskeln, sondern den Stoffwechsel jeder einzelnen unserer 60 Billionen Zellen. Schwerwiegende Folgen sind, dass das Erbgut, also die Gene, angegriffen und verändert werden. Die Funktionen der Körperzellen werden umprogrammiert und zum Teil fehlreguliert. Die Unterversorgung mit Mineralien, Vitaminen und Spurelementen wird sogar von einigen Forschern als Verstärker aller Fehlfunktionen unserer Körperzellen gesehen. Wenn der Stoffwechsel dauerhaft niedrig ist, kann er sich nachhaltig negativ verändern und dann für zahlreiche Probleme und sogar Erkrankungen verantwortlich sein, wie zum Beispiel Schilddrüsenerkrankungen oder das metabolische Syndrom. Also Finger weg von „Wunder Diäten“!

Ist schnelles Abnehmen überhaupt möglich?

Froböse: Crash-Diäten, die auf eine schnelle Gewichtsreduktion abzielen (z.B „3 Kilo in nur 7 Tagen“), führen nicht wie oft vermutet zum Verlust von Fett. Ganz im Gegenteil kommt es vor allem zum Gewichtsverlust auf Kosten anderer wichtiger Strukturen und von Wasser. Da der Körper sich in massivem Hungerzustand befindet, bildet der Stoffwechsel über komplexe biochemische Prozesse neue energiereiche Kohlenhydrate über den Abbau von Muskelmasse. Das ist aber genau der falsche Weg, denn gerade Muskeln sind die besten Helfer, um den Stoffwechsel wieder anzukurbeln. Diäten treiben den Körper in eine Art „Selbstkannibalismus“. Durch die verringerte Nahrungszufuhr wird im Körper eine Reaktion ausgelöst, bei der alle überlebenswichtigen Funktionen auf Sparflamme heruntergefahren werden. Der Energieverbrauch des Stoffwechsels kann nach einer Diät um bis zu 50% niedriger sein als zuvor. Beendet man die Diät, wird er aber nicht schnell wieder hochgefahren, sondern bleibt oft über Monate auf diesem niedrigen Status. Mit der fatalen Folge, dass man, wenn man wieder normale Mahlzeiten zu sich nimmt, schnell die verlorenen Pfunde zurückerlangt. Viele wiegen nach der Diät sogar mehr als vorher: Der Jojo-Effekt hat zugeschlagen. Damit der Körper Fett verbrennen und gleichzeitig Muskelmasse aufbauen kann, benötigt er Energie. Abnehmwillige müssen also zum einen Geduld beweisen und als aller erstes ihren „Motor“ über Muskeltraining in Schwung bringen und den Stoffwechsel ankurbeln. Mehr als 1,5 bis 2 kg Gewichtsabnahme pro Monat kann der Organismus nicht gut wegstecken. Gesundes und nachhaltiges Abnehmen benötigt also Zeit.

Mit Ihrem Buch „Das Turbo-Stoffwechsel-Prinzip“ geben Sie Tipps, wie man den Körper „dauerhaft auf schlank umstellt“. Wie wichtig ist es für jemanden, der abnehmen will, seinen Stoffwechsel zu kennen?

Froböse: Es ist von zentraler Bedeutung, um wirklich nachhaltig abzunehmen. Führt man dem Körper zu wenig Energie zu, so wird der Stoffwechsel wie oben beschrieben nicht ausreichend versorgt und das wird früher oder später zum Jojo-Effekt führen. Zu viel zugeführte Energie bedeutet natürlich eine Gewichtszunahme. Deshalb ist es wichtig, den Energiebedarf des Stoffwechsels zu verstehen. Ganz oben auf der Liste des Verbrauchs stehen nicht Sport oder schwere körperliche Arbeit. Die meiste Energie, nämlich 60 bis 70%, verbraucht der Körper beim Nichtstun. Das ist der sogenannte Grundumsatz, der für die Aufrechterhaltung der vitalen Grundfunktionen des Körpers, wie Atmung und Herzschlag, benötigt wird. Der Grundumsatz ist umso höher, je mehr Muskelmasse und je mehr Zellkraftwerke vorhanden sind. Somit kann man über Muskelaufbautraining den Körper auch in Ruhe für sich arbeiten lassen. Über ein regelmäßiges Ausdauertraining können Sie zusätzlich dafür sorgen, dass jede einzelne Zelle über eine Zunahme der Zellkraftwerke mehr Energie verstoffwechseln kann. Das macht Sie in Folge der Trainingsanpassung nicht nur während des Sports leistungsfähiger, sondern lässt jede Zelle auch in Ruhe effektiver für Sie arbeiten. Ihr Grundumsatz wird somit höher, Sie nähern sich Schritt für Schritt dem Turbo-Stoffwechsel.

Wer abnehmen will, muss dem Körper weniger Energie zuführen, als er verbraucht – eigentlich ein einfaches Prinzip, das für viele Menschen aber vor allem Kalorienzählen bedeutet. Führt irgendwas daran vorbei?

Froböse: Natürlich muss jemand, der abnehmen will, darauf achten, was und vor allem wie viel er isst. Das sollte aber nicht mit Hungern und übertriebenem Kalorienzählen verbunden sein. Wichtig ist es, seinen Grundumsatz zu kennen, um abschätzen zu können, wie viel am Tag man ohne Bedenken essen kann. Dann sollte man über Sport und Bewegung seinen Leistungsumsatz steigern und darüber dann den Körper zum Abnehmen bewegen. Wichtig ist es, normal zu essen und die Umsatzrate über Bewegung zu steigern, nicht über das Einsparen von Kalorien über die Ernährung. Wer abnehmen will, muss essen. So absurd das klingt. Nur so können Muskeln aufgebaut und ein Turbo-Stoffwechsel erreicht werden.

Ist es mit veganer oder vegetarischer Ernährung schwerer, Muskeln aufzubauen und damit effektiver abzunehmen?

Froböse: Generell sind mit einer vegetarischen oder veganen Ernährung die gleichen Prinzipien zu verfolgen wie bei einer normalen Ernährungsweise auch. Morgens sollte man energiereich essen, das bedeutet vor allem Kohlenhydrate und etwas Fett, sodass der Körper genügend Energie für den bevorstehenden Tag bekommt; mittags vitalstoffreich, das heißt hier ist ein bunter Mix von allem gefragt; und abends baustoffreich, somit vor allem Eiweiß, sodass die Muskulatur regenerieren kann. Das ist generell auch rein pflanzlich möglich, aber die Möglichkeiten sind etwas begrenzter. Es gibt acht essentielle, also lebensnotwendige Aminosäuren, die dem Körper täglich zugeführt werden müssen. Gerade abends kann man über Fleisch und Milchprodukte ganz leicht und auch abwechslungsreich diesen Eiweißbedarf des Körpers decken. Im Fleisch liegen Eiweiße in kompakterer Form vor als zum Beispiel in Gemüse oder Getreide, das bedeutet man muss im Schnitt weniger davon essen, um einen gleichen Bedarf zu decken. Das wichtigste für Veganer ist also, die Proteinzufuhr zu beachten. Die besten pflanzlichen Eiweißlieferanten sind Algen, Linsen, Bohnen, Sojakerne und Mais, aber auch über Getreide, Nüsse und Samen kann man seinen Bedarf täglich decken. Eine besondere Rücksicht sollte auch auf Stoffe wie Eisen, Calcium und Magnesium gelegt werden, um Mangelerscheinungen zu vermeiden.

Ist es sinnvoll, wenn Menschen, die abnehmen wollen, sich selbst bestimmte Dinge wie Süßigkeiten verbieten?

Froböse: Süßigkeiten sind auf Grund ihres hohen Zuckergehaltes richtige „Kohlenhydratbomben“. Nicht umsonst werden sie oft für das Übergewicht verantwortlich gemacht. So kommt es nach dem Verzehr zu einer meist überschießenden Reaktion des Blutzuckerspiegels auf die zugeführte Kohlenhydratmenge. Süßigkeiten führen zu einer massiven Insulinausschüttung und bei häufigem Konsum kann das bedeuten, dass die Körperzellen irgendwann eine Insulinresistenz entwickeln. Mit der Folge, dass der Zucker im Blut bleibt und der Körper sich nur noch Abhilfe verschaffen kann, indem er den überschüssigen Zucker zu Fettsäuren umwandelt, die dann im Fettspeicher auf den Hüften oder dem Bauch landen. Trotzdem muss man nicht sein Leben lang auf den Genuss verzichten. Wer durch regelmäßigen Sport und eine rundum gesunde Ernährung seinen Stoffwechsel in den Griff bekommt, kann sich natürlich ab und zu etwas gönnen. Schokolade macht schließlich glücklich und Verbote machen doch irgendwann keinen Spaß. In Maßen genießen ist kein Problem. Wenn man zusätzlich auf die Qualität der Süßigkeit achtet, zum Beispiel dunkle Schokolade mit einem hohen Kakaoanteil, da ist das Genießen sogar gesund.

Menschen, die sich vorher wenig bewegt haben, sind oft schwer zu motivieren, mit dem Sport anzufangen. Wie viel lässt sich alleine durch Ernährungsumstellung erreichen?

Froböse: Um einen Turbo-Stoffwechsel zu bekommen, der auch unter Ruhebedingungen effektiv für Sie arbeitet, ist Sport eine sehr wichtige Stellschraube. Über eine reine Kalorienreduktion ist das nicht möglich, ohne dass der Grundumsatz immer weiter heruntergefahren wird. Das hat zur Folge, dass man immer stärker Kalorien reduzieren muss, ohne davon zuzunehmen. Für richtige „Sportmuffel“ gibt es dennoch einen Tipp: Man kann auch ganz leicht im Alltag Bewegung integrieren. Schon 30 Minuten (3 mal 10 Minuten) strammes Gehen am Tag genügen, um den Stoffwechsel anzukurbeln. Laufen Sie doch einfach morgens ein Stück zur Arbeit, steigen Sie Treppen anstatt den Aufzug zu nehmen und nutzen Sie auch kurze Wege, um in Schwung zu kommen. Zusätzlich kann man über unser 9-Minuten-Muskelworkout ganz einfach täglich die Muskeln kräftigen. Neun Minuten am Tag sollten sogar für einen „Sportmuffel“ zu bewältigen sein. Denn durch eine reine Umstellung der Ernährung gelingt nur ein kurzfristiger Erfolg – langfristig geht nichts ohne Bewegung.

Welche Sportarten sind für „Sportmuffel“ zum Einstieg besonders geeignet?

Froböse: Für Übergewichtige und Menschen mit Knieproblemen bieten sich gelenkschonende Ausdauersportarten wie Aquajogging, Radfahren oder auch Nordic-Walking an. Für alle anderen sind dem Spaß wenig Grenzen gesetzt: von Zumba-Fitness über Joggen bis hin zum Skilanglauf oder Inlineskating. Probieren Sie ganz einfach aus, welche Sportart Ihnen den größten Spaß bereitet. Denn das ist schließlich wichtig, um auch motiviert dabei zu bleiben.

Für viele naht der Strandurlaub: Gibt es Tricks, mit denen man trotzdem innerhalb kurzer Zeit ein paar Pfunde verliert? Hilft es wirklich, sich ein paar Tage lang beispielsweise nur von Eiweiß-haltigen Lebensmitteln zu ernähren?

Froböse: Natürlich kann so eine einseitige Ernährungsweise zu einem raschen Gewichtsverlust führen. Allerdings mit dem Effekt, dass nach dem Strandurlaub der Jojo-Effekt zurückschlägt und man die Fettpölsterchen rasch zurück auf den Hüften entdeckt. Der Körper benötigt unbedingt Kohlenhydrate, um leistungsfähig zu sein und vor allem, um einen Turbo-Stoffwechsel zu bekommen. Umfangreiche Studien belegen, dass die roten Blutkörperchen, das Nierenmark und ganz besonders unser Gehirn auf die Zufuhr von Kohlenhydraten in Form von Glucose angewiesen sind. Was geschieht, wenn unser Gehirn zu wenig davon bekommt, haben wir alle schon erfahren: Der Schokoladenheißhunger überkommt uns. Letztendlich werden wir früher oder später unsere Diätpläne über den Haufen werfen. Abnehmen sollte einfach nicht im „Hauruck-Verfahren“ stattfinden, wenn man auch längerfristig etwas davon haben möchte. Es macht durchaus Sinn, vor allem abends, Kohlenhydrate einzusparen, aber von einem radikalen Verzicht ist wirklich abzuraten. Tun Sie sich und Ihrer Gesundheit den Gefallen.

Die Menschen haben heutzutage so viel Freizeit und Bewegungsmöglichkeiten wie nie zuvor. Woran liegt es, dass es in der westlichen Welt trotzdem immer mehr Übergewichtige gibt?

Froböse: Wir sprechen von einem Sedentary-Lifestyle in der westlichen Welt. Viele Menschen sind durch Ihre Arbeit im Büro oder vor dem Computer fast den ganzen Tag an sitzende Tätigkeiten gebunden. Wenn sie dann abends müde und hungrig nach Hause kommen, fehlt oft die Motivation, noch eine Runde Sport zu treiben. Die Kinder sitzen bis nachmittags lernend in der Schule und beschäftigen sich danach lieber mit dem Fernseher oder der Playstation, als draußen eine Runde Fußball zu spielen oder Radfahren zu gehen. Die Grundeinstellung zum Bewegungsverhalten hat sich leider negativ verändert. Warum das so ist, lässt sich schwer nachvollziehen. Dabei werden 70% der Gesundheit eines Menschen durch seinen individuellen Lebensstil beeinflusst, nur 30% von Genen. Wer Sport treibt, tut nicht nur etwas für seine Muskeln und sein optisches Äußeres, auch das Immunsystem wird durch die Bewegung angeregt. Deshalb muss sich dringend etwas ändern.