Mogwai: „Radiohead fehlt es manchmal an Seele“

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Mogwai: „Radiohead fehlt es manchmal an Seele“

Die schottische Band Mogwai macht: Laute Musik. Komplizierte Musik. Rockmusik ohne Worte. Und hat trotzdem mit dem Album "Rave Tapes" auch in Deutschland die Top 20 erreicht. Wie er sich den Erfolg erklärt, warum Mogwai nicht mehr über Kollegen spotten und was dennoch an Radiohead zu kritisieren ist, hat Gitarrist John Cummings spot on news verraten.

Das mit der Zeit ist immer relativ. Gerade auf Tour mit einer Rockband. „Drei Wochen. Oder zwanzig Jahre. Wie man es nimmt“ – das ist John Cummings Antwort auf die Frage, wie lange er gerade schon mit Mogwai unterwegs ist. Tatsächlich fährt die schottische Instrumental-Band seit den 1990ern durch die Welt, wurde zwischenzeitlich mit einem Verbaltiefschlag gegen die Kollegen von Blur zum Medienhit. Und hat Ende Januar mit „Rave Tapes“ ein Album veröffentlicht, das nun die Regeln des Genres außer Kraft setzt. Eine CD, die (fast) völlig ohne Worte auskommt. Und trotzdem die Charts stürmt: Platz 10 in Großbritannien, Platz 16 in Deutschland.

Mogwais Musik könnte man als Post-Rock bezeichnen – auf jeden Fall ist sie komplex, mal wuchtig, mal synthetisch mäandernd. Und auf jeden Fall kaum kompatibel mit den üblichen Chartstürmern. „Die Charts weltweit sind nicht der Ort für solche Musik“, betont Cummings im Gespräch mit der Nachrichtenagentur spot on news. „Die Chartergebnisse sind der Wahnsinn! Wir haben alle gelacht und konnten es nicht glauben, als wir die britische Position gehört haben.“ Eine Lehre aus 20 Jahren im Business will der Musiker aber nicht vergessen: Bescheidenheit. Wie es in den Hitlisten aussehe, das hänge „manchmal einfach daran, wie viele Millionen Alben One Direction gerade verkauft haben“.

So oder so: Höchstwahrscheinlich hören gerade dieser Tage mehr Menschen in Deutschland die Musik Mogwais als in den ersten 18 Jahren des Bandbestehens – und Cummings ist das zumindest ein klein wenig egal. „Wir machen die Musik, und wenn wir denken, es ist ein gutes Album, oder es ist ein schlechtes Album, dann ist egal, was die anderen sagen.“ Auch der These, dass Mogwais aktuelle Platte „Rave Tapes“ etwas keyboardlastiger und luftiger klingt, mehr nach dem Soundtrack für die TV-Serie „The Returned“, den die Band zuvor geschrieben hatte, findet er schwierig. Cummings sieht eine klare Trennung. „In meinem Kopf gab es einen Stapel für den Soundtrack und einen für’s Album“, erklärt er.

Ein dickes Fell und eine hohe Toleranz für starke Meinungen mussten in der Vergangenheit hingegen musikalische Kollegen und Konkurrenten Mogwais haben: In den 90ern ließ die Band schon mal T-Shirts mit einem Spottvers auf die Britpopper Blur („Song 2“) bedrucken und auf einem Festival verteilen. Damit scheint es aber vorbei – Alter macht weise. „Das hat viel mehr Spaß gemacht hat, als wir jünger waren“, berichtet Cummings. Wobei: „Das ist schon immer noch witzig, wenn man daran denkt.“ Die Band versuche allerdings „ganz allgemein positiver zu sein“. Das funktioniere „hoffentlich zumindest in der Öffentlichkeit. Wir drucken wenigstens nicht mehr so häufig T-Shirts.“

Mit dem eigenen Urteil hinter dem Berg zu halten ist aber doch nicht immer einfach. Die deutsche Avantgarde-Band Can und ihre 2012 veröffentlichte Raritätensammlung „The Lost Tapes“ nennt Cummings auf die Frage, welche Musik er dieser Tage besonders inspirierend finde. Und kann nicht umhin, zu erklären, was Can den aktuellen Experimental-Pop-Stars Radiohead voraushaben: „Seele“ nämlich. „Radiohead machen interessante Dinge – aber da fehlt es manchmal vielleicht an… Seele. Can haben Seele, die mit dem Experiment einhergeht“, sagt er.

Anzunehmen, Mogwai würden keine Freunde im Musikgeschäft kennen, wäre dennoch verfehlt. Die Weggefährten aus der Heimatstadt Glasgow seien immer noch präsent, berichtet Cummings. „Wir kennen noch die ganzen Leute, mit denen wir rumgehangen sind, die in anderen Bands Musik machen“. Selbst wenn es dort bisweilen keine größeren künstlerischen Überschneidungen gegeben habe, als zur gleichen Zeit auf der Suche nach Auftritten gewesen zu sein. Einigen Kollegen ist Cummings sogar dankbar – für einen neuen Blick auf das Musikgeschäft: „Bands wie die Pastels oder Teenage Fanclub waren vor uns da und sind noch immer in Glasgow. Die sind nie nach London gezogen um die Charts zu stürmen. Die machten ihr Ding und waren glücklich dabei.“ Dieses Beispiel sei für Mogwai „inspirierend“ gewesen: „Dass man erfolgreich Musik machen kann und trotzdem Teil des eigenen Lebens bleiben.“