Niels Frevert: Eine Bewerbung für „James Bond“

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Niels Frevert: Eine Bewerbung für „James Bond“

No fear of pop: Niels Frevert gehört zu den herausragenden Songwritern Deutschlands. Auf seinem neuen Album wagt er die explosive Mischung aus großer Popgeste und Songtexten über allnächtliche Phänomene wie den "polnischen Abgang". spot on news hat er verraten, wie er seine Songs schreibt - und was für Musiker echtes "Survival-Training" ist.

Niels Frevert (46) als Erfinder des anspruchsvollen deutschsprachigen Pop zu preisen, wäre vielleicht ein wenig hochgegriffen. Aber Fakt ist: Mit seiner Band Nationalgalerie gehörte er in den 1990er-Jahren zu den ersten wirklich erfolgreichen Künstlern dieses Genres. Seit 1997 ist er als Solokünstler unterwegs. In dieser Zeit hat er es zwar „nur“ zu fünf Studioalben gebracht. Aber die verzücken seine Fans. Vielleicht kein Wunder – denn Frevert selbst sieht sich als Vorreiter für neue musikalische Stile und Ideen, wie er der Nachrichtenagentur spot on news sagt: „Ich hatte nie den Eindruck, dass ich einem Trend hinterherlaufe oder auf einer Welle mitschwimme. Eigentlich habe ich eher das Gefühl, ein paar Schritte vorauszulaufen.“

So ein Gespräch mit Frevert ist eine spannende Sache. Denn einerseits plaudert der gebürtige Hamburger in seiner nordischen Färbung so locker, als habe er es sich gerade am Elbstrand gemütlich gemacht. Andererseits verfügt er aber auch über ein abgeklärtes Selbstbewusstsein. Das lässt er zum Beispiel ganz nonchalant aufblitzen, wenn man ihn nach seinem Lieblingssong auf dem neuen Album „Paradies der gefälschten Dinge“ fragt. „Oh ja! Ein bisschen stolz bin ich auf ‚Morgen ist egal‘. So einen Song hatte ich bisher noch nicht hinbekommen. Irgendjemand meinte, damit könnte man sich theoretisch für einen ‚James Bond‘ bewerben“, meint Frevert.

Dabei fällt der Song mit seiner großen Geste angloamerikanischer Songwriter-Schule auf dem neuen Album fast etwas aus der Reihe. Denn ansonsten mischt Frevert mit Leidenschaft den opulenten Sound mit überaus alltagsnahen Beobachtungen. In „Nadel im Heuhaufen“ besingt er zum Beispiel über einem funkelnden Streicherteppich den berüchtigten „polnischen Abgang“ eines speziellen Menschen. Der Bruch sei genau der gewünschte Effekt, sagt Frevert. „Ich arbeite sehr gerne mit Gegensätzen, mit Drehungen und Wendungen und dem Unerwarteten.“

Dass es beim Schreiben auch ein paar Zweifel gab, verhehlt Frevert nicht. Früher war er schließlich ganz minimalistisch nur mit Stimme und Akustikgitarre unterwegs; der opulentere Sound des Albums ist eine neue Errungenschaft. „Klar gab es auch Momente, in denen man sich fragt und zusammen überlegt, ‚Kann man das so machen?'“, erinnert sich der Musiker an die Aufnahmen. Geholfen hat da vielleicht Olsen Involtini. Der Produzent, der sich sonst um Peter Fox („Stadtaffe“) und Seeed kümmert, ist an den Reglern gestanden. Berührungsängste mit dem Mann aus dem ganz anderen Genre habe es nicht gegeben: „Wir sind uns mit gegenseitigem Respekt begegnet – man versteht sich da über die Musik. Das war eine enorm spannende Zusammenarbeit.“

Und dann ist da natürlich noch die Frage, wie Frevert auf seine Texte und all die skurrilen Bilder kommt, die dem Hörer die Geschichte gerade wegen ihrer Umwege direkt ins Gehirn tragen. Frevert sagt, er sei niemand, der sich gezielt hinsetze und nach Konstruktionsplan einen Song verfasse. Er sammle vielmehr Inspirationen: „Zum Beispiel für den Song ‚UFO‘. Mitten auf einem Kirchentag zu stehen, die ganze Stadt voll mit blauen Halstüchern, junge Menschen sitzen im Schneidersitz im Park und singen. Da zückt man automatisch den Notizblock. Ich wusste in dem Moment schon, dass daraus irgendwann ein Lied wird“, meint er.

Und auch wenn es noch ein wenig früh ist: Seine Fans kann Frevert schon jetzt beruhigen – mit der Musik wolle er noch lange weitermachen, sagt er auf sein etwas fortgeschrittenes Musikeralter angesprochen. Wenngleich es sich just dabei nicht um sein Lieblingsthema handelt. „Bis jetzt war es so ein schönes Interview! – Nein, den Plan, zehn Solo-Alben zu machen, gibt es noch. Mindestens!“ Er glaube, rechtzeitig begonnen zu haben Musik zu machen, die er „auch mit 50 noch würdevoll aufführen kann“, meint Frevert.

Auch auf ein paar Abenteuer des Musikerdaseins freut sich Frevert schon jetzt. In Österreich und der Schweiz werde er wohl wieder solo unterwegs sein: „Das sind spannende Momente. Zum Einen, weil man alleine auf der Bühne einen Abend lang wie unter einer Art Mikroskop steht. Und dann ist es auch immer wieder eine interessante Aufgabe, sich alleine mit Gitarren und Verstärker per Bahn durch die Städte und Länder zu navigieren. Das hat schon was von Survival-Training“ – vielleicht liefert es ja sogar Stoff für neue Songs.