„Grand Budapest Hotel“: Ein Märchen für Erwachsene

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„Grand Budapest Hotel“: Ein Märchen für Erwachsene

Unzählige A-Klasse-Schauspieler, eine skurrile Story und kunterbunte Kulissen: So kennt man die Filme von Wes Anderson. Auch für seinen neusten Streich, "Grand Budapest Hotel", hält der US-Filmemacher an der altbewährten Formel fest.

Wenn Filmemacher Wes Anderson (44) ein neues Projekt verkündet, scheint halb Hollywood Schlange zu stehen, um einen Part darin zu ergattern. Auch „Grand Budapest Hotel“ ist in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Tatsächlich gelang es dem US-Amerikaner für die britisch-deutsche Koproduktion noch mehr Stars um sich zu scharen, als im Vorgänger „Moonrise Kindgdom“. Daraus entstanden ist ein herzhafter, komischer, aber auch tragischer Film, der über die gesamte Laufzeit zu unterhalten weiß – ein Märchen für Erwachsene.

Die Haupthandlung des Films spielt im Jahr 1932 im fiktiven osteuropäischen Alpenstaat Zubrowka, inspiriert vom Ungarn der Zwischenkriegszeit. Im Mittelpunkt der Geschichte steht das titelgebende Grand Budapest Hotel und dessen Angestellte, allen voran der Concierge Monsieur Gustave H. (Ralph Fiennes, 51) und dessen Page, Zero Moustafa. Neben seiner Vorliebe für Lyrik teilt der galante Gustave ein Interesse an reifen Frauen – so auch an der 84-jährigen Witwe Celine Villeneuve Desgoffe-und-Taxis. Als diese kurz nach einer gemeinsamen Nacht mit dem Hotel-Chef auf mysteriöse Weise verstirbt und ihm auch noch das schier unbezahlbare Kunstwerk „Junge mit Apfel“ testamentarisch vermacht, wähnt Dimitri (Adrien Brody, 40, „Der Pianist“), der Sohn der Dahingeschiedenen, den Concierge als den Mörder. Mit Hilfe seines treuen Pagen und der Republik am Rande eines weiteren Krieges, versucht Gustave, seinen Namen reinzuwaschen und den wahren Mörder seiner Geliebten zu schnappen.

Für „Grand Budapest Hotel“ bedient sich Anderson einer stark verschachtelten Rahmenhandlung. Insgesamt wird die Geschichte auf vier unterschiedlichen Zeitebenen erzählt. So beginnt der Film in der Gegenwart, als sich eine junge Frau der Grabstätte eines in Zubrowka verehrten Schriftstellers nähert. Neben dem Grab beginnt sie, sein berühmtes Buch zu lesen, das wie der Film heißt. Der Streifen springt daraufhin zurück ins Jahr 1985, wo eben dieser Schriftsteller (Tom Wilkinson, 66) von den vielen Erfahrungen seiner langen Karriere erzählt. In dieser Art Vorwort berichtet der gealterte Autor von seinem bedeutsamsten Aufeinandertreffen: Es ist das Jahr 1968, und um sich von einer Schreibblockade zu erholen, checkt der noch junge Autor (Jude Law, 41, „Repo Men“) für einige Zeit im heruntergekommenen Grand Budapest Hotel ein. Während seines Aufenthaltes trifft er zufällig den alleinigen Besitzer des Hotels: Zero Mustafa. Dieser erklärt sich bereit, aus seiner bewegten Vergangenheit zu berichten, von seinem Protegé und besten Freund Gustave H. – die Haupthandlung des Films beginnt.

Rein optisch wird in jeder Szene deutlich, dass es sich um einen Anderson-Film handelt. Die fast sklavische Symmetrie in jeder Einstellung und das bonbonbunte Farbdesign sind bezeichnend für seine Arbeit. Ein spielzeughaftes Bühnenbild verleiht dem Film zudem eine infantile Märchenhaftigkeit – eine Art Kinderfilm für Erwachsene. Für die verschiedenen Zeitebenen hat sich der Regisseur ebenfalls einen raffinierten Kunstgriff einfallen lassen: Jede der vier Erzählungen kommt in einem unterschiedlichen Format daher. So präsentiert sich die Haupthandlung des Films, die den größten Teil des Streifens einnimmt, im nicht mehr zeitgemäßen 4:3-Verhältnis.

Mit „Grand Budapest Hotel“ ist Anderson etwas sehr Schwieriges gelungen. Er schafft es, der einerseits skurril-albernen Geschichte und dem quietschbunten Design eine tragische Note zu verleihen. Im Angesicht des bevorstehenden Krieges, der dem Zweiten Weltkrieg nachempfunden ist, drohen dem nicht-kaukasischen Lobby-Jungen und dem scharfzüngigen Gustave H. realistische Konsequenzen. So unbefangen der Film zum größten Teil auch wirkt, befinden sich die Hauptfiguren in echter Gefahr, und der Zuschauer sorgt sich um sie. Und trotzdem: Bei Anderson befindet sich stets das Positive im Vordergrund, das aus negativen Situationen resultiert. In der heutigen Zeit, in der viele Kinoproduktionen einen sehr düsteren Realitätsanspruch haben, erzählt „Grand Budapest Hotel“ eine rührende Geschichte von Freundschaft, Treue und Aufopferungsbereitschaft, die den Betrachter ein ums andere Mal zum Lachen bringt.

Noch einmal muss der Cast des Films erwähnt werden. Neben den Hauptdarstellern Ralph Fiennes und dem noch unbekannten Tony Revolori (17) spielen unter anderem Jeff Goldblum (61), Willem Dafoe (58), Bill Murray (63), Owen Wilson (45), Harvey Keitel (74), Tilda Swinton (53) und Edward Norton (44) mit. Gemeinsam mit den bereits erwähnten Adrien Brody, Jude Law und Tom Wilkinson ist das eine Besetzung, die Ihresgleichen sucht. Doch einer überstrahlt seine Kollegen: In der ersten vollauf komödiantischen Rolle seiner Karriere ist Ralph Fiennes absolut bestechend und scheint wie dafür gemacht. Wenn er als kultivierter Concierge liebliche Lyrik rezitiert, nur um im nächsten Augenblick in wüsteste Beschimpfungen zu verfallen, oder seinem Lobby-Jungen von den zahlreichen Schäferstündchen mit betuchten Damen erzählt, bleibt kein Lachmuskel unbeansprucht.

Wer schon mit den vorangegangenen Werken des Filmmachers nichts anfangen konnte, wird indes auch mit „Grand Budapest Hotel“ nicht warm werden. Anderson bleibt seinem typischen Stil zu treu, um bisherige Kritiker von sich überzeugen zu können. Wer hingegen ein Faible für seine skurrile Erzählweise hat, wird sich mit dem knapp 100-minütigen Streifen bestens unterhalten fühlen.