Fler, Gangsta-Rap und die Zeitschleife

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Fler, Gangsta-Rap und die Zeitschleife

Für Rap-Fans ist dieser Februar ein Highlight des Jahres: Diese Woche erscheint das neue Album von Fler, nächste Woche legen Zugezogen Maskulin und Bushido nach und obendrauf gibt's den ersten Wortschatz-Schwanzvergleich im Hip-Hop. Wer sich nicht für Gangsta-Rap interessiert, könnte sich allerdings in einer Zeitschleife wähnen.

Gangsta-Rap im Jahr 2015, also 14 Jahre nach der Gründung von Aggro Berlin, ist eine Herausforderung. Es ist ganz simpel: Die Beleidigungen gehen aus. Erst diese Woche hat eine interaktive Grafik des „Puls“-Magazins die Runde gemacht, in der der Wortschatz deutscher Rapper analysiert wurde. Überschrift: „Wer hat den Größten?“ In der Top Ten finden sich Namen wie Kollegah, Haftbefehl oder Kool Savas. Die Auswertung teilt uns außerdem mit, dass Bushido in seinen Texten von allen Rappern am meisten über Mütter rappt, welches die Lieblingsworte von Haftbefehl („ficken“) oder Curse („wissen“) sind, und dass Helene Fischers Wortschatz kleiner ist als der des durchschnittlichen Rappers.

Fler, der als Frank White diesen Freitag sein elftes Album „Keiner Kommt Klar Mit Mir“ herausbringt, wird in dieser Analyse überhaupt nicht erwähnt. Das wird ihm nicht gefallen. Dass keiner mit ihm klar kommt, ist im Falle eines Gangsta-Rappers eine Auszeichnung. Aber nicht erwähnt werden, das ist vernichtend. Vor allem weil in der Liste selbst „Hipster“-Rapper wie Cro oder Casper vertreten sind und sein größter Gegner Bushido zumindest Platz 18 belegt.

Das Problem ist, dass Hip-Hop sich weiterentwickelt hat, während Gangsta-Rap noch immer das Lineal zum Schwanzvergleich studiert. Nur mal kurz angerissen, was sich in den vergangenen Jahrzehnten in Hip-Hop-Deutschland getan hat: Blumentopf glänzen schon seit zwanzig Jahren mit schlauem Flow, KIZ haben das ganze Gedisse so sarkastisch übertrieben, dass sie vom Feuilleton gefeiert werden, der ehemalige Beginner Jan Delay füllt mittlerweile mit Big-Band-Soul die Konzerthallen, Grim 104 oder Zugezogen Maskulin klingen hart, kritisch und trotzdem intelligent, Casper regiert mit Pop-Hop die Charts und Dendemann spielt für Jan Böhmermann im seriösen ZDF. In Aggro Berlin aber wird immer noch so gerappt: „Ich hab Rap gefickt und die Frau von seinem Vater“.

Wer im Thema ist: Statt den Ami-Trend Trap weiter zu bedienen, ist Fler jetzt auch musikalisch wieder „street“. Die Beats sind deep, die Melodien mitreißend, die Stimmung böse. Die Gangsta-Poesie klingt im Jahr 2015 allerdings immer noch nach Tourette-Kindergarten: „Der Asphalt glänzt wenn es regnet / Die Wolken sind schwarz / Der Asphalt glänzt wenn es regnet / Wir ficken deinen Arsch“. Selbst die Idee, seine Alter Egos gegeneinander battlen zu lassen, ist nicht neu. Aber immerhin beschimpft Fler aka Frank White die Szene jetzt als „metrosexuell“ und nicht mehr als „schwul“. Ein Fortschritt? Bester lyrischer Moment des Albums ist dann schließlich, als Fler zwischen all dem mäßig kreativen und natürlich politisch höchst inkorrektem Gedisse und Gehate plötzlich die schlauste Vokabel des Albums raushaut: „Irrelevant!“

Deutscher Gangsta-Rap ist die Daily Soap des Plattenbaus. Es ist ein Genre, das sich seit über einem Jahrzehnt hauptsächlich um eine Gruppe Jungs dreht, die mal Freunde waren und sich nun die härtesten Beleidigungen um die dicken Eier schlagen. Mehr wird da auch nicht mehr passieren, außer dass sich noch ein paar andere Jungs in den Beef mit einmischen. Denn andere Rapper haben auch schöne Mütter. Und am Ende ist doch alles nur Entertainment und Geschmackssache wie Fler im Interview mit „rap.de“ so schön auf den Punkt bringt: „Wenn ihr Niveau haben wollt, dann studiert doch einfach.“