Frank Farian: „Texte über Liebe waren keine Texte für Boney M.“
Magazin
Band Session im Proberaum
Das Disco-Phänomen Boney M. feiert 2015 sein 40-jähriges Jubiläum und kann auf eine kurze aber steile Karriere zurückblicken. Dass die Band derartig durchstarten würde, konnte auch Produzent Frank Farian zunächst nicht ahnen.
Als der Musiker, Sänger und Produzent Frank Farian (73) Ende 1974 den Disco-Kracher „Baby Do You Wanna Bump“ aufnahm, konnte er nicht ahnen, dass die im folgenden Jahr unter dem Bandnamen Boney M. veröffentlichte Single der Startschuss seines größten Erfolges und eines Pop-Phänomens der 70er werden sollte. „So etwas kann man nicht planen“, sagt Farian der Nachrichtenagentur spot on news. Erst nachdem die Single, zunächst vor allem in Holland und Belgien, erste Erfolge feierte, stellte der Produzent eine Band für Konzerte und TV-Auftritte zusammen.
„Die Leute hören auch mit den Augen“
Selbst als Frontmann aufzutreten, kam für Farian dabei nie in Frage: „Ich war bekannt als Schlagersänger, es hätte unglaubwürdig ausgesehen“, erklärt er. Außerdem sei seine „ständige Präsenz im Studio, 16 Stunden jeden Tag, mit Live-Auftritten nicht zu vereinbaren“ gewesen. Nach einigen Besetzungswechseln stand 1976 dann das Line-Up, mit dem Boney M. zu Superstars werden sollten. Liz Mitchell und Marcia Barrett waren wegen ihrer Powerstimmen ausgewählt worden, Bobby Farrell und Maizie Williams wegen ihrer optischen Ausstrahlung – denn „die Leute hören auch mit den Augen“, sagt Farian. Mit den Ohren waren Farrell und Williams dann auch auf den Platten nie zu hören, auf der Bühne sangen jedoch alle Mitglieder der Live-Besetzung selbst, wie Farian betont.
Der Durchbruch kam dann 1976 mit der zweiten Single „Daddy Cool“, die sich weltweit über eine Million Mal verkaufte. Von da an ging es für Boney M. steil nach oben, bis die Band 1978 auf dem Höhepunkt ihrer Karriere stand. Zu seinen persönlichen Highlights aus diesem Jahr zählt Farian neben den „unglaublichen“ Verkaufszahlen von „Rivers of Babylon“, das in Großbritannien mit 36 Wochen auf Platz eins einen Chartrekord aufstellte, auch den historischen Auftritt Boney M.s in Moskau und den Besuch von Papst Johannes Paul II. in Irland, bei dem die Menge „Rivers of Babylon“ sang.
Geschichten aus dem Leben
Und während man bei Boney M. heute vor allem an Disco und Party denkt, ist „Rivers of Babylon“ mit seinem biblischen Text – im Original stammte der Song von der Rastafari-Band The Melodians – auch ein Beispiel dafür, dass Boney M. sich durchaus gerne politisch und gesellschaftlich relevanten Themen widmeten. „Texte über Liebe waren keine Texte für Boney M.“, erklärt Farian. „Geschichten aus dem Leben sind interessanter und ein unerschöpflicher Fundus.“ So thematisierte etwa „Belfast“ den Nordirland-Konflikt, „Plantation Boy“ handelte von der Sklaverei, „We Kill the World (Don’t Kill the World)“ von Umweltverschmutzung und der Angst vor einem Atomkrieg.
Nach 1978 ebbte die Erfolgswelle für Boney M. langsam ab, das Album „Boonoonoonoos“ verfehlte 1981 die deutschen Top 10, in Großbritannien schaffte es die Scheibe nicht einmal in die Top 100 – die beiden Vorgänger waren in beiden Ländern noch auf der Eins gechartet. Ende des Jahres wurde Farrell wegen Unzuverlässigkeit gefeuert und später durch Reggie Tsiboe ersetzt. 1984 kehrte Farrell zu Boney M. zurück, doch nach der Feier zum zehnjährigen Jubiläum löste sich die Band schließlich auf.
Band-Nachleben und ein vorzeitiger Tod
Nach einigen gescheiterten Versuchen, die Gruppe ohne Farian wiederzubeleben, tourten verschiedene Ex-Mitglieder mit ihren eigenen Versionen von Boney M. durch die Weltgeschichte. Farian unterstützte dabei offiziell nur die Besetzung um Liz Mitchell, 2010 sprach jedoch ein Gericht allen Mitgliedern der Originalbesetzung das Recht zu, den Namen Boney M. zu verwenden. Ende 2010 starb Bobby Farrell während einer Russland-Tournee in Sankt Petersburg an Herzversagen. „Die Nachricht erreichte mich aus der Presse, ich war geschockt“, erinnert sich Farian. „Es hat mich sehr bewegt, einen langjähriger Künstler und Freund zu verlieren.“
Das 40-Jährige Jubiläum im Jahr 2015 feierte Boney M. mit der Compilation „Diamonds“, die auf drei CDs neben den wichtigsten Hits der Bands auch Remixe von aktuellen Künstlern enthält. RTL II sendet zu diesem Anlass die große Dokumentation „Pop Giganten: Die wahre Geschichte von Boney M.“ (13. April, 22:15 Uhr), in der Farian, Mitchell und Barrett den einen oder anderen Blick hinter die Kulissen der Band gewähren.