Klaas Heufer-Umlauf: „Ich will keine lustigen Lieder machen“
Magazin
Band Session im Proberaum
Neues von Gloria: Mark Tavassol und Klaas Heufer-Umlauf haben nach ihrem Debüt vor zwei Jahren ein zweites Album aufgenommen. "Geister" wird es heißen und von Orientierungslosigkeit und Reflexion erzählen. Im Interview sprechen die beiden über ihre Musik und ihre Kollegen.
Album Nummer zwei für Gloria: Mark Tavassol (41) und Klaas Heufer-Umlauf (31) besingen in „Geister“ keine Gespenster, sondern vielmehr die allgegenwärtigen Herausforderungen des Lebens. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news in München sprechen das Wir-sind-Helden Mitglied und der „Circus HalliGalli“-Moderator über Eitelkeiten, Spaß im Leben und Facettenreichtum. Denn abseits der ProSieben-Bühnen will Heufer-Umlauf „keine lustigen Lieder machen“. Kommerzieller Erfolg ist ihnen dabei weniger wichtig, erklärt Tavassol.
Ihr neues Album heißt „Geister“. Welche sind denn gemeint?
Klaas Heufer-Umlauf: Es geht um die individuellen Geister, die einen ziehen, locken oder in eine Richtung bringen. Das Wort kann man auf verschiedene Weise interpretieren: der Geist einer Sache, eine Ideologie oder etwas aus der Vergangenheit, das einen in der Zukunft behindert. Es kann auch für eine komplette Orientierungslosigkeit stehen, die einen verführbar für Geister macht, die anders scheinen, als sie sind. Das kann eine Geisteshaltung oder eine Blockade sein.
Sprechen Sie von falschen Idealen?
Heufer-Umlauf: Ich würde es Ideale einer Geisteshaltung nennen. Die Einschätzung von sich selbst oder ein fehlerhaftes Ziel, dass man sich vornimmt. Unterwegs merkt man dann, dass man etwas hinterhergelaufen ist, was weniger gut ist, als man dachte.
Ein Song des neuen Albums heißt „Das was passiert“. Worum geht es darin?
Mark Tavassol: Er ist an ein John Lennon-Zitat angelehnt: „Das Leben ist das, was passiert, wenn du dabei bist, andere Pläne zu machen.“ Wie oft haben wir ein Ziel erreicht und gedacht: und jetzt? Studium beenden, eine Anstellung bekommen, in eine bestimmte Stadt ziehen. Wenn ich später Dinge bereue, die ich nicht gemacht habe, was bringt mir dann dieses Ziel?
Heufer-Umlauf: Josef Hader wurde einmal gefragt, ob er sich auf eine Kino-Premiere freue. Er antwortete, eigentlich freue er sich nicht so sehr, denn am nächsten Tag sei sie bereits wieder vorbei. Das fand ich erfüllend: Wenn dir der Film keinen Spaß macht, was hast du dann von der Premiere?
Geht es Ihnen denn auch so?
Tavassol: Auch wir sind nicht davor gefeit, uns falsch zu entscheiden. Man kann sich an einem Album regelrecht tot arbeiten. Dann muss man sich jeden Tag fragen: Macht mir das noch Spaß? Wenn die zwei Wochen Tour nach der Albumveröffentlichung auch noch beschwerlich werden – dann sind wir selbst in dieser Falle.
Heufer-Umlauf: Es geht auch immer um die Nebeneffekte: Wenn man etwas vermeintlich Interessantes macht wie Musik oder Fernsehen – wie viel Eitelkeit steckt in meinem Motiv? Mache ich das zum Selbstzweck? Will ich nur Musik machen, damit andere Leute sehen, dass ich Musik mache?
Wenn Sie schon so fragen: Warum machen Sie Musik, Herr Heufer-Umlauf?
Heufer-Umlauf: Weil es mir Spaß macht. Deswegen haben wir auch fünf Jahre Musik gemacht, ohne den Plan für ein Album zu haben. Es ging eigentlich nur darum, diesen Spaß zu konservieren. Irgendwann hat sich das durch Gloria in eine konkretere Richtung entwickelt, jetzt müssen wir andere Dinge machen, um Spaß zu haben.
Daraus könnte man schlussfolgern, dass Ihnen auch der Erfolg nicht sonderlich wichtig ist.
Heufer-Umlauf: Das ist eine andere Sache. Wenn man etwas macht oder herstellt, will man es auch den Leuten zeigen. Je mehr kommen und gucken, desto toller ist das natürlich. Diese Eitelkeit darf nur nicht das Hauptmotiv sein. Es gibt im Fernsehen und der Öffentlichkeit so viele abgebrochene Leute, denen ist egal, was sie eigentlich machen.
Tavassol: Es kommt darauf an, wie Erfolg definiert wird. Wenn es darum geht, viel Geld zu verdienen, kann man sich über das Motiv streiten. Wer aber Musik macht, versetzt sich immer wieder in ein bestimmtes Gefühl. Wenn Erfolg bedeutet, zu spielen und dadurch dieses Gefühl zu erlangen, ist er natürlich immens wichtig. Wenn die Zuhörer im gleichen Moment auch dieses Gefühl entwickeln, dann ist der Erfolg schon präsent – egal, ob in den Club 50 oder 5.000 Menschen passen.
Heufer-Umlauf: Außer es sind 50 Leute in einem 5.000er Club…
Herr Heufer-Umlauf, Gloria ist inhaltlich schon sehr gegensätzlich zu ihren Shows im Fernsehen. Sehen Sie die Arbeit in der Band als Gegengewicht?
Heufer-Umlauf: Nein, ich persönlich nicht. Jeder Mensch besteht aus mehr Facetten, als die, die in eine zwei- oder dreistündige Sendung passen würden – auch ich. So eine Sendung hat eine klare Anforderung: Niemand möchte melancholisch eine Show-Treppe herunter laufen. Genauso wenig möchte ich lustige Lieder machen. Klar ist das irgendwie auch eine andere Seite von mir, aber es ist eben auch eine andere Ausdrucksform. Meine Freunde und Verwandten kennen alle Seiten von mir und wundern sich deshalb nicht. Falls Otto Waalkes aber morgen anfängt, ernste Gedichte zu schreiben, fände ich das auch komisch.
Können Sie, Herr Tavassol, ihn also auch noch ernst nehmen, wenn Sie den Song „U-Bahn-Ficker“ hören?
Heufer-Umlauf: Immerhin Platz 53 in den Single-Charts.
Tavassol: Ich bin ein gutes Beispiel für einen dieser Freunde von Klaas, die sich nicht wundern. Ich kenne ihn medial und ich kenne ihn privat. Das ist nichts Ungewöhnliches für mich.
Was halten denn Joko Winterscheidt und die ehemaligen Wir-sind-Helden-Kollegen von Ihrer Musik? Wie wichtig ist Ihnen ihre Meinung?
Heufer-Umlauf: Joko kennt die neue Single – und findet sie sehr gut. Das ist dann die Meinung des einfachen Mannes auf der Straße, das ist schließlich auch wichtig. Ich bin schon immer aufgeregt, wenn ich Leuten, die mir sehr viel bedeuten, meine Musik zeige. Einmal hat Joko aber auch angefangen, sich die Haare zu föhnen, als ich ihm einen Song vorgespielt habe. Das ist dann auch eine Antwort.
Tavassol: Bei uns verfolgen alle Bandmitglieder die Soloplatten und Projekte der anderen. Das sind wichtige Menschen und Weggefährten für mich, wir haben uns zehn Jahre lang sehr stark beeinflusst. Ihre Meinung ist mir sehr wichtig. Auf der anderen Seite ist es aber auch wichtig, sich zu emanzipieren. Deshalb haben wir damals bei Wir sind Helden die Pause auch ohne Ende festgelegt. Eigene Projekte kann man schließlich nur richtig angehen, wenn man nicht permanent eine Frist dafür im Hinterkopf hat.