„Horns“: Romantik für Männer

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„Horns“: Romantik für Männer

Daniel Radcliffe als rachsüchtiger Dämon wider Willen. Wer sich darauf einlässt, wird mit "Horns" gleich auf mehreren Emotionsebenen bestens unterhalten.

Vom „Harry Potter“-Knäblein zum Fürsten der Finsternis. So düster die letzten Teile der Zauberer-Reihe auch waren, der schauspielerische Paradigmenwechsel von Daniel Radcliffe ist angesichts des Horror-Dramas „Horns“ nur allzu deutlich. Die Verwandlung vom einstigen Kinderstar-Engelchen hin zum gehörten Monstrum – einen ähnlichen Lebenslauf hat auch Luzifer höchstpersönlich vorzuweisen. Mit einem feinen Unterschied: Selbst als abscheulicher Dämon schafft es Radcliffe irgendwie, in „Horns“ der Gute zu bleiben.

Das verlorene Paradies

Ignatius „Ig“ Perrish (Radcliffe) und Merrin Williams (Juno Temple) bedeuten einander die Welt. Seit Kindesbeinen an sind die zwei unzertrennlich, im Teenager-Alter wurde aus der infantilen Freundschaft eine innige, schier unbändige Liebesbeziehung. Doch ihr Paradies auf Erden sollte nicht von Bestand sein: Bestialisch ermordet wird die junge Merrin eines Tages in einem Waldstück gefunden, in direkter Nähe des gemeinsamen Liebesnestes von ihr und Ig. Für den Vater des Opfers und beinahe jeden Bewohner der kleinen Stadt steht fest: Ig hat seine Freundin auf dem Gewissen.

Doch was tun, wenn außer dem besten Freund und dem älteren Bruder alle Welt glaubt, dass du deine große Liebe kaltblütig mit einem Stein erschlagen hast? Für Ig liegt die Antwort auf diese Frage alltäglich auf dem Grund einer Schnapsflasche. Nach einer besonders durchzechten Nacht macht der vermeintliche Killer aber eine ungewöhnliche Verwandlung durch: Aus seiner Stirn beginnen plötzlich zwei diabolische Hörner zu wachsen, die ihm übernatürliche Fähigkeiten verleihen. Durch sie vertrauen ihm die Menschen auf einmal ihre düstersten Geheimnisse und Sünden an. Aber ist Ig wirklich das Monster, das er nun auch optisch verkörpert, oder kann er seine neu gewonnenen Kräfte dazu nutzen, um den wahren Mörder seiner Freundin zu stellen?

Die Mischung macht’s

Ein „Romantic Horror“-Film? Regisseur Alexandre Aja stand bislang mit Filmen wie „The Hills Have Eyes“ oder „High Tension“ für knallharten Splatter. „Horns“ beweist hingegen, dass Horror eklig und gefühlvoll zugleich sein kann. Etwa vergleichbar mit „Bram Stoker’s Dracula“, in welchem Gary Oldman als meist grausiger Blutsauger auch eine romantische Seite hatte und „die Ozeane der Zeit überquerte“, um seine Angebetete Elisabeta (Winona Ryder) zu finden. Auch am Soundtrack von „Horns“ kann dieser seltene Mix deutlich erkannt werden: „Heroes“ von David Bowie wechselt sich fast nahtlos mit „Personal Jesus“ von Marilyn Manson ab.

Das ist ohne Wenn und Aber eine riskante Mischung, da die Lager der Horror- und Romantik-Fans in aller Regel wenig bis keine Schnittmenge aufweisen. Wohl auch deshalb hat es so lange gedauert, ehe „Horns“ in die deutschen Kinos kam. In den USA startete der Film bereits 2014, Premiere feierte er gar noch ein Jahr früher in Kanada.

So droht, dass alleine durch diese Prämisse vielen Zuschauern ein bei weitem nicht perfekter, aber nichtsdestotrotz äußerst sehenswerter Film durch die Lappen geht. Denn die Chemie zwischen Radcliffe und Temple, die über stete Rückblenden gezeigt wird, ist glaubhafter und rührender, als bei dem Großteil der so oft lieblos zusammengeschusterten Schmonzetten. Dazu gibt es aber eben auch noch viel Blut, einen beeindruckend entstellten Hauptdarsteller, und sogar einen platzenden Kopf – Romantik für Männer eben.

Spiel es noch einmal, Sam

Jene Flashbacks sind gleich in doppelter Hinsicht das Herzstück des Films. Sie zeigen nicht nur das vergangene Glück der beiden, sondern dienen auch dazu, dem Zuschauer scheibchenweise zu verdeutlichen, wie aus dem Liebes-Paradies die Hölle auf Erden werden konnte. Besonders eignet sich „Horns“ somit für einen zweiten Durchlauf. Denn ohne zu viel verraten zu wollen, gibt es für einige finale Twists mitunter schon ganz am Anfang Anzeichen, die subtil in die Geschichte verwoben wurden.

Streckenweise zu konstruiert

Ein Manko des Films sind die mysteriösen Kräfte, die Ig durch seine Hörner erhält. Menschen vertrauen ihm nicht nur ihre geheimen Gedanken an, er kann sie auch dazu zwingen, ihre Gelüste auszuleben. Last but not least kann er durch Berührung auch noch Erinnerungen der Personen nachempfinden.

All das sorgt im Laufe des Films zwar für interessante und zuweilen unerwartet witzige Szenen, insgesamt wirkt das Ganze aber hin und wieder zu konstruiert. Zumal die Fähigkeiten bei jeder Person unterschiedlich zu wirken scheinen. Dass sich alle Protagonisten in der Regel komplett normal mit Ig unterhalten, selbst als er wie der leibhaftige Teufel daherkommt, wird im Film eher fadenscheinig erklärt. Zumindest ist es ein Zauber, der durch seine immer wieder inkonsequente Natur innerhalb der knapp zwei Stunden Laufzeit schwer zu schlucken ist. Hier gilt leider die Marschroute, dass man über einige dieser Momente nicht zu sehr nachdenken darf.

Fazit

„Horns“ ist Fantasy, Horror, Drama und Romantik mit einer Prise Komödie. Dass diese wilde Mischung trotz einiger Schwachpunkte zu überzeugen weiß, liegt neben Radcliffe und Temple an der spannenden Geschichte. Der Film hat zahlreiche Irrungen und Wirrungen, die den Zuschauer ein ums andere Mal zu überraschen wissen, ohne so hanebüchen wie in Ajas „High Tension“ zu enden. Ob der Film aber hierzulande ein kommerzieller Erfolg werden kann, ist wegen der doch sehr speziellen Zielgruppe zu bezweifeln.