„Need for Speed“ – Temporausch im Zocker-Stil

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„Need for Speed“ – Temporausch im Zocker-Stil

Früher waren es Bücher und Comics, die die Filmvorlagen geliefert haben - inzwischen produziert die Games-Industrie die besten Geschichten. Auf diesen Zug sprangen auch die Produzenten von "Need für Speed", der Verfilmung des Rennspiels, das jetzt in die Kinos kommt, auf. Einen ausgefeilten Plot darf man nicht erwarten, dafür umso mehr Benzin und Adrenalin.

Vrrrrooooammm – die Comic-Sprache gibt uns den perfekten Ausdruck an die Hand, um den Streifen „Need für Speed“ mit einem Wort zu beschreiben. Vrrrrooooammm – um dieses Vorbeifahrgeräusch von Boliden und Sportwagen aus Comic-Strips geht es in diesem Vollgasstreifen. Daneben spielen auch noch Rummms, Krawumm und Zzzzsch eine große Rolle in „NFS“. Klingt simpel? Nur zum Teil.

Die „Need for Speed“-Reihe gibt es schon seit fast genau 20 Jahren, sie verkauft und verkaufte sich wie geschnitten Brot. Die Gründe liegen auf der Hand: Spieler kommen leicht ohne Vorkenntnisse ins Spiel hinein, die Handhabung ist selbsterklärend und die Story – mit Sportwagen der Polizei entkommen – einfach, vor allem einfach beliebt. Nichts lag also näher, als aus diesem Game ein Drehbuch zu basteln und das Ganze dann mit ordentlich Tempo in die Kinos rasen zu lassen.

Zur Story. Tobey Marshall (Aaron Paul, bekannt aus „Breaking Bad“) kommt mehr oder weniger gut über die Runden, indem er mit Freunden die Autowerkstatt seines kürzlich verstorbenen Vaters weiterführt. Der Spaß an der Arbeit mit Autos ist groß, der Mangel an Geld ebenso. So wird Tobey gezwungen, Geschäfte mit dem offensichtlich nicht ganz koscheren Dino Brewster (Dominic Cooper) einzugehen. Tobey gilt als begnadeter Rennfahrer, der das mangels Alternativen jedoch nur bei illegalen Straßenrennen zeigen und ausleben kann.

Bei solch einem Rennen verunglückt sein Freund Litte Pete (Harrison Gilbertson). Die Folge: Tobey wandert in den Knast und sinnt nach seiner Freilassung auf Rache. Dabei hilft ihm, zunächst noch widerwillig, die Britin Julia Maddon (Imogen Poots). Der Rest ist, ohne zu viel zu verraten, Racing. Auf alle möglichen Arten.

Und genau das ist auch die Stärke des Films von Regisseur Scott Waugh, eines ehemaligen Stuntmans. Denn der Plot ist eher dünn, die Dialoge ebenso. Okay, eine kleine, obligatorische Liebesgeschichte gehört dazu, ein paar Nebenrollen für ausgeflippte Typen – zum Beispiel Michael Keaton als exzentrischer Milliardär The Monarch -, das war es dann aber auch schon. Was jedoch nicht weiter schlimm ist, wenn man als Zuschauer eine Bedingung erfüllt: Leidenschaft für Autos. Denn die Rennszenen, Verfolgungsjagden und Crashs sind vor allem eines: spektakulär.

Um zu erreichen, dass diese Aufnahmen möglichst realistisch wirken, wurde konsequent auf Stunts gesetzt und damit auf Computeranimationen verzichtet. Was angesichts der heutigen Möglichkeiten fast schon antiquiert klingt, ist eine der Stärken des Films. Animationen mögen noch so gut sein, der Zuschauer erkennt sie. In jeder Fahrszene merkt man, dass dem Regisseur ein möglichst stimmiges Bild dieser Aufnahmen wichtiger war als sonstige Elemente. Mal ausgenommen die Stunts. Man tut dem Film sicher nicht unrecht, wenn man ihn als Aneinanderreihung möglichst spektakulärer Straßenduelle beschreibt, verbunden durch eine sehr simple Geschichte.

Aaron Paul mag durchaus ein talentierter Darsteller sein, Imogen Poots einen attraktiven englischen Akzent sprechen und Michael Keaton passend verrückt rüberkommen – die wahren Hauptdarsteller des Films sind jedoch nicht die Zweibeiner, sondern die vierrädrigen Fahrmaschinen.

Das Aufgebot an Supersportwagen, die im Film bewegt und gecrasht werden (dafür wurde eine große Anzahl an extra angefertigten Replicas verwendet), lässt jedem Fan mit Benzin im Blut das Herz höher schlagen. Über die Leinwand rasen Boliden wie der Bugatti Veyron Super Sport, mehrere Koenigsegg Agera R, ein Lamborghini Sesto Elemento, ein McLaren P1 oder ein Saleen S7 oder Spano GTA. Die Hauptrolle unter den Autos hat jedoch ein Ford Mustang Shelby inne, der Inbegriff des bezahlbaren US-amerikanischen Sportwagens.

Den wildesten Stunt des Films legt dieser gepimpte Mustang hin: einen weiten Sprung über einen begrünten Hügel, Grashopper genannt. Plausibel? Nein. Spektakulär? Auf jeden Fall! Function follows Fun – dieses Dogma zieht sich durch den ganzen Film: Cops können in ihren Polizeiwagen mit Supersportwagen mithalten, Betankung während der Fahrt auf einem Highway, Crash und Stunts aus verschiedenen Perspektiven und in Wiederholung und Zeitlupe. Die Computerspielästhetik gibt den Stil vor. Ein leeres Detroit bei Nacht, eine gewundene Küstenstraße in der Sonne, Verfolgungsjagd durch die Steinwüste. Im Kinosessel sitzend hat man das Gefühl, dass nur eines fehlt: der Pad in der Hand, um das ganze Spektakel selbst steuern zu können.

Deswegen lautet unser Fazit: „Need für Speed“ ist Zielgruppen-Kino par excellence. Besser als die PR-Dame bei der Pressevorführung hätten auch wir es nicht formulieren können. Denn wer detailliert herausgearbeitete Charaktere erwartet, geschliffene Dialoge oder eine tiefgründig verschachtelte und stringente Handlung, ist bei „Need für Speed“ im falschen Kinosaal gelandet. Racing-Fans, Zocker und Blockbuster-Gucker kommen jedoch auf ihre Kosten. Vrrrrooooammm!