„Große Jungs“ oder der Traum zweier Männer vom „wahren Leben“

Magazin

„Große Jungs“ oder der Traum zweier Männer vom „wahren Leben“

Eigentlich hat Musiker Thomas einen sehr vernünftigen Plan: Heiraten und einen langweiligen Bürojob annehmen. Doch dann lernt er den Vater seiner Verlobten kennen und alles kommt ganz anders. Denn sein Schwiegervater in spe hat die Nase gestrichen voll von seiner Ehe und sucht einen Verbündeten auf dem Weg ins wahre Männer-Leben.

Was wäre das Leben ohne französische Komödien? Es wäre wohl nur halb so witzig, denn spätestens seit dem Kinoerfolg „Ziemlich beste Freunde“ sind die Filme aus Frankreich ein Garant für gute und unterhaltsame Kinoerlebnisse. Auch das Regiedebüt von Anthony Marciano „Große Jungs – Nicht jeder will erwachsen werden“ verspricht ein großer Erfolg zu werden – und das nicht nur bei unseren Nachbarn. Beim Filmfest in Hamburg räumte die charmante Komödie bereits den Publikumspreis ab.

Am Anfang des Films steht eine liebevolle, ja fast klassische Kennenlern-Geschichte: Der erfolglose Musiker Thomas (Max Boublil) lernt bei einem seiner verhassten Auftritte auf einer spießigen Hochzeit Lola (Mélanie Bernier) kennen und auch bald lieben. Einige Jahre vergehen ereignislos, bis Thomas Lola auf dem Weg zu ihren Eltern mit einem verrückten Heiratsantrag überrascht. Frisch verlobt lernt Thomas so seinen zukünftigen Schwiegervater Gilbert (Alain Chabat) kennen, der seit 30 Jahren mit Lolas Mutter Suzanne (Sandrine Kiberlain) verheiratet ist und sich seit dem Verkauf seiner Firma schrecklich langweilt.

Seine Ehe sieht er als Grund allen Übels – und so will er seinen zukünftigen Schwiegersohn Thomas mit allen Mitteln davon abhalten, denselben Fehler zu begehen. Zum Leidwesen seiner Verlobten ist dieser leichter von Gilberts verrücktem Traum vom „wahren Leben“ zu überzeugen, als gut für ihn ist. Und so wird aus den beiden Männern schnell ein unzertrennliches Gespann, das lieber kifft und die Nächte durchfeiert, als sich um ihre Frauen zu kümmern.

Im Mittelpunkt des Films steht nicht – wie man anfangs meinen könnte – die Liebesbeziehung zwischen Thomas und Lola, sondern die handfesten Krisen der beiden „Großen Jungs“. Regisseur Marciano erzählt den Ausbruch der beiden Männer aus der Normalität mit so viel Charme und Liebe zum Detail, dass man Gilbert und Thomas die geleisteten Fehltritte als Zuschauer nur schwer übelzunehmen vermag.

Da Thomas zu Beginn des 98-minütigen Films beschließt, seinen großen Traum von Musikerleben zu begraben und einen langweiligen spießigen Job annimmt, entwickelt sich der Schwiegervater Gilbert nach und nach zu seinem eigenen traurigen Spiegelbild in 20 Jahren. Der Musiker beginnt darauf seine Zukunft mit Lola zu hinterfragen und es zeichnet sich immer deutlicher ab, dass ihm die Nestbauwünsche seiner Verlobten über den Kopf wachsen – da kommt ihm Gilberts postpubertäre Selbstfindungsphase genau recht. Dass zwischen den Schauspieler Max Boublil und Alain Chabat bei ihren Szenen als turbulentes Männer-Duo eine fantastische Chemie herrscht, merkt man dem Film in jeder Sekunde an.

Der Komödie „Große Jungs“, die sich zwar vordergründig durch eine gewisse Derbheit auszeichnet, gelingt es aber ganz nebenbei eine herrliche Karikatur auf die Oberflächlichkeit der Musiker-Szene zu zeichnen: da wären der durchgeknallte Art Director einer Plattenfirma, der nervige Kinderstar mit seltsam tyrannischen Anwandlungen, sowie Thomas selbst als Stereotyp des Musikers, der seit Kindesbeinen an ohne Erfolg von einer Musikerkarriere träumt.

Die Frauenrollen hingegen – mit Sandrine Kiberlain und Mélanie Bernier trefflich besetzt – bilden einen amüsanten Gegensatz zum unreifen Männerbild. Suzanne, die als Neo-Hippie durch die Welt läuft und aus unbewusstem Frust in ihrem Gutmenschentum versinkt und Lola, die mit einer unglaublichen Geradlinigkeit ihre Karriere verfolgt, wirken ausgesprochen sympathisch und lebensecht. Als Zuschauer kommt man nicht umhin über die Dummheit der Männer, diese Frauen ziehen zu lassen, den Kopf zu schütteln.