Morten Harket: „Wir scheitern, die richtigen und wichtigen Fragen zu stellen“
Magazin
Publikum feiert zusammen mit der Band
Mehr als drei Jahre nach der Auflösung von a-ha und zwei Jahre nach seinem Soloalbum "Out Of My Hands" meldet sich Frauenschwarm Morten Harket mit ruhigen Tönen zurück. "Brother" heißt die Platte, die hierzulande am 11. April veröffentlicht wird und deren gleichnamige Single in Norwegen bereits auf Platz eins der iTunes-Charts stürmte.
Der norwegische Popstar Morten Harket (54) ließ mit seiner Band a-ha in den 80ern alle Frauenherzen höher schlagen. Auf seinem sechsten Studioalbum „Brother“ geht es nun auch um Liebe – allerdings nicht so sehr zwischen Mann und Frau, sondern in einem viel universelleren Zusammenhang. Der 54-Jährige singt über menschliche Beziehungen, Selbstfindung, Toleranz und Respekt für andere. Nachdenklich und besinnlich nennt er sein jüngstes Werk im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news – und klingt dabei fast ein wenig metaphysisch.
Der Titelsong Ihres neuen Albums ist sehr melancholisch. War das die Stimmung, in der Sie waren, als Sie „Brother“ aufnahmen?
Morten Harket: Nein, ich war in Hochstimmung und habe das Leben gefeiert. Es geht um Liebe in dem Lied, auf dem ganzen Album geht es um Liebe und unsere Beziehungen zu anderen Menschen. Ich finde den Song auch gar nicht melancholisch. Dieser Begriff wird oft für Musik benutzt, die man nicht zum Feiern und Tanzen auflegt. Ich würde den Song eher nachdenklich und besinnlich nennen.
Die Klassiker von a-ha gibt es auch auf
Nachdenkliche und besinnliche Songs sind oft die persönlichsten…
Harket: Man versucht als Musiker immer, sich so weit wie möglich zu öffnen. Niemand will unpersönliche Songs schreiben. Jeder will etwas schreiben, das den Zuhörer berührt. Wir sind menschliche Wesen, wir wollen nicht nur 60 oder 70 Kilogramm Fleisch sein. Es ist von Bedeutung, wer wir sind, und wir müssen uns das immer wieder selbst fragen. Auf „Brother“ geht es auch darum, dass das Leben ein kontinuierlicher Prozess ist, herauszufinden, wer man selbst eigentlich ist.
Sie geben selbst eine Antwort, indem Sie sagen: Der Bruder auf meinem Album könnte ich selbst sein. Das klingt philosophisch, können Sie das ein bisschen erklären?
Harket: Es könnte meine Schwester sein oder mein Onkel, es könnten Sie sein oder Ihr muslimischer Nachbar. Es könnten andere Lebewesen auf diesem Planeten sein oder die Gorillas in Uganda, die uns in vielem ähnlich sind. Davon handelt „Brother“: von Vielfalt, Unterschiedlichkeit und Respekt. Du hast das Recht, du selbst zu sein, und niemand darf dich davon abhalten. Keiner darf dir sagen, was du zu tun hast.
Vermissen Sie in der heutigen Gesellschaft etwas von diesen menschlichen Werten, die Sie auf „Brother“ vertont haben?
Harket: Was ich in unserer Gesellschaft vermisse, ist, dass wir scheitern, die richtigen und wichtigen Fragen zu stellen. Wer sind wir? Warum handeln wir so wie wir handeln? Was sind wahre Werte? Befolgen wir diese in unserem Leben? All das zu verstehen, wäre wichtig.
Was ist Ihre Erklärung dafür, dass wir uns nicht die richtigen Fragen stellen?
Harket: Wir verstehen den Unterschied zwischen Fragen und Antworten nicht. Dabei ist das ein großer Unterschied. Wir suchen immer nur nach Antworten, nicht nach den Fragen, die uns dabei helfen könnten, den richtigen Weg zu finden. Antworten findet man die ganze Zeit, es gibt heutzutage so viele Antworten, mehr als jemals zuvor. Aber bringen diese uns weiter? Es geht nicht um die Antworten, es geht um die Fragen.
Wenn wir gerade bei so ernsten oder gar metaphysischen Themen sind: Sie sagen über „Brother“, Sie seien bei der Arbeit an dem Album in Einklang mit dem Jungen gewesen, der Sie als Teenager waren. „Brother“ war also eine Art Jungbrunnen für Sie?
Harket: In mancher Hinsicht ja. Es war, als würde ich mich selbst treffen, als ich 17 Jahre alt und mein Kopf voller Träume war. Das erinnerte mich wieder daran, warum ich angefangen hatte, Musik zu machen. Genau dasselbe Gefühl war plötzlich wieder da.
Sie haben fünf Kinder, wie viel von sich selbst sehen Sie in Ihren Kindern – mit Blick auf Musik, und wenn Sie an sich selbst im Alter von 17 Jahren zurückdenken?
Harket: Vermutlich erkennen sich alle Eltern in ihren Kindern wieder. Meine älteste Tochter hat eine großartige Stimme, und sie singt liebend gern. Auch meine jüngste Tochter hat eine starke Stimme. Sie sind alle fünf musikalisch. Was daraus wird, werden wir sehen. Ich werde sie in keine bestimmte Richtung drängen. Ich will, dass sie selbst herausfinden, was sie werden und tun wollen.