„Men & Chicken“ – Die Insel des Dr. Jensen

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„Men & Chicken“ – Die Insel des Dr. Jensen

Fünf Brüder auf der Suche nach der eigenen Identität - ein simples Konzept, das in den Händen des dänischen Regisseurs Anders Thomas Jensen jedoch zur grotesken Komödie wird.

Eine sehr simple Definition der Komödie ist, dass am Ende der Geschichte die vorübergehend gestörte Ordnung wiederhergestellt sein muss. Auch im Kino findet diese Regel meist ihre Anwendung. Je schwärzer die Komödie, desto verstörender ist jedoch die Ordnung, die sich die Charaktere am Ende schaffen. Und eine Ordnung, wie sie in der Welt des dänischen Regisseurs Anders Thomas Jensen (43) existiert, braucht ihre ganz eigenen Regeln.

Etwas wie Ordnung hat es im Leben der beiden Brüder Gabriel und Elias im Grunde nie gegeben. Gabriel (David Dencik), Professor für Evolutionspsychologie und Philosophie, hat seine lieben Probleme damit, normale Beziehungen zu Menschen zu halten. Das liegt nicht zuletzt an seinem Bruder Elias (Mads Mikkelsen), einem ewig masturbierenden Taugenichts. Aufklärung über das ungleiche Brüderpaar bringt eine Videobotschaft, die ihr verstorbener Vater hinterlässt. Er eröffnet den beiden, dass er selbst nicht ihr biologischer Vater ist. Der lebt auf einer entlegenen Insel namens Ork, die sich mit 41 Einwohnern am Rande der landkartenverzeichneten Daseinsberechtigung bewegt. Dort suchen Gabriel und Elias fortan nach ihren Wurzeln und finden drei weitere, nicht minder verkorkste Brüder vor, die mehr als eine Leiche im Keller vergraben haben.

Groteske mit Charme

Dass Jensen kein Mann für geradlinige Typen ist, bewies er schon in seinen bisherigen Werken wie der Kannibalen-Komödie „Dänische Delikatessen“ oder seinem Meisterstück „Adams Äpfel“. Die fünf Brüder in „Men and Chicken“ kommen besonders rüde daher. Der an „Herr der Ringe“ erinnernde Inselname Ork spiegelt sich in den groben Gesichtern der Männer wieder, von anderen Körperteilen ganz zu schweigen.

Wo seine bisherigen Filme stets mit der Groteske flirteten, suhlt sich „Men & Chicken“ genüsslich darin. Dass der Film dennoch nicht nur ein Spartenpublikum anspricht, hat er seinem leichtfüßigen, mitunter Slapstick-artigen Humor zu verdanken – und dem fantastischen Ensemble, in dem Jensen-Fans jede Menge bekannte Gesichter wiederfinden: Darunter Ole Thestrup (67) als kauziger Bürgermeister, Nikolaj Lie Kaas (42) als grenzdebiler Gregor und allen voran Hollywood-Star Mikkelsen (49), dem die Gratwanderung zwischen triebgesteuertem Widerling und herzerweichendem Bengel mit spielerischer Leichtigkeit gelingt.

Dr. Moreau lässt grüßen

Die größte Inspiration für den Film seien seine eigenen vier Kinder gewesen, wie Jensen spot on news erzählte. „Es erinnert einen daran, wie zerbrechlich Zivilisation ist, und dass wir mit jedem neuen Menschen wieder neu anfangen müssen. Wenn man zwei Kinder an den Strand setzt und ihnen nur einen Eimer gibt, dann werden sie unweigerlich streiten“, sagt der Regisseur. „Ich bekam die Idee, meine Kinder für die nächsten 30 Jahre auf einer einsamen Insel auszusetzen und zu sehen, was passiert.“ Das tat Jensen freilich nicht und bastelte stattdessen die Geschichte über fünf Brüder auf der Suche nach Ordnung und einer eigenen Identität. Eine denkbar simple Ausgangslage, die der Regisseur jedoch mit seiner eigenen Handschrift versieht. Genüsslich kreuzt er die Gene seiner tiefschwarzen Komödien mit denen von trashiger Science Fiction im Stil von „DNA – Die Insel des Dr. Moreau“ – ebenfalls eine Inspiration für den Film, wie Jensen sagt.

Das Ergebnis ist so verschroben, bisweilen befremdlich und zugleich widerstrebend liebenswert wie die fünf Brüder selbst. Am Ende finden sie ihr Happy End – eines der schrägsten der Filmgeschichte. Die Ordnung ist hergestellt – selbst wenn in den Köpfen der Zuschauer immer noch Chaos herrscht.