Klaus Eberhartinger: Die Welt heute ist ein Monsterball

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Klaus Eberhartinger: Die Welt heute ist ein Monsterball

Der angebliche "Trachtenkrieg" der EAV mit Andreas Gabalier war nur ein Nebenschauplatz, eigentlich brennen der Band ganz andere Themen auf der Seele. Sänger Klaus Eberhartinger spricht mit spot on news über die "böse, giftige Zeit", in der wir leben.

Wenn es kein EAV-Album wäre, wäre es eigentlich traurig: Auf „Werwolf-Attacke – Monsterball ist überall“ kommen einem viele Themen von früheren Werken der Österreicher her reichlich bekannt vor – weil sie leider auch immer noch aktuell sind. Sei es die Finanzkrise, der radikale Islamismus oder das Atomunglück von Fukushima, das in einer Fortsetzung des EAV-Klassikers „Burli“ verarbeitet wird, die EAV nimmt sich gewohnt bissig den brennenden Themen unserer Zeit an. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news spricht Frontmann Klaus Eberhartinger (64) über „Charlie Hebdo“, den vermeintlichen „Trachtenkrieg“ mit Andreas Gabalier – und kündigt den Abschied der EAV an.

Was viele Fans besonders interessieren wird: Ist Gründungsmitglied Thomas Spitzer bei der EAV wieder fest dabei?

Klaus Eberhartinger: Der Thomas hat die erste Tour zur „Neue Helden braucht das Land“ mitgemacht und wollte dann als Gitarrist aussteigen, weil er eine Ausstellung vorbereiten musste für seine Bilder und Zeichnungen. Und er glaubt, er verscheißt da als Gitarrist seine Zeit auf der Bühne, was ich auch verstehe. Da haben wir uns geeinigt, dass ich dann alleine mit der Band vier Jahre auf der „Neandertal“-Tour gefahren bin, und jetzt kommt der Thomas wieder zurück auf die Bühne. Er ist live wieder dabei bis Ende dieser Tournee im April, dann geht er wieder. Er will zum einen weiter an seiner Ausstellung arbeiten. Das ist eine Ganzjahresausstellung, das ist eine ziemliche Arbeit. Und er möchte vor allen Dingen auch eine zweite Platte vorbereiten, weil wir jetzt viel Material liegen gelassen haben. Und wenn wir das fertig haben, haben wir uns schon verständigt, dass wir dann vielleicht die Abschiedstournee der EAV ins Auge fassen – die erste zumindest (lacht).

Sie haben sich im vergangenen Jahr auch eine Auszeit gegönnt. Was haben Sie da gemacht?

Eberhartinger: Ja, 2014 wollte ich keinen Auftritt machen. Nach acht Jahren permanenten Tingelns habe ich einfach gesagt, das reicht jetzt. Ich habe dann mit dem Kite-Surfen begonnen, gleich mal einen schweren Unfall gehabt und mir etliche Knochen gebrochen. Ich war ziemlich ramponiert, der Heilungsprozess hat vier Monate gebraucht, das war unangenehm.

Warum haben Sie sich für den Werwolf als übergeordnetes Thema des Albums entschieden?

Eberhartinger: Zuerst war eigentlich ein anderer Titel vorgesehen, nämlich „Pfeif drauf“, aber der Thomas hat dann gesagt „Werwolf-Attacke“. Meine erste Reaktion war „Nein, sicher nicht!“ Er hat mir dann die Zeichnung des Covers gezeigt, deswegen habe ich gesagt, „Ja, dann schon.“ Der Titel „Werwolf-Attacke – Monsterball ist überall“ passt nämlich, weil mit zunehmendem Fortschritt der Arbeit an der Platte immer klarer geworden ist: Die wird sehr politisch und sehr böse. Also sehr zeitgemäß eigentlich, denn die Zeit ist eine böse, giftige, und da ist das ein echter Eye-Catcher. Und wenn man diese Karikatur auf Cover ansieht, eilt der Werwolf selber in Panik vor dieser schrecklichen Welt davon. Der „Monsterball“, das ist die Welt heute.

Welche Entwicklungen machen Ihnen da besonders Sorgen?

Wir leben in einer Zeit, in der sich alles unglaublich zuspitzt. Der Neoliberalismus treibt Blüten, die unglaublich sind. China ist rein kapitalistisch geworden, mit einem Arbeiterheer, das keine Rechte hat und einem Unternehmertum, das in der Partei sitzt und alles Milliardäre sind. In Putin haben wir einen Zaren, der wieder widerspruchslos herrscht und den Nationalismus schürt. Wir haben Religionskriege wie seit dem Mittelalter nicht mehr. In der Türkei verspüre ich erste Versuche von Erdogan, das Kalifat wieder einzuführen. Das meine ich ganz ernst, der glaubt das auch. Wir haben eine Umverteilung auf der Welt, die eine einzige Sauerei ist, ein Prozent der Weltbevölkerung besitzt über 50 Prozent des Vermögens.

Ein Thema, das schon vor der Veröffentlichung Wellen geschlagen hat, war der „Trachtenkrieg“ um Andreas Gabalier.

Eberhartinger: Naja, das ging von einem Boulevardblatt aus, wo man dazu sagen muss, dass der entsprechende Journalist Haus- und Hofjournalist vom Gabalier ist. Der hat dann eine Nummer auf dem Album gehört, die uns eigentlich gar nicht wichtig ist. Das Thema haben wir am Rande behandelt, das ist eher ein Nebenschauplatz, der uns gar nicht so interessiert hat. Und der hat das dann zum Hauptthema gemacht und plötzlich den Krieg gegen Andreas Gabalier ausgerufen – zu unserem Erstaunen, weil der eigentlich nicht vorkommt, nur indirekt als Zitat, „Hat irgendwer a Liad für mi“. Wir kritisieren weder den Gabalier noch seine Fans. Der hat seine Karriere, vor der muss man Respekt haben. Wir wollten auch nicht die Tracht kritisieren, ich trage sie selber gerne.

Worum geht es Ihnen in dem Song „Lederhosen-Zombies“ denn genau?

Eberhartinger: Es geht darum, dass es, ausgehend vom kommerziellen Erfolg des Münchner Oktoberfests, in zunehmendem Maße eine Szene gibt, auf die die Bayern eigentlich auch schon mit Kopfschütteln draufschauen. Da ist eigentlich die Tracht zum Faschingskostüm verkommen, in der man sich dann Ballermann-mäßig ins Nirvana säuft. Und der Ballermann-Kultur kann ich gar nichts abgewinnen. Ich habe mir das zwei Mal angeschaut und bin wirklich mit Kopfschütteln wieder gegangen. Und wenn ich das hier im alpenländischen und voralpenländischen Raum sehe und das jetzt zum Trend wird, dann muss die EAV was sagen dazu. Aber das hat mit Gabalier selber nichts zu tun. Ich habe mit ihm auch nochmal kommuniziert, und er hat gesagt: „Lieber Klaus, alles gut!“

Ein viel wichtigeres Thema, das auf „Werwolf“-Attacke eine Rolle spielt, ist der radikale Islamismus.

Eberhartinger: Diese Radikalisierung wird uns noch lange beschäftigen. Das ist eine sehr enge Auslegung des Korans und wenn man sich ein bisschen damit auseinandersetzt – und das habe ich, weil ich durch meine zweite Heimat Kenia sehr viel mit Muslimen zu tun habe – weiß man, das ist nicht im Sinne Mohammeds, was da passiert. Die Mehrheit der Muslime ist gemäßigt und hat das auch nicht im Gepäck.

Machen Sie sich da nach dem Anschlag auf „Charlie Hebdo“ auch Gedanken um Ihre Sicherheit, zum Beispiel dann auf der Tournee?

Eberhartinger: Naja, das ist nicht auszuschließen, aber es ist falsch, da jetzt eine Vermeidungshaltung an den Tag zu legen. Etwa auch, dass wir jetzt alle satirischen Lokale zusperren und alle Magazine einstampfen. „Charlie Hebdo“ zum Beispiel, das ist keine brillante Satirezeitung, die Karikaturen sind schlecht. Aber die haben eine Regel gebrochen: Man darf Mohammed nicht darstellen. Das ist so, so sind diese Leute drauf. Das dürfen wir uns aber nicht gefallen lassen. Das ist ein Angriff auf unsere Meinungsfreiheit, auf unsere offene Gesellschaft, die wir uns mühsam erarbeitet haben. Deswegen ist der internationale Schulterschluss, „Je suis Charlie“, gerechtfertigt, man darf da nicht in die Knie gehen. Wir wollen aber auch kein Öl ins Feuer gießen.

Sie gehen also nicht als Mohammed auf die Bühne…

Eberhartinger: Nein, ich stelle mich jetzt nicht als Mohammed verkleidet hin, das macht man nicht. Ich finde allerdings auch die Reaktion des Papstes bedenklich: „Wenn jemand meine Mama beleidigt, dann muss er mit einem Faustschlag rechnen.“ In diesem Zusammenhang heißt das, ich rechtfertige körperliche Gewalt, wenn es um die Würde der Religion oder der Kirche geht. Das darf nicht sein, mein Lieber! Sowas muss eine Kirche aushalten. „Charlie Hebdo“ hat 60.000 Auflage gehabt, das ist doch nichts. Das sind von mir aus auch Entgleisungen des schlechten Geschmacks, das überlebt die Kirche locker, und das wird der Islam auch überleben.

Auf der anderen Seite erleben Bewegungen wie Pegida Auftrieb.

Eberhartinger: Also die Angst vor den Islamisten ist unglaublich gerechtfertigt. Da bin ich auch radikal, ich würde keinen Dschihadisten mehr ins Land zurücklassen. Weil jemand, der für dieses Wertesystem bereit ist, in den Krieg zu ziehen, andere Leute umzubringen und sein eigenes Leben zu gefährden, kann nur ein Ziel haben, wenn er zurückkommt: Nämlich hier die gleichen Ziele zu verfolgen, mit den gleichen mörderischen Mitteln. Den brauch ich hier nicht. Ich bin absolut für Toleranz, aber ich bin äußerst intolerant gegen Intolerante. Aber aus der Islamistenangst wird bei Pegida plötzlich Islamfeindlichkeit, aber das ist was ganz anderes. Und gleich Hand in Hand kommt die Ausländerfeindlichkeit, und dann sind wir dort, wo wir nicht hin wollen. Deswegen finde ich diese Gegendemonstrationen ganz wichtig und notwendig, damit dieser Stammtisch-Populismus auch wieder relativiert wird.

Sie haben zwei neue Musiker in der Band, was können Sie darüber erzählen?

Eberhartinger: Unser Bassist Leo Bei hat sich verabschiedet, vielleicht auch ein bisschen im Trotz, weil ich im August 2013 gesagt habe, dass ich 2014 eine Pause haben möchte. Das hat ihm nicht getaugt. Er hat sich dann verabschiedet, hat aber das dann auf Facebook bekanntgegeben, das habe ich nicht so Leinwand gefunden. Mit ihm ist damals auch der der Robert Baumgartner als Schlagzeuger gekommen, und er hat ihn auf Facebook auch gleich wieder mit hinausgenommen. Wir haben jetzt einen Schlagzeuger, Aaron Thier, der spielt auch bei Tokyo. Der ist schwerstens überqualifiziert aber wollte unbedingt bei der EAV spielen. Und wir haben jetzt einen Jamaikaner am Bass, Alvis Reid. Der spricht nicht gut Deutsch, aber er spielt gut Bass!

Was erwartet die Fans auf Ihrer neuen Tournee?

Eberhartinger: Wir werden wie immer hauptsächlich das Album umsetzen, optisch wie auch inhaltlich, und es wird Karikaturen vom Thomas geben, die auf die Bühne projiziert werden, darauf freu ich mich schon. Das wird viel Arbeit für ihn, auch für das technische Team, aber das ist jetzt leistbar geworden. Ansonsten werden halt die Nummern präsentiert werden. Die Schwierigkeit wird sein, dass die Erste Allgemeine Verunsicherung streckenweise zur Ernsten Allgemeinen Verunsicherung werden wird, weil die Themen ernst sind und man doch nicht alles verblödeln kann.

Conchita Wurst hat Österreich nach vielen Jahren den zweiten ESC-Sieg beschert. Was halten Sie eigentlich von ihr?

Eberhartinger: Conchita Wurst mag ich sehr. Ich kenne Tom Neuwirth auch schon von früher ein bisschen. Er hat diese Kunstfigur entwickelt, ein mutiger Schritt. Er hat unglaublich polarisiert, hat viel Scheiße fressen müssen auf dem Weg dorthin. Er hat alles riskiert, toll gewonnen beim Songcontest, der natürlich auch ein entsprechendes Netzwerk hat. Ich habe kein einziges blödes Interview von ihm gehört und er ist Botschafter geworden für Toleranz. Wobei ich da immer ein bisschen anders denke, weil Toleranz ist Dulden – er ist einfach Botschafter geworden dafür, dass man Anderssein nicht nur tolerieren, sondern auch respektieren sollte.