Fritz Kalkbrenner: „Die Sorge vor dem Burnout ist da“

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Fritz Kalkbrenner: „Die Sorge vor dem Burnout ist da“

Bei einer seiner Live-Touren reist Fritz Kalkbrenner bis nach Asien und kommt dabei gerne mal auf 130 Shows. Trotzdem bringt er mit "Ways over Water" nun schon sein drittes Album heraus. Wie er das alles schafft und was er gegen Burnout unternimmt, erzählt er spot on news im Interview.

Sein anspruchsvoller Tour-Kalender hindert Fritz Kalkbrenner nicht daran, regelmäßig ein neues Album abzuliefern und dabei nichts an Qualität einzubüßen. Das neue Werk „Ways over Water“ (ab 17. Oktober im Handel) enthält wieder vielseitige, melodische Club-Musik mit klaren Einflüssen aus Soul und Funk und stellt Kalkbrenners eigene Stimme viel mehr in den Mittelpunkt als seine Vorgänger. Auch bei seinen Live-Auftritten singt Kalkbrenner mittlerweile selbst. Ob dabei Lampenfieber aufkommt, erzählt der Musiker der Nachrichtenagentur spot on news im Interview.

„Ways over Water“ ist Ihr drittes Album innerhalb weniger Jahre, und dann sind Sie auch noch viel auf Tour. Haben Sie überhaupt so etwas wie Freizeit?

Fritz Kalkbrenner: Ich arbeite äußerst viel, das stimmt schon. Aber ich habe ja keinen Job, bei dem man regelmäßig von acht bis vier Uhr antreten muss. Es gibt Höhen und Tiefen – mal arbeitet man richtig viel, dann hat man auch wieder einen ganzen Tag frei. Und in unserer Branche ist zwischen Silvester und Mitte Januar generell wenig los. Das ist die Zeit, in der die ganzen DJs und Live-Acts dann Urlaub machen.

Wenn man so hart arbeitet, besteht nicht die Gefahr, dass man irgendwann die Nase voll hat oder kurz vor dem Burnout steht?

Kalkbrenner: Glücklicherweise hat sich das bei mir noch nicht eingestellt. Aber die Sorge vor dem Burnout ist natürlich da. Deswegen suche ich oft den inneren Abstand zur Arbeit, damit ich das alles auch immer wieder für mich wiederentdecken kann. Und wenn es eines Tages doch so sein sollte, dass ich mich ausgebrannt fühle, dann werde ich auch bestimmt die Reißleine ziehen und eine Ruhepause einlegen.

Ihre Musik ist sehr melodisch, was für Techno eher untypisch ist. Steckt dahinter vielleicht ein Stück weit Rebellion gegen Konventionen des Genres?

Kalkbrenner: Rebellion würde ich es nicht nennen. Das würde gegen den Kern der Sache gehen. Ich bin natürlich auch ein großer Technoliebhaber und kann auch reduzierte, minimalistische Stücke ganz toll finden. Aber mein Sammelsurium an Einflüßen verschiedener Stilrichtungen schlägt sich natürlich auch in meiner Musik nieder. In meiner Musik und in dem Versuch, meine ganzen Einflüße und verschiedene Stile in das Korsett des Dancefloors einzubinden, steckt schon ein sehr hoher kompositorischer Wert. Aber ich lehne minimalistischen Techno bestimmt nicht ab.

Sie selbst lassen aber ihre Einflüße frei fließen?

Kalkbrenner: Genau. Ich habe einen musikalischen Background, der über das Techno-Terrain hinaus geht. Ich finde es sehr wichtig, dass man nicht inzestuös in seiner eigenen stilistischen Suppe vor sich hinschmort, sondern sich von anderen Stilen inspirieren lässt. In meinem Fall sind das Funk, Soul und Hip Hop. Als Liebhaber dessen taucht das ganz natürlich in meiner Musik auf.

Avicii zum Beispiel bringt Singles mit anderen Künstlern heraus, auch mit Soul-Künstlern wie Aloe Blacc. Wäre das für Sie denkbar?

Kalkbrenner: Ich persönlich halte diesen Versuch des Eklektizismus für schwierig. Crossover ist eine ziemlich schwierige Kiste. Hip House zum Beispiel – dabei sollen zwei Stile zu gleichen Teilen eine Übersetzung erfahren, und das funktioniert nicht immer. Ich finde es am besten, wenn es grundlegend immer noch ein klar erkennbarer Stil ist; der darf dann auch stark und erkennbar durch andere Sachen beeinflusst sein.

Wird es zukünftig also keine Single von Fritz Kalkbrenner featuring Sido geben?

Kalkbrenner: Das kann man getrost ausschließen.

Sie singen auf ihren Tracks selbst und singen mittlerweile auch bei Ihren Auftritten. Kommt da Lampenfieber auf?

Kalkbrenner: Das war anfänglich da, klar. Das war etwas, was mir eigentlich schon vor Jahren abgegangen ist. Ich fand es interessant und spannend, als es dann auf einmal wiedergekehrt ist. Glücklicherweise habe ich das schon wieder ganz gut im Griff.

Bei Auftritten in Clubs hat das Publikum oft vielleicht Alkohol oder härtere Sachen intus – stört das die Dynamik zwischen Künstler und Publikum?

Kalkbrenner: Meist merkt man das gar nicht. Aber manchmal kann das schon ausarten. Ich habe nichts gegen gute Stimmung und Euphorie. Wenn das aber in Gröhlexzesse ausartet, was nichts mehr mit dem Cluberlebnis oder der Musik zu tun hat, dann stört das schon sehr.

Als Sie in Ihrer Jugend durch die Clubs gezogen sind, waren da auch manchmal Drogen im Spiel?

Kalkbrenner: Ja, klar. Ich war ja auch mal jung. Aber das ist schon lange her.

Sind Sie immer noch öfter im Nachtleben unterwegs?

Kalkbrenner: Nein, aus Zeitgründen komme ich nur noch selten dazu. Meistens findet sowas am Wochenende statt, und da stehe ich meistens selbst hinter dem Pult. Wenn ich unter der Woche mal was finde, gehe ich auch mal hin, aber hierbei zählt für mich Qualität statt Quantität.

Wieviel machen Ihr Bruder Paul Kalkbrenner und Sie musikalisch noch zusammen? Mischen Sie immer noch gerne bei dem anderen mit?

Kalkbrenner: Vor ein paar Jahren haben wir das noch ganz gerne gemacht. Da wir beide wenig Zeit haben, sind wir mittlerweile dazu übergegangen, dass wir uns unsere fertigen Alben einfach rüberschieben und die dann auswerten. Natürlich diskutieren wir viel über unsere Arbeit, auch im Detail, aber ansonsten macht jeder sein eigenes Ding.

Wenn Sie bei Familientreffen zusammenkommen, gibt es dann auch andere Themen als Musik?

Kalkbrenner: Wir halten uns bei Familienfeiern ein bisschen zurück. Musikersprache ist sehr speziell und manchmal sehr kryptisch, und dann wären die anderen schnell außen vor. Und glücklicherweise haben Paul und ich genug andere Themen, über die wir uns unterhalten können.

Sie touren auch viel international. Wo treten Sie besonders gerne auf?

Kalkbrenner: Ich bin großer Fan von den Festivals im Sommer – Rock am Ring, Rock im Park, Hurricane, Southside oder Le Rock Dans Tous Ses Etats in Frankreich. Das macht mir großen Spaß, denn die Venues sind groß und es herrscht viel Energie.

Wie geht es bei Ihnen weiter? Ist das nächste Album schon in Planung?

Kalkbrenner: Ich habe schon ein paar Nummern in der Hosentasche. Aber jetzt konzentriere ich mich erstmal auf das aktuelle Album und die kommende Tour. In ruhigeren Minuten werde ich dann wieder anfangen, Ideen zu sammeln.

Aber das nächste Album kommt bestimmt? Aufhören ist kein Thema?

Kalkbrenner: Ich sehe keinen Grund, irgendetwas zu ändern. Dazu macht mir das alles zuviel Spaß.