„Lone Survivor“: Der süße Tod fürs Vaterland

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„Lone Survivor“: Der süße Tod fürs Vaterland

Peter Berg versucht sich in "Lone Survivor" an einem Spagat: Zum einen zeigt er eindrücklich die blutige Fratze des Krieges. Doch andererseits kann er sich nicht von patriotischer Heldenverehrung und Hollywood-Klischees lösen.

Regisseur Peter Berg („Battleship“) arbeitet sich am Afghanistan-Krieg ab: Basierend auf der Autobiografie des Überlebenden Marcus Luttrell (im Film gespielt von Mark Wahlberg) erzählt „Lone Survivor“ die Geschichte der Operation Red Wings aus dem Jahr 2005. Ziel des Einsatzes ist die Eliminierung des Taliban-Führers Ahmad Shah (Yousuf Azami). Ein vierköpfiges Team der elitären Navy SEALs unter der Führung von Leutnant Michael P. Murphy (Taylor Kitsch) wird hierzu in den Bergen abgesetzt, um das Lager des Feindes auszukundschaften.

Doch von Anfang an geht alles schief: Der Funkkontakt zur Basis reißt ab, dennoch wechselt das Team wegen schlechter Sicht auf den Feind seine Position. Dort stolpern drei einheimische Ziegenhirten über das Versteck der SEALs. Diese setzen die Afghanen fest, beschließen nach kurzer Beratung jedoch, die Zivilisten freizulassen und sich zurückzuziehen. Prompt verrät einer der Hirten die Soldaten, die bald von schwer bewaffneten Talibankämpfern durch die Berge gejagt werden.

In diesen gut 40 Minuten erreicht der Film seine größte Intensität. Wenn sich die SEALs im felsigen Gelände abmühen, bei mehrfachen Stürzen die Knochen brechen und von Kalaschnikows durchlöchert werden, tut schon das Zuschauen (und das Zuhören – die Soundeffekte wurden nicht umsonst für einen Oscar nominiert) weh. Die Kamera klebt zumeist ganz nahe an den zerschundenen Soldaten, es wird geschrien, Blut gespuckt und in Zeitlupe gestorben. Ein übereilter Rettungseinsatz scheitert dramatisch, ein Hubschrauber voller Soldaten wird abgeschossen. Der Paschtune Gulab (Ali Suliman) findet schließlich Luttrell und versteckt ihn in seinem Dorf vor den Taliban. Hier verliert der Film merklich an Schwung, und auch die dramatische Rettung Luttrells vor einem Großangriffs der Fundamentalisten auf Gulabs Dorf kommt nicht an die Dramatik der früheren Kampfszenen heran.

Das liegt nicht zuletzt auch daran, dass dieser Teil des Filmes frei erfunden ist. Das wirkt nicht nur angesichts des ansonsten hohen Anspruchs auf Authentizität seltsam, sondern macht sich auch direkt in der Inszenierung bemerkbar. Den Szenen auf dem Berg merkt man jederzeit an, dass sich der Regisseur hier mit großer Hingabe und Detailverliebtheit an die Umsetzung der Erinnerungen Luttrells gemacht hat. Beim Finale wurde dagegen tief in die patriotische Hollywood-Klischeekiste gegriffen: Amerikanische Helikopter zerstreuen wirklich in letzter Sekunde die angreifenden Taliban, und natürlich muss Luttrell kurz vor Schluss noch mal wiederbelebt werden – was wäre schon eine Rettung ohne dramatisches Abflachen der EKG-Kurve?

Hier kommen wir auch zum Grundproblem des Films: „Lone Survivor“ wäre sicher besser geworden, hätte sich Berg um eine nüchternere Aufarbeitung des Vorfalls bemüht, ohne Rücksicht auf die Konventionen des Kriegsfilms und patriotische Heldenverehrung. Doch der Regisseur will den Gefallenen in Luttrells Team und dem Mythos der SEALs ein Denkmal setzen, und versucht deshalb krampfhaft, eines der schlimmsten militärischen Debakel, die die USA in der jüngeren Vergangenheit erlebt haben, irgendwie einen Sinn einzuhauchen.

So dürfen die kleinen, aber deutlichen Hinweise auf den 11. September nicht fehlen, ständig wird der Geist der Bruderschaft zwischen den Teamkameraden beschworen, und der kitschige Soundtrack aus der Feder der Postrocker Explosions in the Sky legt sich wie verklärender Zuckerguss über das Gemetzel. Der tragische Tod der Soldaten wird zum Opfer hochstilisiert – doch für was eigentlich? „Lone Survivor“ beweist trotz durchaus vorhandener Stärken mal wieder, dass für einen wirklich guten Kriegsfilm ein gewisser Abstand zum gezeigten Konflikt nötig ist. Für einen großen Afghanistan-Film ist es einfach noch zu früh.