Jung und Trümmer
Magazin
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Messer, Zucker, die Nerven - in Sachen deutschsprachigem Diskurs-Punk sind wir momentan gut aufgestellt. Trümmer klingen auf ihrem Debütalbum noch etwas poppiger als die anderen, ihre Texte sind Poesie für Hamburger Häuserwände und ihr Sänger sieht aus wie Blumfelds Jochen Distelmeyer. Bleibt die Frage: Was passiert hier eigentlich gerade und wieso hat das noch keinen Namen?
Eigentlich ist an dieser Band nichts neu: Die Stimme von Tele, das Denglisch und die betont verkünstelte Attitüde von Ja, Panik, die Verkopftheit und der Bass von Tocotronic, der hochmoderne Post-Rock-Touch der letzten Fotos-Platte, der Punk von Die Nerven. Wer sich für aktuellen, deutschen Indie-Rock interessiert, fühlt sich auf dem Debütalbum von Trümmer wie unter Freunden.
Aber natürlich tanzt man auch hier auf den Trümmern der Vergangenheit. Die Älteren schwelgen in Erinnerungen an Rio Reiser, Blumfeld – Trümmer-Sänger Paul Pötsch singt nicht nur stellenweise wie Jochen Distelmeyer, er sieht sogar so aus -, Die Sterne oder Goldenen Zitronen. Für die jungen Wilden besteht die Kunst dagegen darin, zu klingen, als hätte man dieses Popkultur-Lexikon im Hinterkopf nicht bemüht.
Altersbedingt steht dem Hamburger Trio der verzweifelte, jugendliche Leichtsinn am besten. Dass eine gewisse Liebe zur Lyrik vorherrscht, merkt man den Lyrics auch an, wenn im Presseschreiben nicht ein bisschen zu bemüht Adorno zitiert worden wäre. Fast jede Textzeile auf „Trümmer“ ist Poesie für Häuserwände:
„If you want to fight the system, you have to fight yourself“
„Die besten Entschlüsse fass ich in der Nacht / Wenn ich noch so schläfrig bin, dass ich alles vergesse was mich sonst so schläfrig macht“
„Das Leben ist ein Klischee, wie in einem Songtext, den ich erst jetzt versteh“
„In all diesen Nächten / Sind wir nicht brav, sondern schlimmer / Und wir werden niemals alt / Nein, wir bleiben so für immer, für immer“
Das ist schön und interessant, schmeichelnd intellektuell, trotzdem rau und wild, aber auch nicht zu laut, sodass sich extrem begeisterte Popkultur-Rezensenten in den Feuilletons momentan gegenseitig an Begeisterung übertreffen. Zucker, Messer, Nerven, Trümmer, Ja, Panik, Fotos, 1000 Robota: Die Frage ist mittlerweile, ob das ein gut geplanter Label-übergreifender Coup ist, jede Menge Trittbrett-Fahrer für einen Hype, angestoßen durch die Österreicher Ja, Panik. Oder ob hier gerade etwas entsteht, dem man langsam einen gemeinsamen Übernamen wie „Neue deutsche Schule“ geben sollte.
So spannend sie alle sind, so marginal sind die Unterschiede. Trümmer schaffen es allerdings immer, melodiöser als Die Nerven, luftiger als Messer und poppiger als Ja, Panik zu klingen. Man könnte meinen, sie hätten die perfekte Mitte gefunden. Man kann nur hoffen, dass die drei, deren Alter sich knapp an der Volljährigkeit bewegt, schon reif genug sind, den Hype um sich unbeeindruckt zu ignorieren. Ihre Musik klingt zumindest so:
„Ja ich weiß, alles muss zugrunde gehen / Nein, ich habe damit gar kein Problem / Komm wir sehen uns später auf den Barrikaden / Nostalgie ist prinzipiell nicht zu ertragen“.