Kendrick Lamar: Phoenix aus dem Goldstaub

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Kendrick Lamar: Phoenix aus dem Goldstaub

Es gibt Alben, die gehören schon zu den besten des Jahres, bevor sie überhaupt herausgekommen sind. Der zweifache Grammy-Gewinner Kendrick Lamar hat so einen Sonderstatus inne - als Wunderkind des Hip-Hop. Zu Recht, wie sein neues Album "To Pimp A Butterfly" beweist.

Ist es Jazz, ist es Funk, ist es Rap? Nein, es ist Kendrick Lamar! Das Hip-Hop-Wunderkind hat die Szene schon im Alter von 25 Jahren mit „Good Kid, M.a.a.d. City“ nachhaltig aufgemischt. Mittlerweile hat er zwei Grammys, ausschließlich begeisterte Kritiken und die Anerkennung der gesamten Szene. Kein Wunder, dass das dritte Album „To Pimp A Butterfly“, seinen Platz in den Jahresbestenlisten schon reserviert hatte, bevor überhaupt ein Ton davon zu hören war.

Lamar ist kein Künstler für plumpen Gangster-Hip-Hop und prolliges Ich-hab-den-Längsten-Gehabe, er agiert auf einer Ebene, auf die man sich einlassen muss. Zuhören, nachdenken, kombinieren. Vielleicht sogar mal in Geschichtsbüchern nachschlagen. „To Pimp A Butterfly“ strotzt nur so vor Verweisen, Zitaten, Metaphern. Und kommt an: Auf Spotify hat das Album bereits den Rekord für das meistgestreamte Album in 24 Stunden gebrochen.

Die Hauptthemen dieses Albums sind die aktuelle afroamerikanische Identität, Rassenproblematik, Polizeigewalt, Armut, Erfolg und was aus all dem wächst. Die Genialität beginnt schon beim Titel. „To Pimp A Butterfly“ ist eine Metapher auf den schwarzen Musiker, der vom Erfolg und dem Major Label zum Schmetterling beflügelt und als Goldesel ausgeschlachtet wird. Und endet im kongenialen letzten Track, den Lamar geschickt mit einem Interview von seinem großen Vorbild Tupac Shakur (1971-1996) verwebt.

Intelligent ist das sowieso, interessant aber auch weil Lamar die Hörgewohnheiten seiner Szene mit Fleiß überfordert. Auf „To Pimp A Butterfly“ gibt es fast keine Hits mehr, die zum einfachen Kopfnicken einladen. Stattdessen: Fordernder Free-Jazz, abgedrehter Funk, anspruchsvolle Spoken-Word-Kunst. Und über allem eine Art warme Schallplatten-Ästhetik, die Lamar wohl auch seinen Produzenten, darunter Dr. Dre, Flying Lotus und Thundercat, zu verdanken hat.

Der heute 27-Jährige arbeitet dabei mit massig Ideen und Stilmitteln, die „To Pimp A Butterfly“ zum absoluten Kunstwerk erheben. Er bildet Gegensatzpaare wie mit „For Free“ oder „For Sale“, „U“ und „I“. Er zitiert den Schriftsteller Wallace Thurman und sein Buch „The Blacker The Berry“, in dem es um Rassismus unter Schwarzen geht. Oder sampelt Tupac Shakur in einem Fantasie-Interview, der von all diesen Problemen schon in den Neunzigern berichtete. Lamars Stimme wird dabei zum beeindruckend wandelbaren Hauptdarsteller, der wütend schreit, verängstigt flüstert oder gekonnt flowt, wie es von ihm erwartet wird.

Fazit: Kendrick Lamar setzt mit diesem Album vollkommen neue Maßstäbe im aktuellen Hip-Hop. Wirklich Spaß hat damit aber nur, wer bereit ist, zuzuhören und mitzudenken.