K.I.Z.: „Ich träume immer, dass ich Leute umbringe“

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K.I.Z.: „Ich träume immer, dass ich Leute umbringe“

Die Berliner Rapcrew K.I.Z. bricht seit zehn Jahren in ihren Texten jedes Tabu. Auf ihrem neuen Album aber geben sie sich so düster und ernst wie noch nie. Im Interview reden sie über Wut, ihre schlimmsten Alpträume und Kiffer-Paranoia. Gelacht wurde trotzdem viel.

Das neue Album der Berliner Sarkasmus-Poeten K.I.Z. heißt „Hurra, die Welt geht unter“. Darauf geht es diesmal noch düsterer und ernster zu, als auf ihren bisherigen Werken. Auch im Interview mit spot on news geben sich Maxim, Tarek und Sil-Yan aka DJ Craft ungewohnt seriös. Ein Gespräch über Alpträume, Wut und Ängste.

Euer Album ist extrem negativ ausgefallen. Hat euch die Aufnahmephase mitgenommen?

Maxim: Nein, gar nicht. Wenn man sich mit Negativem beschäftigt, ergreift man Macht über diese Themen. Schlimm wird’s ja erst, wenn man sie nicht versteht und nicht auf Papier bringen kann.

Ist das Problem die Welt oder die Menschheit?

Maxim: Es ist eine sehr eitle Position, einfach zu sagen, die Menschheit sei schlecht. Das ist, wie wenn auf Facebook alle unter ein Foto von einem ölverklebten Vogel schreiben „Oh, die böse Menschheit“. Aber das ist nicht der Mensch, das ist Shell. Gerade bei so Umweltthemen können die Menschen zwischen einem Fabrikschlot und einer Zigarette nicht mehr unterscheiden.

Ich habe meinem Vater mal ein Album von euch vorgespielt. Und er meinte, er ist nicht mehr wütend genug für solche Musik.

Tarek: Oh, das ist schön.

Maxim: Der Grund ist wirklich schön. Und es stimmt, man braucht ein bisschen Wut, um das zu mögen.

Aber ist das nicht vielleicht genau das Problem, dass wir alle im Alter so…

Sil-Yan: Lethargisch werden?

Maxim: Na, lethargisch ist das ja nicht. Lethargisch wäre, wenn man sich gegen nichts mehr auflehnen würde. Aber wenn man wirklich zufrieden ist, dann spricht da überhaupt nichts dagegen. Man muss sich nicht künstlich aufregen.

Was macht ihr, wenn ihr richtig wütend seid?

Tarek: Ich bin ein großer Freund davon, Leuten ins Gesicht zu sagen: „Du bist ein Idiot, du quatscht scheiße“. Das hat was sehr befreiendes. Meistens ärgert es mich dann, dass ich dem Menschen nicht gleich noch den Kopf abgeschnitten habe und dafür verurteile ich mich dann. Aber es ist ja schon mal ein Anfang, den Leuten direkt zu sagen, was nicht ok ist.

Sil-Yan: Ich bin froh, dass du das nicht tust, weil sonst wärst du ja wahrscheinlich schon im Gefängnis und wir könnten nicht zusammen auf Tour gehen.

Maxim: Aber wir hätten ’nen Aufhänger für die Promo.

Was habt ihr eigentlich gegen das Feiern? Immer wenn es in euren Texten darum geht, dann wird es richtig abartig und traurig.

Sil-Yan: Kendrick Lamar, dessen Verwandte und Freunde alle in Gangfights gestorben sind, rappt über das Ghetto und die Zustände dort…

Maxim: … und unsere Homies fallen halt im Club.

Sil-Yan: Die sind halt an Drogen und anderen Dingen gestorben und deshalb hassen wir diese Partys.

Maxim: Aber wir lieben sie natürlich auch weil wir da herkommen und da geboren sind. Wir wurden alle im Club gezeugt und geboren.

Was kann euch einschüchtern?

Tarek: Intelligente, schöne Frauen. Ganz schlimm.

Maxim: Ne, die durchschau ich sofort. Da weiß ich genau was sie wollen. Die wollen den Urmenschen in mir.

Tarek: Vor Nilpferden hab ich Angst. Das gefährlichste Wesen der Tierwelt.

Maxim: Oder Eisbären, die sind krass. Die sehen so knuffig aus, aber sind richtige Killer.

Tarek: Aber wenn du dich immer um deine Sicherheit kümmerst, dann verpasst du vielleicht einen einmaligen Moment.

Maxim: Wie ’nen Kopfschuss.

Tarek: Oder einen Kopfschuss von nem Nilpferd.

Sil-Yan: Wovor ich am meisten Angst habe ist, auf wie wackligen Fundamenten alles aufgebaut ist. Und wie einfach man eigentlich diese Welt, in der wir leben, zum Einsturz bringen kann. Freundschaften, oder wir als Band, als Freunde.

Euer schlimmster Alptraum?

Maxim: Ich träume immer, dass ich Leute umbringe. Irgendwelche gefährlichen Typen, ich will keine Namen nennen. Der Mord an sich ist nicht problematisch, das geht mir ganz leicht von der Hand. Was mich am meisten beschäftigt, ist das Beseitigen der Leiche. Oder auch die Konfrontation mit Leuten, die den Ermordeten kannten und über die Rache philosophieren und ich lebe dann in der Angst, ertappt zu werden.

Tarek: Wenn man kifft, ist das ganze Leben ein Alptraum, aber so unterschwellig. Als ich noch gekifft habe, dachte ich mir die ganze Zeit „Was, wenn ich Aids habe? Und Leute, die ich geliebt habe, infiziert habe?“ Dann hab ich mich testen lassen und es war negativ – Gott sei Dank. Aber dann dacht ich mir: „Aber was, wenn es was anderes Tödliches ist? Krebs?“ Und dann hab ich aufgehört mit Kiffen.

Wie hast du aufgehört mit Kiffen?

Tarek: Ich hab mich für 800 Euro hypnotisieren lassen. Ich hab davor am Tag fünf Joints geraucht. Jetzt hab ich seit zweieinhalb Jahren nicht mal ’ne Zigarette angerührt.

Habt ihr eine Zeile, auf die ihr richtig stolz seid auf dem neuen Album?

Sil-Yan: „Ihr schreibt Geschichte, wir diktieren.“

Tarek: „Ich mach ’nen Affen wie die Eltern von Oliver Kahn“.

Maxim: „Der Tankwart tut so als würde ihm das ganze Geld gehören / Deswegen stirbt er für den Shell-Konzern / Für acht Euro die Stunde und ’n Fuffi Kassen-Inhalt / Und einem Boss der ihn nicht mal den Grabstein bezahlt“. Das fand ich eine sehr schöne, brutale Aneinanderreihung der Beziehung zwischen Arbeiter und Kapitalist.