Michael Jackson meets Frank Sinatra: Justin Timberlake in Berlin

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Michael Jackson meets Frank Sinatra: Justin Timberlake in Berlin

Futuristische Special Effects und nostalgische Big-Band-Töne zu perfekt sitzender Fliege: In Berlin hat Justin Timberlake am gestrigen Donnerstag in der o2 World eine Show der Superlative geboten. Da blieb nicht mal die Bühne an ihrem Platz.

Es ist nicht möglich, nach dem gestrigen Abend in der o2 World nicht von Justin Timberlake („The 20/20 Experience- The Complete Experience“) beeindruckt zu sein. Der 33-Jährige lässt keinen Zweifel daran, dass er ein Profi durch und durch ist. In diesen zwei Stunden saß jeder Ton, jede Bewegung und sogar seine Haare saßen so perfekt wie sein dreiteiliger Anzug.

So sieht das also aus, wenn Zukunft und Vergangenheit in einem Raum aufeinander treffen: Modernste Special Effects gingen mit der bestens aufgelegten Big Band The Tennessee Kids und Timberlakes Superstar-Status eine perfekte Symbiose ein. Auf der einen Seite eine Bühne, die wandern kann, auf der anderen dieser zugeknöpfte Gatsby-Style aus den Zwanzigern. In der einen Konzerthälfte die futuristischen R’n’B-Sounds, in der anderen Hälfte schon mal ein Cover von Michael Jackson oder Elvis Presley.

Dass einer wie Justin Timberlake keine mittelmäßige Lichtshow abliefert, ist klar. Deshalb war die überdimensionale Projektionswand im Bienenwaben-Look, auf der 3D-Animationen, Schattenspiele oder Timberlake in ganzer Pracht zu bewundern waren, noch das Normalste dieser Show. Sogar an die beeindruckende Bühne, in die Justin, die Tänzer und die gesamte 15-köpfige Big Band je nach Bedarf wie in einen Orchestergraben eingelassen wurden, hatte man sich irgendwann gewöhnt. Doch der große Überraschungsmoment des Abends folgte erst im zweiten Teil des Konzerts. Da erhob sich die beleuchtete Bühne plötzlich und schwebte über die Köpfe im Zuschauerraum zur anderen Seite der Arena. Das war der Moment, in dem sich 14.000 Köpfe wanden und wirklich jeder in dieser Halle mindestens einmal Justin Timberlake ganz nah bei sich hatte. Und plötzlich waren die Letzten wirklich die Ersten.

Diesen Schachzug werden die Fans in den hinteren Reihen ihrem Idol ewig danken. Aber Timberlake ließ trotz aller Perfektion bei genauerer Betrachtung noch mehr sympathische Züge an diesem Abend durchblitzen: Seine Tänzerinnen mussten zum Beispiel keine übersexualisierte Perfomance in knappen Röckchen abliefern. Stattdessen: Hosenanzüge und flache Schuhe. Und ein Superstar, der sich während der Choreografie in die zweite Reihe fallen ließ, um seinen Tänzern das Rampenlicht zu überlassen. Genauso durfte auch sein Backround-Chor mit auf die Schwebebühne, das ein oder andere Solo singen und sein Können im Rampenlicht zur Schau stellen.

Als eine Mischung aus Frank Sinatra und Michael Jackson gab Timberlake seiner Musik live auch immer neue Facetten: Dem eigentlich sehr elektronisch-minimalistischen Hit „Cry Me A River“ verpasste die Big Band ein Progrock-Ende mit E-Gitarren-Solo, der Eröffnungssong „Pusher Love Girl“ ließ Rat-Pack-Feeling aufkommen und die Akustikversion von „What Goes Around… Comes Around“ sorgte für kollektive Gänsehaut. Sobald die Beats dicker wurden, hielt die Zuschauer auch nichts mehr auf ihren Sitzen. Zwischenmenschlich beglückte Timberlake die Menge mit seinen Deutschkenntnissen („Das ist supergeil“), sorgte für Applaus für die Barmädchen oder trank einen Kurzen auf Berlin, „one of the greatest cities in the world“. Passenderweise erklingt als Rausschmeißer nach der Show dann auch „My Way“ von Sinatra.

Sollte jemand die letzten Jahre hinter dem Mond gelebt haben, würde er kaum glauben, dass dieser Gentlemen, der die 14.000 Menschen so fest in der Hand hat, derselbe Junge ist, der einst mit den lustigen blonden Löckchen im Hintergrund von NSync herumgesprungen ist.