New Order: Die Formaldehyd-Band

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New Order: Die Formaldehyd-Band

New Order geben sich Mühe, es auf ihrem neuen Album mit der Moderne aufzunehmen: Stuart Price als Produzent, La Roux und Brandon Flowers als Gastsänger - und trotzdem klingt "Music Complete" immer nur nach New Order. Eine Band, wie in Formaldehyd eingelegt.

„Peinlich berührt erinnere ich mich daran, dass ich – arroganter junger Clown, der ich damals war – die Scheibe ablehnte, bevor ich sie auch nur gehört hatte; einfach nur, weil ein guter Freund sie vor mir gekauft hatte“, erinnert sich „Trainspotting“-Kultautor Irvine Welsh an das erste Album von New Order, das 1981 erschienen ist. Die Nachfolgeband von Joy Division war eben schon immer eine Gruppe, über deren Ablehnung oder Verehrung man sich im Musikuniversum definierte. Das ist in etwa dasselbe Phänomen, wie die unzähligen „Unknown Pleasures“-Shirt-Träger im Berghain.

Interessant ist nun, dass Welsh diese Erinnerung im Zusammenhang mit dem neuen New-Order-Album überkommt. Das ist nun genau das Gegenteil des Albumtitels „Music Complete“: New Order sind eben nicht mehr komplett. In jedem Musikforum wird nun diskutiert, ob man dem Sound den Weggang von Peter Hook, wohl einer der bekanntesten Bassisten dieser Welt, nun hört oder nicht. Wie sich die Rückkehr von Gründungsmitglied Gillian Gilbert anhört. Oder welchen Einfluss die Gäste- und Produzenten-Liste wohl hatte: Pop-Liebling Stuart Price von Zoot Woman und Tom Rowlands von den Chemical Brothers durften Hand anlegen. La Roux, Killers-Sänger Brandon Flowers und Iggy Pop sind als Sänger und Poetry Slammer an Bord.

Überraschung: Trotz ihrer Jungstars, von Iggy Pop mal abgesehen, klingen New Order auf „Music Complete“ komplett aus der Zeit gefallen. Während sich unzählige musikalische Nachfahren auf sie beziehen, bezieht sich „Music Complete“ immer nur auf sich selbst. „Zur Legende erstarrt“ schreibt ein großes deutsches Musikmedium über New Order 2015 und trifft den Nagel damit auf den Kopf.

„Singularity“ fängt so postpunkig an, dass man das Bedürfnis bekommt, sich umgehend Löcher in die Klamotten zu reißen. Gleichzeitig hört es damit auf, dass sich über den Flock-of-Seagulls-Refrain elektronische Geräusche legen, die klingen wie ein Fernseh-Störbild aussieht. Apropos verstörend: Ob Italodisco, Geigen oder Gitarren – New Order schaffen es immer noch, gleichzeitig bunt und hölzern zu klingen. Ihre Spezialität seit Jahrzehnten.

So gibt es Discohits wie „Tutti Frutti“, funkiges wie „People On A High Line“ oder „Plastic“, in dem Giorgio Moroder zitiert wird – da werden Erinnerungen an Schulterpolster wach. Während die Melodien ständig „Hit“ schreien, sind es die Rhythmen, die immer noch so klingen, als könnte nur Ian Curtis dazu tanzen. Wie in Formaldehyd eingelegte Musikgeschichte.