Holger Stromberg und Stefan Marquard: So nehmen sie es gegen Schuhbeck auf
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Musik ist ein Teil unseres Lebens
Ein Showprogramm und ein 4-Gänge-Gourmet-Menü von den Spitzenköchen Holger Stromberg und Stefan Marquard gibt es ab November im Münchner Cotton Club. Im Interview verrieten die beiden Spitzenköche, wie sie es gegen "Platzhirsch" Schuhbeck aufnehmen und was passieren würde, wenn sie "nur ihr Hirn" auf die Teller bringen.
Rund 3,5 Stunden Showprogramm inklusive 4-Gänge-Gourmet-Menü von Stefan Marquard (50, „Blitzküche“) und Holger Stromberg (42, „Iss einfach gut“) gibt es ab dem 6. November im Rahmen der „Cotton Club“-Dinnershow in München. Stromberg, jüngster Sternekoch Deutschlands und Weltmeister-Koch der deutschen Nationalmannschaft und Marquard, Sterne- und Fernsehkoch, wollen die Geschmackssinne der rund 40.000 Gäste in über 100 Vorstellungen ansprechen – mit Eismeer-Lachsforelle und Kalbsrolle „Vitello Forello“ über „Crispy Sea bass“ mit Honig-Maracuja-Sauce und Rinderfilet „Ox-Soul & Pumpkin-Swing“ bis hin zum „Chocolate Curry Cookie“-Dessert. Eine Veggie-Variante gibt es natürlich auch. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news verrieten die beiden, wie ihr Verhältnis zu „Platzhirsch“ Alfons Schuhbeck ist. Stromberg spricht außerdem über die Weltmeister-Feier und warum er im Moment keine TV-Show will.
Sie arbeiten für den Münchner Cotton Club zusammen. Ist es schwieriger, zu zweit ein Menü zu kreieren?
Holger Stromberg: Nein, da könnte ich mich auf Dauer drauf einlassen. Alleine denken, ist nicht immer so schön. Wir haben uns zweimal getroffen und dreimal telefoniert und dann stand das Menü.
Stefan Marquard: Holger hatte seine Ideen, ich hatte meine und die haben wir zusammengeworfen. Das Cotton Club Menü – in der Fleisch/Fisch- wie auch der vegetarischen Variante – haben wir gemeinsam kreiert. Wir haben uns bildlich gesprochen in einer Küche eingeschlossen, die Köpfe zusammengesteckt und einen geistigen und kulinarischen Marmorkuchen kreiert: wenig Komponenten, wenig Schi Schi, sondern auf den Punkt gebracht. Wir wollen, dass unsere Gäste einen Mund voller Geschmack serviert bekommen. Perfekt abgeschmeckt und nicht inszeniert. Kurzum: Wir servieren die Genialität der Einfachheit.
Sie wollen die Deutschen nicht zu sehr verschrecken, wenn es ums Essen geht. Hätten Sie gerne noch mehr experimentiert?
Marquard: Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte es keinen Loup de mer gegeben, sondern zum Beispiel richtig leckeren Kabeljau. Und auch kein Rinderfilet – das Tier hätte jede Menge anderer Stücke, die alle um Klassen geschmacklich besser sind. Aber der Mensch ist ein Gewohnheitstier und der Münchner verwöhnt, der möchte sein zartes Filet haben. Wir können kreativ sein wie wir wollen, aber es muss sich auch verkaufen lassen.
Stromberg: Hackfleisch und Pizzen verkaufen sich so gut, weil die Menschen es einfach kennen und keine „Angst“ davor haben. Wir sind beide extrem kreativ – wenn wir ein Menü kredenzen, wie wir es gerne essen würden, wäre das wahrscheinlich nicht vermarktbar. Für den Cotton Club haben wir daher luxuriöses Mainstream mit edlem Rinderfilet und feinstem Fisch kombiniert, wobei mir wichtig ist, zu betonen, dass uns Mainstream genauso lieb ist wie Koch-Avantgarde.
Marquard: Bei aller Kreativität können wir auf keinen Fall an den Bedürfnissen der Menschen vorbei kochen. Wenn wir nur unser Hirn auf die Teller bringen, kommt kein Mensch. Und deswegen haben wir eine geniale Kombination aus Kreativität und geschmacklichem Feuerwerk und nehmen auch die Gäste mit auf eine kulinarische Reise mit Dingen, die sie kennen und mögen.
Teile des Menüs haben Sie aus Brasilien mitgebracht: Haben sich die Nationalspieler des FC Bayern schon für den Cotton Club angekündigt?
Stromberg: Nein, die haben sicher gerade anderes im Kopf und wir haben alle noch viel zu verarbeiten. Wir hatten ja schon wieder Länderspiele und treffen uns noch zweimal dieses Jahr. So ein WM-Jahr ist brutal hart. Aber wenn gerade kein Spiel ist und ansonsten nichts Wichtiges ansteht, sind wir sicher eine gute Option für die Spieler. Aber das entscheiden die Spieler natürlich selbst.
War es in Brasilien schwierig, die richtigen Lebensmittel zu beschaffen?
Stromberg: Ja, sehr. Das ist ein absolutes Export-Land. Der Brasilianer an sich isst sehr analog, es gibt fast jeden Tag schwarze Bohnen, Reis und was dazu. Der Warenkorb ist sehr begrenzt und sehr regional. Das Wichtigste bei einem so großen Turnier ist aber, die Mannschaft energetisch und ernährungsphysiologisch wertvoll durchzubringen und das gelingt auch mit einem kleinen Warenkorb. Je länger wir da waren, desto kreativer musste ich allerdings sein, um mit den wenigen Dingen immer etwas anderes anzustellen. Aber das beherrsche ich und deswegen wurde es auch keinem langweilig.
Wie haben Sie die Feierlichkeiten nach dem Titel erlebt?
Stromberg: Das war Gänsehaut pur. Da werden sich mir auch noch in 30 Jahren die Härchen aufstellen. Wenn man sechs Wochen in Brasilien war, sieht man auch wieder, was für ein sensationelles Land wir hier haben. Ich habe mir geschworen, dass ich nie wieder schimpfen will. Wir müssen jeden Tag dankbar sein, in diesem Land leben zu dürfen. Und die Ankunft in Berlin bei diesem weltmeisterlichen Wetter mit diesen Menschenmassen, die sich gefreut und gefeiert haben an einem Wochentag zur Arbeitszeit, nimmt mir keiner mehr. Das war einfach nur geil.
In München konkurrieren Sie mit dem Cotton Club mit Alfons Schuhbecks Dinnershow.
Marquard: Konkurrenz belebt das Geschäft. Alfons ist der Platzhirsch, keine Frage. Er hat vieles richtig gemacht. Dass wir ihm jetzt vielleicht ein kleiner Dorn im Auge sind, ist aber auch okay. Ein bisschen sticheln und frotzeln von beiden Seiten schadet doch nicht. Wir gönnen jedem seinen Erfolg, können uns trotzdem noch in den Arm nehmen. Und für die Leute ist es eine Bereicherung, weil sie eine Alternative haben.
Haben Sie die Künstler, die in der Dinnershow auftreten, schon kennen gelernt?
Marquard: Teilweise. Mit Ron Williams haben wir natürlich eine Bank. Er hat so eine große Aura, Ausstrahlung, Energie und Power und ist ein sensationeller Entertainer. Und jeden Abend über 40 Künstler auf der Bühne zu haben, das ist schon eine Ansage.
Die Musik geht in Richtung Soul, Jazz, Swing – hören Sie sowas auch privat?
Marquard: Überhaupt nicht. Bei mir gibt es nur Punkrock und Rock. Wir haben in der Show Soul, Swing und Blues – und den Rock’n’Roll auf den Tellern.
Stromberg: Ich liebe diese Filme aus den 30er Jahren mit den Cotton Clubs – die Mädels mit ihren tollen Outfits und zeitlos-modernen Haarschnitten, die Gangster in ihren perfekt geschnittenen Anzügen, und alles, was dazugehört. Das war einfach eine einmalige Zeit. Da ging die Post ab. Diese Musik fängt die ganze Stimmung ein. Bei uns fliegen natürlich keine Leute durch das Zelt und keiner muss auf die Bühne. So etwas würde ich nie machen. Ich war einmal in einem Zelt eingeladen, als ein Clown an den Tisch kam – und ich habe mir nur gedacht: Wenn du mich jetzt mitnimmst, dann fall ich tot um.
Sie zählen zu den „jungen Wilden“. Wie hat sich das Kochen bei Ihnen im Laufe der Zeit verändert?
Marquard: Wenn ich mir mein erstes Kochbuch ansehe, dann sind das für mich immer noch tolle Gerichte, aber ich würde kein einziges mehr so kochen. Es hat sich nichts geändert in Sachen Kreativität. Die Genialität liegt in der Einfachheit, das wird auch immer so bleiben. Man ist aber gesünder, nachhaltiger und perfekter geworden. Wir haben uns weiterentwickelt, ohne unsere Handschrift abzulegen. Die Gerichte sind locker, flockiger, viel einfacher und ich mache heute alles in einem Fünftel der Zeit.
Stromberg: Bei mir hat sich auch gar nicht so viel verändert. Natürlich entwickelt man sich weiter und denkt gewisse Dinge anders. Ich habe immer gesagt, dass es einen Mainstream-Anker geben muss, um die Menschen mitzunehmen. Unsere eigenen Köche verstehen ja teilweise nicht, was wir da machen. Und wir müssen die Kunden so weit mitnehmen, dass sie uns vertrauen, dass das, was auf dem Teller ist, einfach spitze schmeckt und bester Qualität ist. Bei mir spielt Gesundheit und „einfach gut essen“ eine immens große Rolle und da denke ich heute über Lebensmittel und Zutaten ganz anders nach. Vom Kochen her bin ich mir aber treu geblieben. Früher standen wir auch unter dem Druck, zur Elite Deutschlands zu gehören. Heute sind wir hier entspannter, müssen nichts mehr beweisen: Wir geben uns nicht mehr in die Erwartungshaltung. Wir kochen leichter auf und sind nicht mehr so nervös. Da gibt es auch die Parallelen zum Fußball: Im Endspiel haben uns die Erfahrenen zum Titel gebracht.
Und wann bringen Sie Ihre Erfahrung in einer TV-Show ein?
Stromberg: Es kommen immer wieder Angebote, aber zum einen hat für mich die Nationalmannschaft derzeit höchste Priorität und zum anderen sind die Fernsehsender noch nicht so weit, dass sie eine Kochshow mit echter Qualität und fundiertem Inhalt konzipieren, woraus die Zuschauer ein tatsächliches Learning für sich hätten. Aber die Zeit wird kommen, da bin ich mir sicher.