Noel Gallagher im kreativen Höhenflug
Magazin
Publikum feiert zusammen mit der Band
Oasis-Fans, aufgehorcht! Noel Gallagher hat ein Album geschaffen, das sich anhört, als hätte es nie eine Trennung, dafür aber viele neue Ideen gegeben. Der Verdacht liegt nahe, dass Oasis genauso klingen würden, wenn es sie noch gäbe. Liam, du kannst nach Hause gehen.
Achtung, Zeitschock. Sechs Jahre ist es bereits her, seit Oasis – die Überband des Britpops – ihre Trennung verkündet hat. Was gleichzeitig bedeutet, dass Liam und Noel Gallagher seit sechs Jahren um den besseren Oasis-Nachfolger buhlen. Es war kein fairer Kampf. Da Noel die meisten Songs für Oasis geschrieben hat, war eigentlich immer klar, welche Band der zerstrittenen Bruderschaft das größere Potenzial hat. Mit diesem Album ist es nun offiziell.
„Chasing Yesterday“ wird allen Oasis-Fans, die noch nicht an der Trennung ihrer heiß geliebten Band verzweifelt sind, Freudentränen in die Augen zaubern. Es sind Hymnen für Ewig-Gestrige und solche, die gerne dabei gewesen wären. Möglich war dies vermutlich nur, weil Gallagher nach seinem Solodebüt selbst schnell klar wurde, dass er gegen Goliath, also das Vermächtnis seiner Ex-Band, sowieso niemals ankommen würde. Es ist zwar unwahrscheinlich, dass er das wirklich eingesehen hat, einen Schalter scheint es trotzdem umgelegt zu haben.
Ungewohnte Space-Jazz Einlagen
Und so übertritt er mit „Chasing Yesterday“ nun Grenzen, denen er sich zu Oasis-Zeiten noch nicht einmal genähert hätte. Noel: „Damals haben wir uns über Space Jazz noch lustig gemacht. Und nun habe ich ein Stück gemacht, dass wirklich echter abgefahrener Jazz ist. Und weißt du was? Es ist großartig.“ Und weißt du was? Das ist nicht nur der übliche Gallagher-Größenwahn. „The Right Stuff“, der Song von dem hier die Rede ist, ist wirklich großartig.
Noch irrer ist die Tatsache, dass Noel ein Saxofon auf seine Platte gelassen hat, und zwar gleich zum Einstieg. „Ich kann mir denken, dass man mir saxuelle Nötigung vorwirft. Drauf gepfiffen. Keiner kann mir vorschreiben, dies nicht auszuprobieren.“ Größtes Hymnenpotenzial zeigt „The Dying Of The Light“, das mit Klavier und schönstem Oasis-Feeling besticht. Das rockig-preschende „Lock All The Doors“ stammt tatsächlich noch aus Oasis-Hoch-Zeiten, in denen Noel den Song zu schreiben begann. Und bei „Ballad Of The Mighty I“, einem Stück das mit Disco-Einschlag überrascht, haut sogar The-Smiths-Gitarrist Johnny Marr in die Saiten.
Hatte die Trennung was Gutes?
Es scheint tatsächlich, als hätte Noel ohne die Streitereien mit seinem Bruder zu ganz neuer Produktivität gefunden – zum ersten Mal hat er aus Personalmangel diesmal sogar die Produzenten-Rolle übernommen. „Wenn Oasis-Tourneen zu Ende gingen, war man immer froh, die ganzen Querelen und das Chaos hinter sich und ein Jahr Pause zu haben. Aber diesmal wurde es mir enorm schnell langweilig. Ich dachte die ganze Zeit daran, wieder ins Studio zu gehen.“ Hatte die Trennung am Ende doch ihr Gutes? Hört sich ganz so an…