Jonas Nay: „Teenie-Star ist nicht mein Ziel“
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Band Session im Proberaum
Zahlreiche wichtige Filmpreise hat er schon bekommen - und das mit 24 Jahren. Da könnte man schon mal abheben. Warum Jonas Nay deshalb aber noch lange nicht durchdreht und ob er wirklich so ein trauriger junger Mann ist, wie in vielen seiner Erfolgsfilme, erzählt der Jungschauspieler im Interview.
Fröhlich, aufgeschlossen und klug – so präsentiert sich Jungschauspieler Jonas Nay (24, „Homevideo“) im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news. Was für andere in seinem Alter normal sein mag, ist in seinem Fall eine echte Überraschung, denn die vielen wichtigen Auszeichnungen, darunter Grimme-Preis und Deutscher Fernsehpreis, hat er ausnahmslos für bitterernste Rollen bekommen. Und auch in seinem neuen, bereits preisgekrönten Kinofilm „Hirngespinster“ (Kinostart: 9. Oktober) überzeugt das Lübecker Multitalent mit einer kaum zu überbietenden Mimik, auch ohne Text spricht dieses Gesicht Bände. Warum er trotz Talent und Anerkennung nicht durchdreht und wie er überhaupt zur Schauspielerei gekommen ist, erklärt Nay im Interview.
Wie sind Sie zur Schauspielerei gekommen?
Jonas Nay: In der Lübecker Lokalpresse gab es einen Aufruf: Junge Schauspieler gesucht! Da habe ich mich beworben. So bin ich beim Studio Hamburg in der Kinderserie „4 gegen Z“ (2005-2006) gelandet. Nachdem ich das zwei Jahre lang gemacht hatte, bin ich ab und zu für kleine Rollen in Serien wie zum Beispiel im „Großstadtrevier“ gebucht worden. Meine jetzige Agentin, die ich aus Studio-Hamburg-Tagen kannte, hat mir dann das Buch zu „Homevideo“ (2011) auf den Tisch gelegt und gefragt, ob ich nicht zum Casting gehen will. Und weil der Film so ein großer Erfolg war, ging alles seinen Gang…
Ihre Rolle in „Homevideo“ ist sehr ernst, die in „Hirngespinster“ auch. Sie wirken aber gar nicht so?
Nay: Ich bin auch ganz anders als diese beiden Rollen. Ich bin eher ein glücklicher Mensch und hatte bisher auch ein sehr schönes Leben. Privat sieht man mich auf jeden Fall mehr strahlend als traurig. Aber offensichtlich ist da irgendetwas in mir, das diese Rollen anzieht. Aber ich spiele auch andere Figuren.
Dann würden Sie gerne mal eine Komödie drehen?
Nay: Auf jeden Fall. Es sind auch schon andere Sachen in Planung. Ich bewege mich noch bis Ende des Jahres für einen Mehrteiler im Genre Spionage-Thriller und das wird etwas ganz Neues. Mich interessieren derzeit vor allem die aktiven Charaktere. Beim traurigen Joni wird es also nicht bleiben.
Teenie-Star wird man auch eher mit Komödien…
Nay: Das stimmt, aber das ist nicht mein Ziel. Ich bin sogar sehr froh darüber, dass ich das nicht bin, weil ich eigentlich ein sehr entspannter, freiheits- und ruheliebender Mensch bin, der sehr gerne in Lübeck Jazz-Piano im Hauptfach studiert. Ein Medien-Show-Gesicht zu sein, wäre nicht mein Ding. Dafür bin ich, glaube ich, zu sehr Nordlicht.
Sie haben auch Filmmusik-Komposition und Ton-Ingenieur studiert. Warum?
Nay: Weil ich in der Band Northern Lights singe, selbst komponiere und gerade auch zusammen mit einem Freund eine CD produziert habe, wollte ich das einfach richtig lernen. Und jetzt möchte ich mich eben als Jazz-Pianist verbessern, daher studiere ich das. Das Tolle an der Musik ist auch, dass ich nach den Filmdrehs nie in ein Loch falle, weil dann ja immer meine andere große Leidenschaft auf mich wartet.
„Hirngespinster“ wurde beim Filmfest München uraufgeführt. Waren Sie zuvor schon mal bei dieser Veranstaltung?
Nay: Ja, das ist schon Tradition. Erst „Homevideo“, dann „Der König von Deutschland“ und dieses Jahr „Hirngespinster“. Und weil ich nicht so der Networking-Typ bin, es in München aber so herrlich unkompliziert ist, werde ich diese Tradition auch fortsetzen. Lustig ist übrigens auch, dass meine Schwester Katharina (28) bisher jedes Mal mit mir über den roten Teppich gelaufen ist und sich die Fotografen dann immer über meine „tolle Freundin“ freuen.
Warum wohnen Sie nicht wie viele Kollegen in Berlin?
Nay: Ich wohne in Lübeck. Zwischendurch habe ich mal in Hamburg gelebt, dann mit meiner damaligen Freundin in Rostock und jetzt wohne ich wieder bei meiner Familie, meinen Freunden und meiner Band. Eine Heimat zu haben, ist ganz wichtig, wenn man so viel unterwegs ist wie ich. Und Heimat ist für mich Lübeck.
Sie haben schon sehr viele Preise gewonnen. Wie schaffen Sie es, nicht abzuheben?
Nay: Ich glaube, sobald man in irgendetwas erfolgreich ist, kann man die Bodenhaftung verlieren. Das kann auch einem Manager oder einem Musiker passieren. Der wichtigste Schutz dagegen ist, aus meiner Sicht, vorher bereits ein gestandener Charakter gewesen zu sein. Auch ein funktionierendes soziales Netzwerk ist sehr wichtig… Aber natürlich habe ich mich jedes Mal tierisch gefreut, dafür sind Preise ja auch da. Und ich freue mich auch immer noch jedes Mal, wenn ich sie zuhause sehe. In dem schwarzen Regal über meinen Studien-Ordnern glitzern sie sehr schön.
Künstler, Kreativität, Verrücktsein, Wahnsinn – wo ist für Sie da die Grenze?
Nay: Ich mag es, wenn Menschen so ganz ehrlich eigen sind. Ich bin auch nicht Otto Normal. Auch der Vater (Tobias Moretti) im Film „Hirngespinster“ ist keinesfalls nur schrecklich. Er ist ein total kreativer Kopf, liebenswerter Mensch und liebender Vater. Nur leider leidet er unter seiner Krankheit – und seine Familie mit ihm. Solange man anderen damit nicht wehtut, kann man ruhig verrückt sein.
Ist der „Hirngespinster“ in seiner Darstellung der paranoiden Schizophrenie übertrieben?
Nay: Nein. Das Leben ist oft sogar noch viel krasser, aber das hätte uns keiner abgenommen.
Was ist für Sie die Kernaussage des Films?
Nay: Die hoffnungstiftende Kernaussage ist wohl, dass man gehen und sein eigenes Leben leben darf und soll. Trotzdem, wenn ich mir vorstelle, mein Papa… Ich bin so sehr Familienmensch, um die Menschen, die ich liebe, würde ich mich immer kümmern.
Was ist Ihr ultimativer Fimtipp?
Nay: Wenn ich mal total abschalten und herzlich lachen will, schaue ich die US-Serie „New Girl“. Ich weiß: Selber Arthousefilm machen und dann das toll finden… Aber es sind so großartige Schauspieler und man braucht einfach beides: ernsthafte Filme und solche, die einem ein breites Grinsen ins Gesicht zaubern.