Konstantin Wecker: „Das Schicksal war klüger als ich“

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Konstantin Wecker: „Das Schicksal war klüger als ich“

Fast pünktlich zum eigenen Geburtstag schenkt Konstantin Wecker seinen Fans eine neue CD. Bunt ist sie geworden, ähnlich wie sein Leben selbst. Im Interview spricht der Künstler über Lebenslügen, lange Beziehungen und den größten Glücksmoment - und Marilyn Monroe.

Konstantin Wecker (68, „Fliegen mit dir“) kostet das Leben aus, auch auf die Gefahr hin, dass es in den dunkleren Ecken manchmal nicht so gut schmeckt. Doch ohne Leid kein Tiefgang, ohne Emotionen keine Kunst und ohne Wut keine Veränderung. Dass dieser streitbare Künstler seinen Geburtstag am 1. Juni ausgerechnet mit zwei Frauen teilt, die vor allem dank ihres Äußeren berühmt wurden – Filmstar und Sexsymbol Marilyn Monroe (1926-1962) sowie Topmodel-Macherin Heidi Klum (42) – ist nur ein weiterer reizvoller Mosaikstein aus dem bunten Leben des Multitalents.

Seit Jahrzehnten gilt Weckers Streben einer friedlichen und gerechten Welt. Privat sieht es schon mal ganz danach aus, als könnte das gelingen. Denn trotz Trennung vor zwei Jahren leben der Künstler, seine Ehefrau und die beiden Söhne gemeinsam unter einem Dach. Eitel Sonnenschein? Nicht das Ziel, vermutlich nie gewesen. Das zeigt sich auch in seinem großen Interesse an „einem ganz besonderen Moment“ im Leben, den viele vielleicht einfach nur als traurig bezeichnen würden. Welcher das ist, erklärt der Münchner Liedermacher, Philosoph, Schauspieler und Autor im Interview mit spot on news.

Herr Wecker, Sie teilen Ihren Geburtstag (1. Juni) mit vielen Stars, darunter Marilyn Monroe und Heidi Klum. Was verbindet Sie mit den beiden?

Konstantin Wecker: Mit Heidi Klum verbindet mich gar nichts und ich mag auch ihre Topmodel-Show nicht. Den großen Druck, einem Image gerecht werden zu müssen, den Marilyn Monroe ja immer wieder beklagt hat, kenne ich natürlich auch. Vor meinem plötzlichen Erfolg hatte ich nie daran gedacht, mal in großen Konzertsälen zu spielen. Ich schrieb Gedichte und vertonte sie – das hätte mir gereicht. Mein Lied „Willy“ brachte dann den schnellen Erfolg, mit dem ich nie gerechnet hatte, mit dem ich dann aber auch nicht so gut umgehen konnte, weil ich damit als Liedermacher in eine Schublade gesteckt wurde. Irgendwann habe ich mich nach Italien zurückgezogen. Viele haben von mir erwartet, dass ich nach dem ersten „Willy“ einen „Willy“ nach dem anderen schreiben würde. Als ich dann aber mit einer völlig anderen Schallplatte aus Italien zurückkam, wurde sie sehr verrissen. Das war nicht leicht.

Alles andere als verrissen werden dürfte das Lied „Dass alles so vergänglich ist“ von Ihrer neuen CD „Ohne Warum“ (19. Juni). Wie persönlich ist es?

Wecker: Alles, was ich schreibe, ist insofern immer persönlich, als ich von meinem Wesen her Lyriker bin. Und der Lyriker kann eigentlich gar nicht anders, als über sich schreiben – auch wenn er über etwas anderes schreibt. Es kommt von innen. Die Gedichte müssen mir passieren. Das war schon so, als ich mit 14 angefangen habe, zu schreiben. Bei Prosa ist es anders. Da nehme ich mir vor, was ich schreiben möchte. Bei Gedichten oder Liedtexten muss der erste Entwurf aus mir herausfließen.

In dem Lied geht es auch um Paare, die zu lange zusammenbleiben. Was macht lange Beziehungen so schwer?

Wecker: Das Hauptproblem in langen Beziehungen ist, dass einer immer mal eine Entwicklung macht, die der andere eben zu diesem Zeitpunkt nicht nachvollziehen kann. Es gehört eine unglaubliche Geduld und bedingungslose Liebe dazu, das zu akzeptieren. Hinzu kommt natürlich, dass Männer und Frauen in so vielen Dingen so unterschiedlich sind, dass man sich, auch wenn man sich sehr bemüht, oft nicht verstehen kann. Nur in der Spiritualität und der Tiefe des Verstehens gibt es keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern. Liebe bedeutet eben auch, dem Anderen nicht die Freiheit zu rauben.

Wie lange arbeiten Sie an Ihren Liedtexten?

Wecker: Fast alle Texte der neuen CD, darunter auch das ellenlange „Revolution“, habe ich in nur vier Tagen geschrieben – als hätte mir einer diktiert. Das ist eine wahnsinnig schöne Zeit gewesen. Diese Kreativität, dieser Flow, dieses intensive Dasein ist der größte Glücksmoment, den man haben kann.

Vor dem Schreiben steht aber das Erleben…

Wecker: Erleben allein reicht nicht. Wenn man viel erlebt, kann man erfahren werden. Das aber nur, wenn man das Erlebte auch reflektiert. Dabei hilft das Schreiben generell natürlich schon, weil man viel über sich selbst erfährt. Dieses Reflektieren führt dazu, dass man merkt, dass alles leidvolle Erleben auch notwendig war. Es gehört zum Leben dazu.

Ohne Leid geht es nicht?

Wecker: Ich glaube, wir kommen nur zu uns selbst, wenn wir im Leben bestimmte Leid-Erfahrungen machen. Die Menschen, die mal wirklich gelitten haben und das auch eigenverantwortlich angenommen haben, sind für mich immer die interessanteren Menschen. Mit denen kann man besser reden, die haben eine ganz andere Tiefe in dem, was sie empfinden oder sagen.

Haben Sie schwierige Situationen gesucht?

Wecker: Im Gegenteil, wie jeder andere Mensch auch, wollte ich Leid vermeiden. Gar keine Frage. Im Nachhinein muss ich aber sagen: Das Schicksal war immer klüger als ich. Zum richtigen Zeitpunkt hat es mir immer eine auf den Deckel gegeben und mich ich eine Richtung gelenkt, in die ich erst vielleicht gar nicht wollte.

Was bedeutet das für Ihre Ziele und Pläne?

Wecker: Das habe ich mir seit vielen Jahren abgewöhnt. Denn immer wenn ich mir etwas ganz fest vornehme, passiert garantiert vom Schicksal etwas anderes, und es kommt nicht zustande.

Dafür beschäftigen Sie sich viel mit dem Sterben und dem Tod. Was fasziniert Sie daran?

Wecker: Es begann vor zehn Jahren, als meine Mutter im Hospiz gestorben ist. Damals habe ich viel mit den Mitarbeitern gesprochen, die sträflich unterbezahlt sind. Und dennoch möchte keiner von ihnen einen anderen Beruf haben. Ich kann das sehr gut nachvollziehen. Diese Zerbrechlichkeit eines Menschen, der weiß, dass er stirbt, und was da aus der geistigen Welt durchscheint, ermöglicht uns einen Ausblick in ein geistiges Universum, das uns meist verschlossen bleibt.

Was wünschen Sie sich für das eigene Sterben?

Wecker: Viele Menschen wünschen sich einen schnellen Tod, den sie vielleicht sogar gar nicht merken. Ich glaube, ich würde mich lieber vorbereiten, verabschieden und vor allem auch in dieser Phase noch mehr von mir erfahren wollen.

Mit wem sprechen Sie über diese Themen, die so viele Menschen lieber meiden?

Wecker: Mit meiner Familie und meinen Freunden. Ich habe aber auch das Glück, mit weisen Menschen wie dem Psychologen Arno Gruen und dem Theologen Eugen Drewermann befreundet zu sein. Außerdem erfreuen sich meine drei besten Schulfreunde noch bester Gesundheit und wir sind oft zusammen. Mit denen kann ich über alles reden. Und genauso mit meinen Musikern.

Sie sagen immer wieder, dass Sie Lebenslügen auf die Schliche kommen wollen. Wobei haben Sie sich mal ertappt?

Wecker: Mal? Man ertappt sich doch täglich. Ich habe als junger Mann die zartesten Liebesgedichte und Liebeslieder geschrieben, die vor allem die Frauen begeistert haben, weil sie sich verstanden fühlten. Mein Rollenspiel als Möchtegern-Macho allerdings war ein krasser Gegensatz zu dem, was ich in den Liedern offenbart hatte. Trotzdem habe ich in meinen Gedichten nicht gelogen. Gute Texte kann man nicht erlügen. Gelogen habe ich insofern, als ich viel weicher war, als ich es nach außen zeigen wollte.