„Guardians of the Galaxy“: Atemlos durch das All
Magazin
Band Session im Proberaum
Selten so gelacht: Das neueste Abenteuer aus dem Hause Marvel setzt auf gut getimte Schenkelklopfer und eine bunte Inszenierung. Herausgekommen ist der beste Superhelden-Film der letzten Jahre.
Mehr als alle anderen Marvel- oder DC-Verfilmungen ist „Guardians of the Galaxy“ ein klassischer Comic auf der Kinoleinwand. Auf der Habenseite heißt das: Bunt, witzig, erfrischend, voller Zitate, Anspielungen und Querverweise. Aber eben auch: Oberflächlich in der Charakterzeichnung, beliebig bei der Story. Ein kurzweiliger Science-Ficton-Spaß, der sich selbst immer wieder auf die Schippe nimmt und optisch einiges her macht. Manche behaupten nicht zu Unrecht, „Guardians of the Galaxy“ ist der Film geworden, der zumindest einer der letzten drei „Star Wars“-Teile hätte sein sollen.
Wo wir schon beim Vergleich mit der legendären Sternen-Saga wären: Hauptprotagonist Peter Quill (Chris Pratt) ist Marvels Äquivalent zu Han Solo. Ein Pilot und intergalaktischer Vagabund, der sich selbst „Star-Lord“ nennt und auf der Suche nach kostbaren Relikten durch einen dummen Zufall zwischen die Fronten eines (welt-)allumfassenden Konfliktes gerät. Auf seiner wilden Flucht verbündet sich Quill notgedrungen mit einem bunt zusammengewürfelten Haufen Outlaws: dem waffenschwingenden Waschbären Rocket Racoon, dem Baummenschen Groot, der Killerin Gamora (Zoe Saldana) und dem hünenhaften Drax (Dave Bautista). Unter dem Namen „Guardians of the Galaxy“ zieht diese ziemlich spezielle Heldentruppe gemeinsam in den Kampf um das Schicksal des gesamten Universums. Irgendjemand muss den Job ja erledigen…
In den USA stieg „Guardians“ nach dem ersten Wochenende auf Platz eins der Charts ein und legte mit 94 Millionen Dollar den erfolgreichsten August-Kinostart aller Zeiten hin. Klar, der finanzielle Erfolg ist bei Marvel-Projekten mittlerweile vorprogrammiert. Bereits „The Amazing Spider-Man 2“, „Captain America: Return of the first Avenger“ und „X-Men: Zukunft ist Vergangenheit“ ließen die Geldspeicher in diesem Jahr ordentlich anwachsen. Umso schöner, dass der Comic-Gigant das nicht zum Anlass nimmt, sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen, sondern diesmal auch bereit ist, etwas zu riskieren und die Zuschauer zu überraschen. Den meisten dürften die „Guardians of the Galaxy“ bis vor kurzem nämlich kein Begriff gewesen sein. Ihren Einstand feierten die Comic-Helden in gedruckter Form 1969, erst in den 90ern erhielten sie ihre eigene Reihe, blieben aber stets im Schatten der „Avengers“- oder „X-Men“-Protagonisten.
Alleine die geringe Bekanntheit der Vorlage birgt also ein Risiko und auch die Wahl der Protagonisten ist auf den ersten Blick gewagt. Mit James Gunn (44) holte man sich einen Regisseur an Bord, der bei der US-Independent-Filmschmiede Troma – spezialisiert auf Low-Budget-Projekte mit expliziter Gewaltdarstellung – sein Handwerk lernte. Nach gelungenen Drehbüchern für das „Dawn of the Dead“-Remake und „Scooby-Doo“ (2002) gab er mit „Slither“ 2006 sein Regiedebüt. Eine bei Liebhabern angesehene Splatter-Komödie, die blöderweise die eigenen Produktionskosten nicht einspielen konnte. Außerdem produzierte er mit seinen beiden Brüdern Brian und Sean in „James Gunn’s PG Porn“ eine Webserie aus einer Reihe von Pornofilmparodien.
Nicht weniger überraschend war die Entscheidung, Chris Pratt (35) als Hauptdarsteller zu verpflichten. Der gute Mann verabschiedete sich mit 17 Jahren per One-Way-Ticket nach Hawaii, um sich dort vor allem auf den Genuss von Marihuana zu konzentrieren. Nur durch einen Zufall schaffte er es ins Filmgeschäft, wobei er vor allem durch die US-Serien „Everwood“ und „Parks and Recreation“ Berühmtheit erlangte. Seine bisher schwierigste Aufgabe war es laut eigenen Aussagen, die „Guardians“-Verantwortlichen beim Vorsprechen für die Rolle davon zu überzeugen, seinen Körper in Superhelden-Form zu bringen. Gut für ihn: Mit der Entscheidung, Robert Downey Jr. 2008 als „Iron Man“ zu verpflichten, hat Marvel schon einmal eine unpopuläre Entscheidung getroffen, die sich hinterher als Glücksgriff erwies. Ähnliches lässt sich nun auch von Pratt behaupten. Sein Peter Quill ist cool, witzig und in den richtigen Momenten ein echter „Badass“.
Auch die übrigen (menschlichen) Darsteller gehen in Ordnung, wobei Zoe Saldana (36) die etwas undankbare Aufgabe zukommt, als mysteriöse, grünhäutige Auftragskillerin Gamora in all der bunten und witzigen Action das tragische Element zu sein. Stichwort: Spaßbremse. Dagegen macht Wrestling-Schwergewicht David Bautista (45) – tatsächlich auch im echten Leben ein Tier von einem Mann – als Drax the Destroyer deutlich mehr Spaß. Der Haudrauf nimmt Sprichworte, Redewendungen und Metaphern nämlich gerne wörtlich, was für einige Lacher sorgt.
Die heimlichen Stars sind allerdings Rocket Raccoon, seines Zeichens ein sensationell animierter schießwütiger Waschbär, und das Baumwesen „Groot“. Gesprochen werden die beiden in der englischen Fassung von Bradley Cooper und Vin Diesel. Letzterer hat nur den Satz „I am Groot“ („Ich bin Groot“) zu sagen, gibt diesen drei Worten aber so viele Emotionen mit auf den Weg, dass man als Zuschauer tatsächlich zu verstehen scheint, was die humanoide Baum-Kreatur ausdrücken möchte.
Auf der einen Seite ist es bei gleich fünf „Guardians“ natürlich klar, dass die Einführung eines jeden Protagonisten ohne große Hintergrundinfos passiert. Lediglich zu Peter Quill erfährt man etwas mehr als bloße Andeutungen. Für einen bereits angekündigten zweiten Teil wäre es allerdings wünschenswert, etwas mehr über die einzelnen Schicksale zu erfahren. Gerade Rocket und Groot würden sich dabei natürlich anbieten.
Und wo wir schon bei Verbesserungsvorschlägen sind: Bei der Story dürfen sich die Marvel-Verantwortlichen langsam etwas Neues einfallen lassen. War es bei den „Avengers“ der kosmische Würfel „Teseract“, um den ein Kampf entbrannte, so ist jetzt eine mysteriöse Kugel der vermeintliche Schlüssel zur Herrschaft über das Universum. Quill stibitzt das Objekt der Begierde ohne zu ahnen, welch mächtige Superwaffe er da in den Händen hält. Deswegen heftet sich Obermotz Ronan an die Fersen von Quill und seinen Begleitern. Kurz: Die „Guten“ haben etwas, die „Bösen“ wollen es und am Ende gibt es das obligatorische Gipfeltreffen.
Nächster Kritikpunkt: ein echter Gegenspieler für die fünf Weltraum-Piraten ist leider nicht auszumachen. Ronan, gespielt von Lee Pace, ist nämlich eine ziemliche Enttäuschung. Regisseur James Gunn beschreibt ihn zwar als „böse wie man nur böse sein kann“, nur leider ist davon nichts zu merken. Wie ein schlechter Darth Maul-Klon taucht Ronan einfach auf der Bildfläche auf, blökt ein paar mal ziemlich zusammenhanglos durch die Gegend und lässt ansonsten jegliche finstere Aura vermissen. Umso ärgerlicher, da der Fundus an Marvel-Bösewichten wahrlich interessantere Figuren hergegeben hätte.
Im aktuellen Fall sind oben genannte Kritikpunkte immerhin zu verschmerzen. Das liegt neben den bereits erwähnten skurrilen Helden, der knallbunten Inszenierung und den gut getimtem Gags nicht zuletzt am fantastischen Soundtrack in Form von Peter Quills „Awesome Mix Vol.1“-Kassette. Darauf sind jede Menge Perlen aus den 60er und 70er Jahren zu finden – etwa „Hooked on a Feeling“ von Blue Swede, „Spirit in the Sky“ von Norman Greenbaum oder auch „Jailbreak“ von Thin Lizzy. Gute-Laune-Songs, die herrlich zum locker-leichten Grundton des Films passen.
Fazit: „Guardians of the Galaxy“ macht richtig Spaß. Wohltuend hebt sich Peter Gunns Werk vom überhöhten Superhelden-Einheitsbrei ab und ist fast schon eine Parodie auf das eigene Genre. Ob es der bisher unterhaltsamste Marvel-Film ist, hängt vom Geschmack des Betrachters ab. Es ist in jedem Fall der frechste. Statt ausufernder Zerstörungsorgien setzen die Macher auf gut getimte Schenkelklopfer und einen quietschbunten Look. Inhaltlich bemüht sich der Film gar nicht erst, etwas vorzumachen, wo nichts ist. Vermutlich ging es aber zunächst einmal mehr darum, die fünf Kindsköpfe vorzustellen. Zahlreiche pop-kulturelle Referenzen und ein überragender Soundtrack runden den hervorragenden Gesamteindruck ab.