Mando Diao: „Hoffentlich spielen wir nicht irgendwann nur noch vor fünf Menschen“

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Mando Diao: „Hoffentlich spielen wir nicht irgendwann nur noch vor fünf Menschen“

Am heutigen Freitag können sich die Fans der schwedischen Band Mando Diao auf Zuwachs in ihrem CD-Regal freuen: Mit ihrem siebten Studioalbum "Aelita" begeben sich die Indie-Rocker diesmal auf Synthie-lastige Pfade. Wie sie auf die Idee für die neue Platte kamen und was japanische Transformers damit zu tun haben, erklärt Sänger Björn Dixgård im Interview.

Schwedens heißester Indie-Export feiert am heutigen Freitag sein musikalisches Comeback: Mit einem alten sowjetischen Synthesizer bewaffnet ergründen die Rocker von Mando Diao akustisches Neuland und erfinden sich auch auf dem nunmehr siebten Studioalbum „Aelita“ komplett neu. Warum die Synthie-Mucke aber nichts mit den 80er-Jahren zu tun hat, wieso Menschen mit zu eingefahrenem Musikgeschmack zu bemitleiden sind, und wie die Worte eines verstorbenen Freundes Inspirationsquelle für die neue Platte waren, erklärt Sänger Bjorn Dixgård im Gespräch mit der Nachrichtenagentur spot on news.

Für das neue Album „Aelita“ haben Sie einen Sound gewählt, der sehr stark an die 80er-Jahre erinnert. War das Ihre Intention?

Björn Dixgård: Eigentlich nicht. Wir wollten damit vielmehr alles zusammenführen, was wir bislang gemacht haben. Wenn wir Musik machen, versuchen wir stets, die verschiedensten Instrumente zu verwenden – von Computern über Gitarren bis hin zum Internet – um neue Samples zu finden. Dabei haben wir auch einen sowjetischen Synthesizer entdeckt, der natürlich aus den 80ern stammt, den wir aber für Neues verwenden wollten. Die Bedienungselemente waren allerdings auf Russisch, was uns fast zu so etwas wie wissenschaftlichem Experimentieren zwang. Wir erzeugten so fantastische Sounds, ohne wirklich zu wissen, wie wir das angestellt haben. Das fühlte sich für mich eher futuristisch an, auch wenn einige Leute die Musik aus den 80ern damit assoziieren.

Was vielleicht daran liegt, dass auch die Synthie-Sounds der 80er sehr futuristisch klangen?

Dixgård: Da haben Sie recht. Wie gesagt, Sie sind nicht der Erste, der das anspricht. Es stört mich auch nicht, nur fühlte ich schlichtweg einen anderen Vibe, während wir an dem neuen Album arbeiteten. Wir haben uns nicht zusammengefunden und gesagt: „Lasst uns eine 80er-CD machen.“ Wir fingen einfach an, zu experimentieren, und „Aelita“ ist das Resultat.

Sie arbeiteten aber mit Jan Hammer zusammen, einer echten 80ies-Größe, der unter anderem für den Soundtrack zu „Miami Vice“ verantwortlich zeichnete. Diente seine Musik als Inspirationsquelle?

Dixgård: Nicht wirklich. Wir arbeiteten gerade an dem Song „Black Saturday“ und fanden, dass an dessen Ende eine lange, leere Stelle war, die wir unbedingt füllen wollten. Allerdings hatten wir dafür keine wirklich zündende Idee, bis ein Freund eines Freundes den Namen Jan Hammer ins Spiel brachte, der berühmt für seine Keytar-Musik war. Wir wollten eben speziell kein Gitarrensolo an dieser Stelle des Songs – das hätte ich oder Gustav auch selbst spielen können. Wir haben ihn dann gefragt und er schickte prompt seine Idee für das Lied, die uns allen auch gleich sehr gut gefallen hat.

Für die Visualisierung von „Black Saturday“ haben Sie mit Tim Erem zusammengearbeitet, der bereits bei Katy Perry Regie führte. Wie kamen Sie auf ihn?

Dixgård: Tim Erem ist tatsächlich seit seiner Teenager-Jahre ein Fan von uns. Er kam also zu uns – mit einem wunderschönen Film, den er gemacht hat. Er lud uns daraufhin ein, mit ihm in Japan in der dortigen Dekotora-Szene ein Video zu drehen. Dabei handelt es sich um umgebaute Lastwagen, die so dekoriert werden, dass sie im Grunde wie Transformers aussehen. Für so etwas hatten wir schon immer ein Faible, und zwar vom ersten Moment an, als Gustav und ich beschlossen haben, zusammen Musik zu machen. Also sind wir Tims Vorschlag gefolgt und haben dort gedreht.

Ist das Kredo der Band Mando Diao, nie dieselben musikalischen Wege zu beschreiten?

Dixgård: Unser guter Freund Kristian Gidlund von der Band Sugerplum Fairy, der letztes Jahr leider verstorben ist, sprach immer davon, neue Dimensionen zu erforschen. Er sagte, er fühle sich wie ein Schiff, das den Hafen verlässt. Von seinen Worten und der Tragödie seines Todes haben wir uns inspirieren lassen – wir wollen auch nie in derselben Dimension bleiben, sondern uns stets weiterentwickeln. Darum experimentieren wir von Album zu Album, wollen musikalisch nicht auf dieser Welt bleiben und greifen stattdessen stets aufs Neue nach den Sternen. Es ist also auch eine philosophische Frage für uns.

Und vermeiden so eine innovationslose „Komfortzone“?

Dixgård: Ich denke schon. Wir machen uns inzwischen über alles Gedanken, wollen ein gänzlich neues Konzept für jedes neue Projekt entwickeln. Das letzte Album war beispielsweise ein sehr reduziertes Akustik-Album auf Schwedisch. Dabei vertonten wir die Gedichte des schwedischen Poeten Gustaf Fröding, der vor über 100 Jahren gestorben ist. Das Konzept von „Aelita“ hingegen ist sehr spacig und im Grunde Science Fiction. Und das nächste Album-Konzept schwirrt uns auch schon durch den Kopf, das verrate ich Ihnen aber noch nicht.

Das ist auch was Ihr Bandkollege Gustaf in einem anderen Interview meinte, als er gesagt hat, dass es keinen typischen Mando-Diao-Sound gibt…

Dixgård: Genau, den gibt es nicht. Wir wollen uns von den Ketten um unsere Hälse befreien, die unseren Schaffensspielraum limitieren. Wir haben beim Blick in die Musiklandschaft oft Künstler gesehen, die bei einer Stilrichtung stecken geblieben sind. Wir versuchen ja nicht, das Rad neu zu erfinden. Das ist im Musikgeschäft inzwischen so gut wie unmöglich geworden. Wir wollen uns nur stets verändern – das nächste Mando-Diao-Projekt könnte ein Barbershop-Album sein.

Stört es Sie dann, dass Viele den typischen Sound der Band oft nur mit den ersten Platten assoziieren?

Dixgård: Es stört mich nicht, vielmehr tun mir die Leute einfach ein bisschen leid. Sie verpassen eine Menge Musik, und nicht nur von uns. Wenn sie in der Zeit hängen geblieben sind, als wir oder The Strokes oder The Libertines herausgekommen sind, scheint mir das ein recht eingefahrener Musikgeschmack zu sein. Ich respektiere diese Bands, und auch die Band die wir damals waren, würde aber heute nicht immer noch das Gleiche wie zu dieser Zeit machen wollen.

Die einen wünschen sich Veränderung, die anderen den bekannten Sound. Kann man es nie allen recht machen als Künstler?

Dixgård: Um ehrlich zu sein, dürfen wir an so etwas gar nicht denken als Musiker. Wir können immer nur hoffen, dass wir jedes Mal aufs Neue ein Publikum für das finden, was wir machen, und nicht eines Tages wieder vor nur fünf Menschen auftreten. Man muss einfach lernen, seinem eigenen Instinkt hinsichtlich Musik zu folgen. Danach liegt es nicht mehr in unserer Hand und so wird es wohl für den Rest unseres Lebens sein.

Vermisst man denn als Künstler auch manchmal diese kleinen, intimen Auftritte vor gefühlt fünf Personen?

Dixgård: Wir haben manchmal noch ein vergleichbares Gefühl, wenn wir beispielsweise bei einem Radiosender vor wenigen Menschen spielen. Aber ich nehme an, Sie sprechen von verschwitzen Auftritten in kleinen Clubs, die dieses typische Rock’n’Roll-Feeling darstellen. Ich schätze diese Phase unserer Bandgeschichte, sehne mich aber aktuell nicht zwangsläufig danach zurück. Ich will einfach nur Musik machen – ob nun in einem Club, einem Saal oder einer Arena, ist mir egal.