Gregor Meyle: „New York ist laut, stickig, krass, extrem!“

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Gregor Meyle: „New York ist laut, stickig, krass, extrem!“

Gregor Meyle hat eine neue Platte aufgenommen - in New York. Wie ist es, auf dieselbe Toilette zu gehen wie Paul Mc Cartney? Der Nachrichtenagentur spot on news hat der Sänger von seiner Zeit in der Metropole und in dem Örtchen Stintino auf Sardinien erzählt.

Für sein fünftes Album hat Gregor Meyle (35, „Sing meinen Song – Das Tauschkonzert“) weder Kosten noch Mühe gescheut, er hat es in den „Avatar Studios“ in New York aufgenommen. Entstanden ist eine internationale Platte mit vielen Gegensätzen. Warum das Album für Meyle selbst gut zur WM passt und wie viel Ahnung er von Fußball hat, verriet er im Interview.

Ihr neues Album heißt „New York – Stintino“. New York ist klar, aber was bedeutet Stintino?

Gregor Meyle: Das ist ein ganz kleiner, ruhiger und entspannter Ort auf Sardinien, wie aus dem Bilderbuch. Die meisten der Songs auf der neuen Platte, habe ich dort geschrieben. In New York sitzt jeder mit Kopfhörern in der U-Bahn und hört Musik – und träumt vielleicht von einem Örtchen wie Stintino.

Und was beutet New York für Sie?

Meyle: New York ist für mich die große, weite Welt – ich war vorher noch nicht da. Es ist laut, stickig, krass, extrem! Und die ganze Stadt lebt von der Musik. Es gibt 400 Life-Clubs, in denen jeden Tag gespielt wird. In der U-Bahn stehen Typen, die unfassbar gut spielen. Ich dachte mir dann: Warum darf ich eigentlich ins „Avatar“ und die spielen hier für fünf Dollar im Hut? Das macht mich sehr dankbar und demütig.

New York und Stintino – Das sind also zwei gegensätzliche Orte. Würden Sie sagen, dass auch die Platte ein Album der Gegensätze geworden ist?

Meyle: Musikalisch gesehen ist da auf der einen Seite die große, weite Welt drauf: Wir haben einen Bossa-Song mit einer Brasilianerin aufgenommen, New-York-Sounds sind dabei – Klavier und Bläser. Auf der anderen Seite gibt es ganz intime Songs, die auch auf Sardinien hätten aufgenommen werden können. Das ist genau die Mischung: Jeder sehnt sich manchmal nach einem kleinen Örtchen wie Stintino und manchmal eben nach New York – der großen, weiten Welt.

Auf der neuen Platte gibt es einen Song mit der brasilianische Sängerin Raissa. Sie bringt ihr Album mit der Single zur WM in Brasilien heraus. Freuen Sie sich auf die WM?

Meyle: Ich liebe die WM! Ich habe aber nicht viel Ahnung: Warum spielt der Messi jetzt bei Barcelona, der ist doch eigentlich bei Argentinien? Solche Sätze kommen immer von mir. Aber ich liebe Fußball einfach und spiele auch selber gern. Das heißt nicht, dass ich das gut kann. Dieser ganze Trubel und die Aufmerksamkeit! Da sind diese 16- bis 20-jährigen Kerle, die auf dem Platz stehen und denen das Herz in die Hose rutscht. Ich würde das nicht hinbekommen und den Ball jenseits in die Wallachei schlagen.

Die WM ist ja auch nochmal was anderes als der DFB-Pokal…

Eben. Es ist schon Wahnsinn, wenn die ganze Welt auf dich schaut! Und alles außenherum. Die Brasilianer zum Beispiel machen eine Riesen-Party. Wir waren ja eine Woche für den Song da. Am Anfang hatten wir schon ein bisschen Percussion aufgenommen. Aber als die Brasilianer das gehört haben, meinten sie: „Naja, wir machen das nochmal mit unserer Percussion.“ Das war so, als ob die Brasilianer uns eine Lederhose nähen würden. Echt lustig!

Welchen Platz wird Deutschland machen?

Meyle: Ich glaube, dass wir echt eine gute Chance haben. Die Brasilianer sind natürlich wahnsinnig gut und extrem motiviert. Ich glaube auch, dass Bosnien-Herzegowina – eines der Länder, die man nicht so auf dem Zettel hat – relativ weit nach vorne kommen wird. Außerdem die Spanier: Verdammt! Die sind natürlich Wahnsinn. Spanien, Deutschland und Herzegowina – einer von denen wird’s!

Oder Brasilien?

Es wäre natürlich schön für Deutschland, zu gewinnen. Aber wir sind ja sowieso immer vorne mit dabei. Auch Platz zwei oder drei ist ok. Es ist auch wichtig, dass man das als internationale Veranstaltung sieht und sich mit anderen Mannschaften mitfreut. Gerade in Brasilien ist der Kontrast in der Gesellschaft sehr krass. Wenn Leute gar nichts haben und ihr Land gewinnt – dann freut man sich natürlich mit. So hat man auch viel mehr Spaß an der ganzen WM.

Könnten Sie sich vorstellen, selber einmal einen WM-Song zu schreiben und zu singen?

Meyle: Ich glaube, dass die Leute eher Party-Songs für die WM hören wollen. Lieder, die man mit ein oder zwei Bierchen im Kopf auch noch singen kann. Ich will nicht die Nase rümpfen, aber wir sind in Deutschland eher im Stampf-Rhythmus zuhause. Trotzdem habe ich mit meinem Album in gewisser Weise auch eine WM-Platte gemacht, weil sie so international ist. Der brasilianische Song zum Beispiel, das ist meine Art und Weise: Nicht nur Party – sondern auch was von Brasilien erzählen.

Ihr neues Album haben Sie in den „Avatar Studios“ in New York aufgenommen. Wie war es, in so einem berühmten Studio zu singen?

Meyle: Das ist ein krasses Studio! Eine Woche vor mir stand Paul McCartney vor demselben Mikrofon. Ich habe mich über die Geschichte des Studios informiert: Bruce Springsteen, Dire Straits, Beatles, John Lennon – alle saßen seit den 1970er Jahren auf dem Stuhl in diesem Studio. Es gibt auch nur eine Herren-Toilette: Es ist sehr interessant, wer da schon alles drauf saß. Es ist Wahnsinn. Das waren heilige zwölf Stunden und wirklich ganz, ganz heiß für mich.

Woher nehmen Sie die Ideen zu Ihren Texten?

Meyle: Beim Song „Das Beste kommt noch“ war das zum Beispiel so: Ich sitze mit einer Papiertüte voller reifer Pfirsiche da und schau aufs Meer. Ich denke mir: Wie geht’s mir? Was schreibe ich? Fällt mir was ein oder nicht? Und dann fange ich einfach an: „Vor mir liegt das blaue Meer, ich schau den Wolken hinterher.“ Und aus so einer Situation entsteht dann ein Song.

Schreibe Sie manchmal auch einfach drauf los?

Ja, klar. Oder es gibt Situationen, die dir ins Knochenmark gehen. Wenn zum Beispiel Leute versuchen, nach Europa zu kommen. Tagsüber verkaufen sie dann Sonnenbrillen am Strand und abends steigen sie in einen LKW. Sie wohnen in einer Ruine mit einer Plastikfolie als Dach – und das auch in Sardinien, im Paradies. Sie sind wahrscheinlich mit dem Schlauchboot über das Mittelmeer gekommen. Dabei ertrinken jeden Tag Menschen. Die Umstände, aus denen meine Songs entstehen, sind sehr unterschiedlich.

Das Album ist hauptsächlich auf Deutsch. Singen Sie auch mal auf Englisch?

Ja das mache ich gerade jetzt bei „Sing meinen Song“. Aber es ist einfach schwieriger, auf Englisch zu schreiben, weil es nicht meine Muttersprache ist. Metaphern kann man einfach besser basteln, wenn man in der Sprache zuhause ist. Generell versuche ich aber schon, auch auf Englisch zu schreiben. Und mal sehen, wo die Reise mit dem nächsten Album hingeht – vielleicht wird’s ja Italienisch…